Wahlen in Großbritannien Allianz der Kleinen gegen den Brexit
Das Mehrheitswahlrecht macht es kleinen Parteien schwer, ins britische Unterhaus einzuziehen. Nun haben drei von ihnen eine Allianz geschlossen, um den Brexit-Befürwortern Paroli zu bieten.
Von Jens-Peter Marquardt, ARD-Studio London
Heidi Allen war bis zum Februar Abgeordnete der Konservativen. Dann verließ sie die Partei, unter anderem aus Protest gegen den Brexit-Kurs der Tories. Jetzt sitzt sie für die Liberaldemokraten im Unterhaus. Bei der Wahl am 12. Dezember tritt sie nicht wieder an.
Aber sie hat etwas geschafft, was diese Wahl vielleicht entscheidend beeinflussen könnte. Sie hat eine Allianz von drei EU-freundlichen Parteien zusammengebracht: Neben den Liberaldemokraten gehören dazu die Grünen und die walisische Partei Plaid Cymru. Diese drei Parteien wollen in 60 Wahlkreisen nur einen gemeinsamen Kandidaten aufstellen. Damit will sie eine Spaltung der Stimmen des EU-freundlichen Lagers in diesen Wahlkreisen verhindern.
So eine Allianz habe es so noch nie gegeben,, sagte Allen: "Das ist keine normale Wahl. Hier geht es um den Brexit." Es gehe darum, ob das Land mit Boris Johnsons Austrittsabkommen - vielleicht sogar einem ungeregelten Brexit - voran gehen wolle oder die Möglichkeit bekomme, in der EU zu bleiben. "In dieser Frage stimmen alle Remain-Wähler überein", betont Allen.
Heidi Allen von den Liberaldemokraten hat eine Allianz der Remain-Parteien geschaffen.
Die Kleinen haben es alleine schwer
Im Land des Mehrheitswahlrechts fallen die Stimmen für die kleinen Parteien normalerweise weitgehend unter den Tisch: Denn nur die Kandidaten mit den jeweils meisten Stimmen in den einzelnen Wahlkreisen ziehen ins Unterhaus ein - ein klarer Vorteil für große Parteien wie die Konservativen oder Labour.
Die Grünen haben deshalb zurzeit nur einen Sitz im Unterhaus. Mithilfe der neuen Allianz könnten sie vielleicht eine Fraktion bilden. Die Fraktionen von Liberaldemokraten und Plaid Cymru könnten viel stärker werden. Die drei Parteien haben zwar keine Chance auf eine Mehrheit im Unterhaus. Sie könnten es aber mit der Allianz schaffen, eine konservative Mehrheit und damit den Durchmarsch zum Brexit zu verhindern.
Die größte Oppositionspartei, die Labour Party, hat sich der Allianz nicht angeschlossen. Sie würde auch nicht dazu passen, meint Allen. Labour sei keine eindeutige Remain-Partei. "Labour will einen neuen Deal verhandeln, der möglicherweise zum Brexit führt. Deshalb kann Labour nicht Teil dieser Allianz sein."
Arbeiten künftig zusammen: die Unterhaus-Abgeordnete der Grünen, Caroline Lucas, die Parteichefin der Liberaldemokraten, Jo Swinson, und die Unterhaus-Abgeordnete der Plaid Cymru, Liz Saville Roberts
Keine konservative Allianz in Sicht
Auf der anderen Seite des politischen Spektrums deutet sich bisher keine entsprechende Allianz an. Im Gegenteil: Die Brexit-Partei des langjährigen EU-Kritikers Nigel Farage will in etwa 600 Wahlkreisen antreten.
Die Wochenzeitung "New European" bezeichnete Farage deshalb als "Geheimwaffe der Remainer", weil er die Stimmen der Brexiters in den Wahlkreisen spalten und so EU-freundlichen Kandidaten ins Unterhaus verhelfen könnte. Der Chef der Brexit-Partei blieb jedenfalls dabei: Er werde seine Kandidaten nicht zu Gunsten der Konservativen zurückziehen. Denn Boris Johnsons Austrittsabkommen binde Großbritannien viel zu stark an die EU und sei deshalb gar kein richtiger Brexit.
Farage will Bündnis mit Johnson
Farage forderte Johnson erneut auf, das Austrittsabkommen aufzugeben, zu Gunsten eines klaren Bruchs mit der EU: "Wir haben noch die Chance, eine Leave-Allianz zu bilden. Boris Johnson hat noch zehn Tage Zeit, beizutreten. Ich hoffe, er tut das."
Doch Johnson wird das Austrittsabkommen im Wahlkampf nicht zu Gunsten eines No-Deal-Brexits aufgeben, weil er sonst am 12. Dezember die Stimmen gemäßigter Brexiters verlieren würde. Allerdings könnte es unterhalb einer formellen Allianz der beiden Brexit-Parteien Absprachen auf lokaler Ebene geben. Farage hat jedenfalls angedeutet, er könnte dort auf seine Gegenkandidaten verzichten, wo die Konservativen Brexit-Hardliner aufstellen.
Die neue Remainer-Allianz macht es Boris Johnson jetzt jedenfalls erst einmal schwerer, aus dem klaren Vorsprung der Konservativen in den Meinungsumfragen am 12. Dezember auch eine konservative Mehrheit im Unterhaus zu machen.