EU berät nach Libyen-Konferenz "Wir sollten 'Sophia' wiederbeleben"
Gibt es als Folge der Berliner Libyen-Konferenz einen Neustart von "Sophia"? Im März 2019 war diese Mission zur Rettung von Bootsflüchtlingen eingestellt worden. Doch die Gemengelage in der EU ist inzwischen eine andere.
Zufrieden zeigte sich vor allem Josep Borrell, der Hohe Vertreter der Europäischen Union für die Außenpolitik. Der erfahrene Spanier hatte schon in seiner Antrittsrede vor ein paar Wochen gefordert, die EU müsse in der Außen- und Sicherheitspolitik künftig öfter mit einer Stimme sprechen und sich insgesamt deutlich mehr um die Krisenherde vor der eigenen Haustür kümmern. Der von der Bundesregierung angestoßene "Berliner Prozess", der helfen soll, den libyschen Bürgerkrieg nach über acht Jahren endlich zu beenden, ist da ganz in seinem Sinne.
Dass sich die Europäer nach diesem "großen Erfolg der deutschen Diplomatie" womöglich bald auch militärisch engagieren müssen, um den äußerst fragilen Friedensprozess in Libyen zu unterstützen, war im Kreis der Minister Konsens. Auch wenn alle Seiten ausdrücklich betonten: Für entsprechende Beschlüsse sei es noch zu früh.
Borrell informierte in einer Pressekonferenz nach dem Treffen der EU-Außenminister zu Libyen.
Wer überwacht den Waffenstillstand
Ein echter Waffenstillstand, so EU-Chefdiplomat Borrell, könne nur mit Hilfe von außen halten. Jemand müsse schließlich für seine Einhaltung sorgen. "Wenn Sie die Waffenruhe aufrechterhalten wollen, muss das jemand überwachen", so Borrell. "Die Vereinten Nationen, die Afrikanische Union, die EU - irgendjemand muss das tun. Sie können nicht erwarten, dass der Waffenstillstand von selbst funktioniert."
In diesem Zusammenhang sprach sich Borrell dafür aus, die vor einem knappen Jahr auf Eis gelegte Marine-Mission "Sophia" vor der libyschen Küste zu reaktivieren. Dies hatte kurz nach der Berliner Konferenz bereits Bundesaußenminister Heiko Maas angeregt.
Die EU hatte den 2015 begonnenen Anti-Schleuser-Einsatz 2019 weitgehend eingestellt, weil Italiens damaliger Innenminister Matteo Salvini und dessen rechtspopulistische Lega-Partei keine aus Seenot geretteten Migranten mehr aufnehmen wollten. Formell läuft die Mission allerdings noch.
Skepsis in Sachen Blauhelme
"Ich denke, wir sollten 'Sophia' wiederbeleben", äußerte sich der EU-Außenbeauftragte überzeugt. Eine Position, die beim Brüsseler Ministerrat durchaus auf breite Zustimmung stieß. Zumal Salvini nicht mehr in der Regierung ist.
Erheblich skeptischer beurteilt man im Kreis der 28 dagegen eine andere Idee Borrells, die ebenfalls in nicht allzu ferner Zukunft aktuell werden könnte: ein Blauhelm-Einsatz mit robustem UN-Mandat.
Stabilisierung im eigenen Interesse der Europäer
Das werde man sich "sehr gut überlegen müssen", beschwichtigte der österreichische Ressortchef Alexander Schallenberger - der darauf hinwies, dass die Europäer mit Blick auf die immer noch ungelöste Flüchtlingsfrage ein vitales Interesse daran haben, das nordafrikanische Land nachhaltig zu stabilisieren und ein Waffenembargo durchzusetzen. Zuvor jedoch müsse sich die brisante Lage vor Ort deutlich entspannen; und die UN dann entscheiden, ob und wann eine solche Friedensmission eingesetzt wird.
Zunächst gehe es darum, aus der aktuell brüchigen Waffenruhe einen Waffenstilltand zu machen, so Bundesaußenminister Heiko Maas. "Und dann wird in der EU, bei den Vereinten Nationen, mit der Afrikanischen Union und der Arabischen Liga darüber zu reden sein, wie das, was dann hoffentlich auf den Weg gebracht ist, auch eingehalten und kontrolliert werden kann."
"Den zweiten Schritt vor dem ersten"
Über einen Neustart für "Sophia" oder gar die Entsendung von Bodentruppen wollte Maas vorläufig noch nicht spekulieren. Es gebe "eine Vielzahl von Möglichkeiten", die jetzt diskutiert würden. Das Ergebnis von Berlin sei lediglich der "Startschuss" für einen dauerhaften Friedensprozess.
Fest steht für Maas, dass die EU bei dieser "gemeinsamen großen Kraftanstrengung" eine wichtige Rolle übernehmen wolle und werde. Im Moment aber finde eine Debatte statt, "den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen".
Zwei weitere Treffen bereits geplant
Um das positive Momentum aufrechtzuerhalten, kündigte Maas weitere diplomatische Schritte an. So ist für Anfang Februar ein Folgetreffen der Berliner Konferenz "auf Ebene der Außenminister" geplant, bei dem die Hilfsmaßnahmen für Libyen konkretisiert werden sollen. Noch in dieser Woche will der UN-Sondergesandte Ghassan Salamé jeweils fünf Vertreter der Konfliktparteien in Genf empfangen.
Vom Ausgang dieser Gespräche dürfte abhängen, ob sich der Entscheidungsdruck in Sachen "Sophia" bald erhöht. Für die EU wäre eine Neuauflage des Marine-Einsatzes - nach Ansicht von Experten - ein dankbarer, weil relativ unaufwändiger Weg, das viel beschworene Verantwortungsbewusstsein zügig unter Beweis zu stellen. Allerdings endet das Mandat für die Mission offiziell im März.