Abstimmung im Parlament Frankreich verankert Recht auf Abtreibung in Verfassung
Die "Freiheit zur Abtreibung" wird in die französische Verfassung aufgenommen - ein weltweites Novum. Mit großer Mehrheit stimmten die Abgeordneten beider Parlamentskammern dafür. Vor dem Pariser Eiffelturm brach Jubel aus.
Als erstes Land der Welt nimmt Frankreich die "Freiheit zur Abtreibung" in die Verfassung auf. Die Abgeordneten beider Parlamentskammern gaben mit deutlicher Mehrheit grünes Licht für das Projekt von Staatspräsident Emmanuel Macron.
780 Parlamentarier stimmten im Schloss von Versailles mit Ja, 72 mit Nein. Für die Annahme des Gesetzes war eine Drei-Fünftel-Mehrheit nötig. Anschließend erhoben sich fast alle anwesenden Abgeordneten und Senatoren und applaudierten im Stehen. Mehrere Rednerinnen und Redner feierten ihr Votum als historisch.
Premier: "Ihr Körper gehört Ihnen"
"Wir haben eine moralische Pflicht gegenüber den Frauen", sagte Premierminister Gabriel Attal mit Blick auf die Frauen, die bei heimlichen Abtreibungen gelitten hätten oder gestorben seien. "Wir senden eine Botschaft an alle Frauen: Ihr Körper gehört Ihnen und niemand kann für Sie entscheiden." Präsident Macron schrieb dazu im Onlinedienst X: "Frankreichs Stolz. Universelle Botschaft."
Auf dem Trocadéro-Platz gegenüber dem Eiffelturm, wo zahlreiche Menschen die Debatte und Abstimmung auf einem Großbildschirm verfolgt hatten, brach Jubel aus. Auf dem Eiffelturm wurde "Mon Cops Mon Choix" und "My Body My Choice" projiziert, zu Deutsch: "Mein Körper, meine Entscheidung".
Beide Parlamentskammern, die Nationalversammlung und der Senat, hatten die Vorlage bereits einzeln gebilligt. In Artikel 34 der Verfassung wird damit "die garantierte Freiheit der Frauen, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen", festgelegt.
Großteil der Franzosen war dafür
Umfragen zufolge befürworten 86 Prozent der Franzosen eine völlige Liberalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Doch es gab auch Protest dagegen: Während der Abstimmung versammelten sich mehrere Hundert Abtreibungsgegner in der Nähe des Kongresses in Versailles, um gegen die Verfassungsänderung zu protestieren. Auch die katholische Kirche machte deutlich, dass sie Abtreibungen weiterhin ablehnt. Die Päpstliche Akademie für das Leben teilte laut dem Sender BFMTV mit: "Im Zeitalter der universellen Menschenrechte kann es kein 'Recht' geben, ein menschliches Leben zu vernichten."
Auslöser für die Verfassungsänderung in Frankreich war eine politische Entscheidung auf der anderen Seite des Atlantiks. Im Sommer 2022 hatte der Supreme Court in den USA das Urteil "Roe v. Wade" von 1973 gekippt - und damit auch das bundesweite Recht auf Schwangerschaftsabbrüche. Dies führte in Frankreich zu heftigen öffentlichen Debatten und hat einen politischen Prozess in Gang gesetzt, um das Recht auf Abtreibungen in der Verfassung festzuschreiben.
Bereits seit 1975 sind Abtreibungen bis zur zehnten Schwangerschaftswoche in Frankreich straffrei. Mittlerweile können Schwangere in Frankreich bis zur 14. Woche abtreiben, die Kosten übernimmt die Krankenkasse.