Wer wird Kommissionschef? Eine Suche mit vielen Hürden
Warum ist die Suche nach dem künftigen EU-Kommissionschef so schwer? Das hat im aktuellen Fall gleich mehrere Gründe: unklare Mehrheiten im Parlament, Uneinigkeit zwischen den Staaten und innenpolitischer Machtkampf.
Jean-Claude Juncker, offiziell noch bis Ende Oktober Kommissionspräsident der EU, hatte gleich zum Auftakt des kleinen Brüsseler Gipfels klargestellt, worum es geht - nämlich darum, den besten Kopf für Europas Zukunft zu finden: "Einen ähnlich guten wie mich - aber heute wird keine Entscheidung fallen, es ist informelles Abendessen."
Ein informelles und ein ausführliches Abendessen, bei dem weniger der Genuss im Mittelpunkt gestanden haben dürfte. Denn für jeden der 28 Staats- und Regierungschefs ging es darum, dass ihnen kein anderer die Suppe versalzt, die sie künftig in Europa kochen möchten. Schließlich sollen alle Spitzenjobs neu verteilt werden. Und da möchte sich irgendwo und irgendwie jeder wieder finden.
Drei konkrete Namen im Rennen
Zentral dabei natürlich: die Juncker-Nachfolge. Drei Namen sind im Spiel: Der Sozialdemokrat Frans Timmermanns , der Christsoziale Manfred Weber und die Liberale Margrete Vestager. Vestager ist zwar nicht wirklich Spitzenkandidatin, aber doch zumindest im liberalen Kandidaten Top-Team.
Für Bundeskanzlerin Angela Merkel wird das eine schwierige Entscheidung, weil sie nicht nur Rücksicht nehmen muss auf ihre europäischen Kollegen, sondern auch auf ihren Koalitionspartner in Berlin. "Naturgemäß ist es so in der GroKo, dass ich Manfred Weber unterstütze, was nicht alle Koalitionspartner tun, aber nichtsdestotrotz ist das Thema Spitzenkandidat sehr wichtig", sagte sie. Denn die SPD würde lieber Timmermanns unterstützen.
Macron will "etwas Neues machen"
Wichtig ist das Thema Spitzenkandidat auch dem französischen Präsidenten Emanuel Macron - aber: ganz anders: "Zum ersten Mal in der Geschichte des Europäischen Parlaments gibt es keine Mehrheit aus zwei Fraktionen", sagte er. Und deshalb sei es notwendig, etwas Neues zu machen, ein neues Projekt, für das die Wähler sich entschieden hätten. "Und im Mittelpunkt muss hier die neue Kraft aus der Mitte stehen, des Fortschritts, der jetzt eine entscheidende und verantwortliche Rolle zukommen muss", argumentierte Macron.
Bei der Frage des EU-Kommissionspräsidenten uneins: Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Macron.
Was Macron meint, sind Europas Liberale in der ALDE-Fraktion, die dazugewonnen haben - und das verstehen viele als Votum Macrons für die Dänin Vestager. Explizit gesagt hat er das aber nicht. Aber: Ihren Namen zusammen mit dem von Timmermanns hat er genannt - den von Weber dafür nicht.
Österreich für Weber
Ausdrücklich für Timmermanns ausgesprochen hat sich Spaniens Regierungschef Pedro Sanchez. Timmermanns könne das soziale in Europa nach vorne bringen. Österreich spricht sich indes klar für Weber aus: "Wir haben schon immer klar gemacht, dass Manfred Weber für uns der Spitzenkandidat ist, dass er das Vertrauten genießen wird", sagte der frisch ernannte Zwischen-Kanzler Hartwich Löger, der wahrscheinlich nur kurz im Amt bleiben wird - und wohl auch deshalb bei der Linie seines Vorgängers geblieben ist.
Die Erkenntnis nach diesem Abendessen von Brüssel: Mit großer Wahrscheinlichkeit wird es einer der drei genannten Namen sein, für die Nachfolge von Juncker. Aber wie Juncker selbst sagte: Entschieden wurde noch nichts. Die Staats- und Regierungschefs brauchen noch Zeit. Und dabei müsse man pfleglich miteinander umgehen, meinte Merkel. Damit nachher jeder mit der Entscheidung leben kann.
Austariertes Gesamtpaket erwartet
Die Verhandlungen wird in den kommenden Wochen EU-Ratspräsident Donald Tusk führen. Er sagte, leicht werde das nicht: "Denn wir müssen die Unterschiedlichkeit der EU berücksichtigen: die Größe und die geographische Lage der Mitgliedsstaaten, die Frage der Verteilung zwischen den Geschlechtern und die politische Ausrichtung."
Trotzdem: Bis zum nächsten Gipfel in Brüssel am 20. Juni wollen sich die Staats- und Regierungschefs einig werden. Am Ende wird mit einem fein austarierten Gesamtpaket gerechnet. Schließlich gibt es noch ein paar andere Top-Jobs in Brüssel, und auch die brauchen neue Köpfe. So ist das in Europa.