Theresa May verlässt am frühen Morgen Downing Street No. 10, um nach Brüssel zu reisen.

May mal wieder in Brüssel Und täglich grüßt...

Stand: 07.02.2019 02:59 Uhr

Die britische Premierministerin ist heute mal wieder in Brüssel. Wie stehen die Chancen, dass es in Sachen Brexit dabei was Neues gibt? Schlecht - auch wenn im Vorfeld manches passiert ist.

Wieder mal "Groundhog Day", spötteln die ganz Abgebrühten unter den Brüsseler Beobachtern, die dem Ernst der Lage mit angelsächsischem Humor begegnen. Wieder so ein Tag, an dem das Murmeltier grüßt - respektive die britische Regierungschefin - so wie in der US-Filmkomödie von 1993. Aber auch ein Tag, an dem wahrscheinlich nichts wirklich Neues passiert.

Noch einmal kommt Theresa May über den Ärmelkanal, um im Gespräch mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk letzte Spielräume für einen geordneten Brexit auszuloten. Das Ganze exakt 50 Tage vor Ablauf der Frist.

Michael Grytz, ARD Brüssel, zum Streitfall Backstop bei den Brexit-Verhandlungen

Morgenmagazin

"Alternative Regelungen"

Dass sie im eigenen Land doch noch eine ausreichend tragfähige Mehrheit für einen wie auch immer gearteten Deal bekommt - diese von vielen als kühn empfundene Hoffnung hatte Premierministerin May vergangene Woche, nach einer weiteren Abstimmungsrunde im Unterhaus, noch tapfer verbreitet. Und sie hatte angekündigt, sie werde mit dem Auftrag nach Brüssel reisen, "alternative Regelungen" speziell für den sogenannten Backstop aushandeln. Die werde sie dem Parlament dann am 13. Februar, also kommenden Mittwoch, präsentieren. Das Problem ist nur: aus EU-Sicht ist die Zeit des Verhandelns längst vorbei.

"Wir stimmen in allen Fragen vollständig überein"

Glaubt man gut informierten Diplomaten, stehen die Chancen, dass Mays "unmögliche Mission" Erfolg hat, schlecht. Zum einen habe man aus London zuletzt keinen neuen Vorschlag gehört, über den zu diskutieren sich lohne.

Zum anderen sei der Standpunkt der 27 seit Dezember bekannt und unverrückbar: Korrekturen oder Präzisierungen, die das künftige Verhältnis betreffen, seien möglich. Doch das rund 600 Seiten starke Austrittsabkommen, das einen guten Kompromiss darstelle, werde nicht noch einmal aufgeschnürt. Und auch der darin enthaltene Backstop, die Garantie für eine offene Grenze auf der irischen Insel, stehe nicht zur Disposition.

Leo Varadkar (links) und Jean-Claude Juncker

Leo Varadkar (links) und Jean-Claude Juncker bei ihrem Treffen gestern.

Tusk mal sehr undiplomatisch

"Wir stimmen in allen Fragen zum Brexit vollständig überein", beschwört auch Kommissionschef Juncker die demonstrative Geschlossenheit. Vor dem Treffen mit May hatte sich der Luxemburger gestern noch einmal mit dem irischen Premier Leo Varadkar beraten und diesem zugesichert, dass die EU die Iren nicht im Stich lassen werde. Wenn es um die Mitglieder seiner Behörde gehe - ihn selbst oder Chefunterhändler Michel Barnier - halte man an der gemeinsamen Linie fest, so Juncker. Und auch Theresa May wisse, dass dieses Kapitel nicht noch einmal geöffnet werde.

Mays anderer Gesprächspartner, EU-Ratspräsident Donald Tusk, der die 27 Mitgliedsstaaten vertritt, sieht das ganz genauso, wie er sagt. Allerdings liegen bei dem Polen inzwischen offenbar die Nerven blank. Nach dem gestrigen Kurzbesuch des irischen Regierungschefs ließ sich Tusk jedenfalls zu einer recht undiplomatischen Formulierung hinreißen. Er frage sich manchmal, "wie der besondere Platz in der Hölle" für jene aussehe, die den Brexit vorangetrieben hätten, ohne den geringsten Plan, wie man ihn sicher über die Bühne bringt.

Realistische Ideen gesucht

Der ungewohnt scharfe Tonfall lässt sich möglicherweise damit erklären, dass die Stunde der Wahrheit im Brexit-Drama allmählich näher rückt. Gerade mal sieben Wochen bleiben noch, um das gefürchtete "No-Deal-Szenario" zu verhindern oder sich wenigstens so gut es geht darauf vorzubereiten. Dies, so heißt es in Brüssel, habe nun oberste Priorität, da sich der Brexit offensichtlich nicht mehr stoppen lasse.

Er sei zuversichtlich, dass man eine Lösung finden könne, sagt der irische Premier Varadkar, der daran ein besonderes Interesse hat. Notfalls könne man das Austrittsdatum auch verschieben. Spekulationen über eine zweimonatige "Gnadenfrist" hatten noch gestern die Runde gemacht. Varadkar erinnert aber zugleich daran, dass auch das EU-Parlament den Brexit-Vertrag noch verabschieden muss.

Um doch noch aus der Sackgasse herauszukommen, erwartet man vom Gast aus London dringend realistische Ideen, die auf beiden Seiten des Kanals eine Mehrheit finden. Wie diese aussehen könnten, weiß momentan aber niemand.  

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 07. Februar 2019 um 06:15 Uhr.