Die Europawahl in Italien Berlusconi will von Eskapaden ablenken
Italiens Premier Berlusconi spielt in seiner Partei immer die erste Geige, auch im Europa-Wahlkampf. Auch wenn er sicher nicht als Parlamentarier nach Straßburg gehen wird, hofft er doch, mit guten Umfragewerten seine zahlreichen Affären im Land wegwischen zu können.
Gregor Hoppe, ARD-Hörfunkstudio Rom
Italiens Premierminister Silvio Berlusconi ist Listenkandidat Nummer 1 seiner Partei "Volk der Freiheit" für die Europawahlen. Das wäre andernorts in der EU zumindest sonderbar. Aber der heftige persönliche Einsatz des Regierungs- und Parteichefs dient zwei Zielen. Zum einen, dem Koalitionspartner von der separatistischen, traditionell europafeindlichen "Lega Nord" so viele Stimmen abzunehmen wie nur möglich, um die Lega ein bisschen zurückzustutzen. Und zum anderen, aus der eigenen Mitte-Rechts-Partei die größte Gruppe unter den Konservativen im Europaparlament machen. "Wir müssen die führende Kraft in der EVP werden," so Berlusconi, "um über die Entscheidungen des EU-Parlaments zu entscheiden und die Interessen Italiens am besten verteidigen zu können, die Interessen von uns allen in Europa."
Umfragewerte sprechen für Sieg Berlusconis
Der derzeitige Vize-Präsident des EU-Parlaments, Mario Mauro, soll dann, nach Berlusconis Vorstellungen, zu dessen Präsidenten werden. Der Premier setzt einzig auf seine ungebrochen guten Umfragewerte und nimmt die Wähler in die Pflicht. Allen Vorwürfen und Anklagen, die die Opposition gegen ihn persönlich vorbringe, werde die Europawahl den Wind aus den Segeln nehmen. Mit einem überzeugenden Sieg, und für einen solchen sprechen alle Umfragen, wären all die derzeitigen Affären erledigt, so das Kalkül des Premiers. Die um die ursprünglich geplanten Kandidatinnen seiner Partei, das Korruptionsurteil gegen den britischen Anwalt Mills, Berlusconis anstehende Ehescheidung, die unklare Beziehung zu einer gerade mal volljährigen Neapolitanerin und den Einsatz von Dienstflugzeugen als Shuttle zu Festen auf seinem Privatanwesen an der Costa Smeralda.
Berlusconi war diese Woche öfter mal wieder einziger Gast in vielen Fernsehtalkshows, in denen er bekräftigte, die Regierung Italiens weiterführen zu wollen. "Wenn ich eine Aufgabe übernehme, ist es völlig ausgeschlossen, dass ich aufgebe", unterstrich der Premier seine Haltung.
Berlusconi spart nicht mit Eigenlob
Die Ich-Bezogenheit, mit der Italiens Premier die Lage des Landes schildert, ist dabei fast schon beängstigend. Er unterhalte beste Beziehungen zu allen anderen EU-Regierungen. Er habe alle schweren Probleme, die ihm die linke Vorgängerregierung hinterlassen habe, großartig gelöst, ihn liebten drei von vier italienischen Wählern. Nur intrigiere die Linke gegen ihn, auch mit der Hilfe ausländischer Presseorgane, vor allem der britischen Zeitungen. Im Gegensatz aber zu seinem Konkurrenten Rupert Murdoch sei er selbst, so Berlusconi, stets der liberalste Medienmagnat gewesen.
Mitte-Links-Partei ist kraft- und saftlos
Der geballten Selbstdarstellung des Regierungschefs steht eine halb gelähmte Mitte-Links-Partei gegenüber. Sie wird wohl noch nicht mal aus den jüngsten Eskapaden des Silvio Berlusconi Kapital schlagen können. Dario Franceschini, Chef der Demokraten, wiederholt einigermaßen kraftlos seine Warnung. "Noch mehr Macht, übergroße Macht, jemandem zu geben, der nur genervt ist von allem, was sein Regierungshandeln beeinträchtigt, sei es die Presse, das Parlament, das Staatsoberhaupt oder die Opposition - da würde ich als Italiener drüber nachdenken."