Britische Regierung berät Strategie How to do a Brexit?
Die britische Regierung sucht nach einer Erfolgsstrategie für den Brexit. Doch bevor der Austrittsprozess starten kann, müssen viele offene Fragen geklärt werden. Heute tagt das Kabinett - alle Mitglieder sollen ihre Sicht der Dinge darlegen.
Richard, 35-jähriger Verwaltungsangestellter in London, hat für den Verbleib in der Europäischen Union gestimmt. Er ist nicht überrascht, dass es jetzt nur schleppend vorangeht mit dem Ausstieg: Es habe ja offensichtlich niemand einen Plan, meint er.
"Brexit heißt Brexit"
In Chequers, dem idyllischen Landsitz der britischen Regierung, geht es heute um Pläne. Alle im Kabinett sollen Stellung nehmen, wie die Strategie zum Abschied von der EU aussehen kann. Premierministerin Theresa May betonte: Brexit heißt Brexit. Man werde ihn zu einem Erfolg machen, versprach sie.
Oliver Ilott vom unabhängigen Institute for Government ist sich sicher, dass die Arbeit längst begonnen habe. "Die Politik mag für ein paar Wochen im Sommerurlaub gewesen sein. Die Ministerien hingegen haben in dieser Zeit die verschiedenen Optionen entwickelt und was das für ihre jeweiligen Bereiche bedeuten würde." Das Wichtigste sei jetzt, die Interessen der Gesellschaft, der Wirtschaft, der verschiedenen Landesteile zu benennen und zu bündeln, sagt er. Da gebe es gewaltige Unterschiede und Konflikte.
Quo vadis, Großbritannien?
Ein Biobauer verfolge andere Ziele als ein landwirtschaftlicher Großbetrieb, Schottland andere Interessen als Wales. Alle Beteiligten zusammenzuführen, die Konflikte zu klären: das ist die Schlüsselaufgabe der Regierung. Erst dann kann sie überhaupt mit den Austrittsverhandlungen beginnen. Demnach kann es noch einige Zeit dauern, bis der berühmte Artikel 50 aktiviert wird, um den Austrittsprozess formal in Gang zu setzen.
Großbritannien müsse jetzt erstmal festlegen, wie es überhaupt seine eigene Zukunft sehe, sagt Gus O’Donnell, der unter mehreren Premierministern im engsten Beamtenstab von Downing Street No. 10 diente: "Solange wir das nicht haben, würde ich Artikel 50 nicht ziehen, sondern mir meine Zeit nehmen." Nächstes Jahr seien Wahlen in Frankreich und Deutschland, man wisse nicht, mit wem man danach verhandele. Es bestehe kein Grund zur Eile, sagt er.
Fragen über Fragen
Und das Königreich braucht Zeit. Denn parallel zum Ausstieg muss auch über die Zeit danach verhandelt werden. Über die Beziehungen zur EU, die 56 Handelsverträge, die die EU auch für die Briten mit abgeschlossen hat, über die Rolle in der Welthandelsorganisation WTO. Eine riesige Aufgabe, sagt Oliver Ilott vom Institute for Government: "Die eigentliche Frage ist doch: Wie viel schaffen wir in diesen zwei Jahren zusätzlich zu den Austrittsverhandlungen? Wie viele Gespräche über die künftigen Beziehungen zur EU? Und zur WTO? Und zu allen anderen? Was schaffen wir alles auf einmal? Es ist echt eine Herausforderung."
Die beiden neuen Ministerien für Internationale Handelsbeziehungen und speziell für den Brexit suchen bereits nach Personal, vor allem nach Experten für Handelsverträge. Von den geplanten 1000 Stellen allein im Handelsministerium sollen bislang allerdings erst etwas mehr als 100 besetzt sein.