Europäischer Gerichtshof Russland wegen Menschenrechtsverletzung verurteilt
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sieht es als erwiesen an, dass Russland nach der Annexion der Krim 2014 "systematisch" gegen Menschenrechte verstoßen hat. Es gebe Beweise, etwa für Misshandlungen und Verschleppungen.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Russland wegen der "systematischen Verletzung" von Menschenrechten nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Halbinsel Krim im Jahr 2014 verurteilt. Damit gaben die Richterinnen und Richter einer sogenannten Staatenbeschwerde der Ukraine recht. Das Urteil dürfte jedoch kaum Auswirkungen haben.
Die Entscheidung des Gerichts bezieht sich nicht auf die Annexion der Krim an sich, sondern auf das Handeln von russischen Truppen nach der widerrechtlichen Aneignung der ukrainischen Halbinsel. Die Ukraine hatte Russland unter anderem Verschleppungen, unrechtmäßige Inhaftierungen in überfüllten Gefängnissen, Misshandlungen sowie die Unterdrückung der ukrainischen Medien und der ukrainischen Sprache in Schulen vorgeworfen.
Auf der Internetseite des EGMR werden zudem die Anschuldigungen der rechtswidrigen Festnahmen sowie der ungerechtfertigten Verfolgung und Verurteilung von Personen mit proukrainischer Haltung auf Basis von erfundenen Vorwürfen als Teil der Beschwerde aufgeführt.
"Ein System von Rechtsverletzungen"
Die Richterinnen und Richter sahen die meisten dieser Vorwürfe als belegt an. Es gebe genügend Beweise, "um zweifelsfrei feststellen zu können, dass die Vorfälle so zahlreich und miteinander verknüpft waren, dass sie ein Muster oder ein System von Rechtsverletzungen darstellen", hieß es vom EGMR.
Russland habe somit gegen zahlreiche Artikel der europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen - etwa gegen das Recht auf Leben, auf Freiheit und Sicherheit, auf faire Gerichtsverfahren, gegen die Religions- und Medienfreiheit sowie gegen das Verbot von Misshandlung, willkürlicher Bestrafung und Diskriminierung.
Weiter heißt es, Russland habe das Strafrecht missbraucht, um die Opposition auf der Krim niederzuschlagen. Auch Geistliche, die nicht der Linie des Russischen Patriarchats folgten, seien bedrängt und eingeschüchtert worden, urteilte der EGMR. Dies habe besonders ukrainisch-orthodoxe Priester und muslimische Imame betroffen.
Zudem prangerte das Gericht an, dass es keinerlei Untersuchung solcher Vorfälle gegeben habe, was zeige, "dass diese Praktiken von den russischen Behörden offiziell geduldet wurden".
Russland 2022 aus Europarat ausgeschlossen
Das Urteil dürfte für Russland aber kaum Folgen haben. Nach Ausbruch des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine wurde die Russische Föderation im März 2022 aus dem Europarat ausgeschlossen. Damit ist sie auch kein Mitglied der Europäischen Menschenrechtskonvention mehr, für deren Einhaltung der EGMR sorgt.
Doch auch nach einem solchen Ausschluss gelten die Entscheidungen des EGMR in Bezug auf Menschenrechtsverstöße, die von einem Staat vor oder bis zu einem halben Jahr nach seinem Ausschluss begangenen wurden. Im Fall von Russland galt diese Frist also bis Mitte September 2022. Russland hat aber bereits angekündigt, die Urteile des Gerichts nicht anzuerkennen.