Neuwahlen in Großbritannien Farage schließt Reihen der Brexiteers
Ein Geschenk für Großbritanniens Premier Johnson: Bei den Unterhauswahlen im Dezember will die Brexit-Partei den Konservativen nicht ins Gehege kommen. Sie tritt nur dort an, wo die Labour-Partei bisher stark war.
Von Jens-Peter Marquardt, ARD-Studio London
"Die Brexit-Partei wird nicht in den 317 Wahlkreisen antreten, die die Konservativen 2017 gewonnen haben." Das verkündete Nigel Farage vor seinen Anhängern in der Hafenstadt Hartlepool im englischen Nordosten.
Ein Geschenk für Boris Johnson: Seine Konservativen liegen zwar in allen Umfragen klar vor der oppositionellen Labour-Partei, doch die Stimmen für die Farage-Partei hätten das Votum der Brexiters spalten können.
Das wäre eine große Gefahr für Johnson gewesen: Denn in dem Land mit Mehrheitswahlrecht, in dem nur die Kandidaten ins Unterhaus kommen, die die meisten Stimmen in ihren Wahlkreisen erhalten, hätten so andere - EU-freundliche Parteien - den Konservativen Sitze abjagen können. Sie hätten somit eine konservative Mehrheit, also eine Mehrheit für den Brexit im Unterhaus verhindern können.
Was Farage auf jeden Fall verhindern will
Diese Gefahr hat nun der Erz-Brexiter Farage erkannt, der seit Jahrzehnten für den Austritt aus der EU kämpft:
Wenn wir in 600 Wahlkreisen antreten würden, würde es wieder ein Parlament ohne klare Mehrheit geben.
Damit hätte der Brexit auf dem Spiel gestanden. Eine weitere Verschiebung des Austritts oder sogar eine erneute Volksabstimmung über den Austritt wären dann nicht ausgeschlossen.
Das will Farage unter allen Umständen verhindern, auch wenn er das von Johnson in Brüssel ausgehandelte Austrittsabkommen für misslungen hält und am liebsten ohne Vertrag mit der EU austreten würde.
Druck von Geldgebern und Medien
Der Chef der Brexit-Partei war bereits am Wochenende unter Druck geraten: Die konservativen, Brexit-freundlichen Zeitungen hatten ihn in großen Lettern gedrängt, Johnson und den Konservativen zum Wahlsieg zu verhelfen. Auch mächtige Geldgeber der Brexit-Partei hatten Farage davor gewarnt, mit einer Alles-Oder-Nichts-Strategie den Austritt aus der EU aufs Spiel zu setzen.
Farage und die Brexit-Partei zielen jetzt allein auf die traditionellen Labour-Wahlkreise, und dort vor allem auf die, in denen die Bürger beim Referendum 2016 mit Mehrheit für den Austritt aus der EU gestimmt haben. "Wir werden jetzt unsere Anstrengungen auf die Sitze der Labour-Partei konzentrieren, die ihr Versprechen gebrochen hat, das Ergebnis des EU-Referendums zu respektieren", so Farage.
Auch das könnte den Konservativen helfen, am 12. Dezember eine deutliche Mehrheit im Unterhaus zu erreichen. Boris Johnson, auf Wahlkampftour in Wolverhampton in den West Midlands, freute sich deshalb: Die Brexit-Partei habe erkannt, dass nur ein klares Votum für die Konservativen den Austritt aus der EU garantiere.
Stärkere Konkurrenz für Liberaldemokraten
Ein weiterer Verlierer der neuen Farage-Strategie könnten die EU-freundlichen Liberaldemokraten sein. Sie hatten darauf gehofft, in bürgerlichen Wahlkreisen die lachenden Dritten zu sein, wenn sich dort Konservative und Brexit-Partei bekämpfen. Jetzt haben sie es in diesen Wahlkreisen mit Torys zu tun, die nicht mehr von Farages Kandidaten angegriffen werden.
Immerhin haben auch die Liberaldemokraten eine Allianz gebildet, mit anderen EU-freundlichen Parteien, um die Chancen für einen Verbleib in der Europäischen Union am Leben zu erhalten.