Brexit-Verhandlungen Längere Übergangsphase vom Tisch
Die Austrittsverhandlungen zwischen der EU und London verliefen bisher sehr zäh. Dennoch sagt Großbritannien "Nein" zu einer Verlängerung der Brexit-Übergangsphase. Ende des Jahres ist also Schluss. Damit droht ein harter Bruch.
Großbritannien hat eine Verlängerung der Verhandlungen mit der EU nach dem Brexit endgültig ausgeschlossen. Das kündigte Kabinettsminister Michael Gove an. "Ich bestätige formell, dass das Vereinigte Königreich die Übergangsperiode nicht verlängern wird." Der Zeitpunkt für eine Verlängerung sei verstrichen. "Am 1. Januar 2021 werden wir wieder die Kontrolle übernehmen und unsere politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit wiedererlangen", twitterte Gove.
Nach dem mit der EU vereinbarten Austrittsvertrag wäre eine Verlängerung entweder um ein oder zwei Jahre bis Ende 2021 oder Ende 2022 möglich. Dies müsste aber bis zum Monatsende beantragt werden.
Die Briten waren am 31. Januar aus der EU ausgetreten. In der Übergangsphase bis zum Jahresende bleibt das Land noch im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion. In dieser Zeit wollen beide Seiten insbesondere ein Handelsabkommen vereinbaren. In vier Verhandlungsrunden gab es aber bisher keine wesentlichen Fortschritte.
Der Druck wächst
Die EU hat Großbritannien ein Handelsabkommen ohne Zölle und Einfuhrquoten angeboten. London weigert sich aber bisher, für einen weitgehend ungehinderten Zugang zum europäischen Binnenmarkt im Gegenzug Sozial-, Umwelt- und Verbraucherstandards der EU zu akzeptieren. Hoch umstritten ist auch der weitere Zugang für EU-Fischer zu britischen Fanggründen.
Mit der Absage Londons wächst nun der Druck, bis zum Jahresende ein Abkommen über die künftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU zuwege zu bringen.
EU bleibt offen für Verlängerung
Die EU war für eine Verlängerung der Frist, um mehr Zeit für Verhandlungen zu haben. Großbritannien wendet sich aber seit Monaten strikt dagegen. Der Vize-Präsident der EU-Kommission, Maros Sefcovic, sagte, Gove sei in der Frage der Verlängerung in einer gemeinsamen Video-Konferenz "sehr klar" gewesen. Die EU bleibe aber nach wie vor "offen für eine solche Verlängerung".
EU-Verhandlungsführer Michel Barnier erklärte, die EU nehme die britische Entscheidung "zur Kenntnis". Um den Verhandlungen noch eine Chance zum Erfolg zu geben, müsse es jetzt darum gehen, "Fortschritte in der Substanz" zu machen. Deshalb hätten beide Seiten vereinbart, "die Gespräche in den kommenden Wochen und Monaten zu intensivieren".
Abkommen muss bis Ende Oktober stehen
Um die Gespräche aus der Sackgasse zu holen, ist am Montag nun erstmal eine Video-Konferenz der EU-Spitzen mit dem britischen Premierminister Boris Johnson geplant. An ihr nehmen auf EU-Seite Kommissionschefin Ursula von der Leyen, Ratspräsident Charles Michel, Parlamentspräsident David Sassoli sowie Chefunterhändler Barnier teil.
Die EU bestätigte, dass nun im Juli jede Woche verhandelt werden soll. Weitere Gespräche sind dann ab Mitte August und auch im September geplant. Barnier hatte in der Vergangenheit klar gemacht, dass ein Abkommen bis Ende Oktober stehen muss, um noch parlamentarisch ratifiziert zu werden.
Keine Verlängerung sei "extrem leichtsinnig"
Die Spitzen der Regionalregierungen von Schottland und Wales hatten bis zuletzt an Johnson appelliert, die Übergangsperiode zu verlängern. Angesichts der Folgen der Corona-Pandemie sei es "extrem leichtsinnig", die Übergangsphase zum Jahresende auslaufen zu lassen. Die stockenden Gespräche lassen die Furcht vor einem Desaster wachsen.
Gelingt in der Übergangsphase kein Abkommen, wird ein harter wirtschaftlicher Bruch mit Zöllen und anderen Handelshemmnissen erwartet.