Migrationsgipfel in Wien Treffen der Hardliner
Betont geschlossen gaben sich Vucic, Nehammer und Orban beim Migrationsgipfel in Wien. Serbiens Präsident wie die Regierungschefs aus Österreich und Ungarn betonen, ein Problem zu teilen: die Migrationspolitik der EU.
Die Botschaft sollte sein: Wir verstehen uns. Deshalb liegt am Ende des Dreier-Migrationsgipfels in Wien ein "Memorandum of Understanding" auf dem Tisch im Wiener Kanzleramt - unterschrieben von den zuständigen Innenministern Ungarns, Serbiens und Österreichs. Es ist ein interessantes Dreiertreffen, schon zum dritten Mal. Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer ist diesmal der Gastgeber.
"Das Wichtigste ist - und das Positive -, dass wir aufgehört haben, uns gegenseitig auszurichten: Wer ist der Gute, wer ist der Schlechte?", sagt er. "Da das Außengrenzland, das die Außengrenzen nicht effizient schützt. Und da das Binnenland, das keine Außengrenze hat, aber durch die Sekundärmigration - so wie Österreich - dann betroffen ist. Das ist vorbei", so die Schlussfolgerung Nehammers.
Nehammer, Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban und Serbiens Präsident Aleksandar Vucic sagen, sie hätten ein gemeinsames Problem: die Migrationspolitik der EU. Orban brüstet sich, Ungarn schütze Europa vor dem Migrationsdruck, ohne ihn gebe es in Österreich und in der EU Hunderttausende Migranten mehr.
"Schamlose Vermischung"
Vucic ergänzt, sein Land - Serbien - das in die EU möchte, habe zur Stabilität Europas beigetragen. Und Österreichs Kanzler Nehammer rechtfertigt das Treffen der drei ungleichen Partner mit der Feststellung, das Asylsystem der EU sei kaputt, funktioniere nicht. Deshalb dieser Schulterschluss. Der österreichische Politikexperte Peter Filzmaier erklärt die Aufstellung für die ARD so: "Es ist eine gemeinsame Suche auch, nach fast Feindbildern."
Eins dieser Bilder sei die EU als solches, sagt Filzmaier. "Denn man will kämpfen gegen irreguläre Migration. Was insofern absurd ist, dass niemand für illegale Einwanderung ist. Man vermischt auch ziemlich schamlos das Zuwanderungs- mit dem Asylthema."
Zu den Inhalten: Österreich erwartet von Serbien, dass es künftig noch zurückhaltender bei der Vergabe von Einreise-Visa an Menschen aus sogenannten sicheren Drittstaaten ist. Mit Ungarn arbeitet Österreich schon in der sogenannten "Operation Fox" zusammen, schickt künftig 70 statt bisher 29 österreichische Beamte an die ungarische EU-Außengrenze - und dazu mehr Überwachungsdrohnen als bisher.
"Sprache der Puszta"
Dass Ungarn neulich Hunderte verurteilte Schlepper aus ungarischen Gefängnissen geworfen und weitergeschickt hat, auch nach Österreich, war offiziell kein Thema. Die Erkenntnis, dass es im EU-Land Ungarn kaum Asylbewerber gibt, erklärt Orban vorauseilend selbst, bevor er gefragt wird. Er macht das in der "Sprache der Puszta", wie er sagt.
"Migranten können Ungarn betreten, wenn ein Asylverfahren positiv abgeschlossen wurde", wird Orban übersetzt. "Also, wenn du trotzdem kommst, dann greifen wir dich und schmeißen dich raus aus dem Land." Das sei das Modell, an das er glaube, so Orban. "Kein weiteres Modell kann funktionieren."
Draußen riefen eher wenige Demonstranten: "Schämt euch!" - auf Englisch, damit es auch alle Angereisten verstehen. Bevor Orban seine populistisch formulierte EU-Attacke allzu breit ausdehnen konnte, erobert sich Gastgeber Nehammer das Wort zurück - an Orbans Seite, aber mit seiner Übersetzung des eigentlich österreichisch-ungarischen Problems.
Memorandum zur Selbsthilfe
"Das System funktioniert ja so auch nicht. Denn es stimmt zwar, dass dann die irregulären Migranten sich nicht in Ungarn aufhalten - aber zu 80 Prozent über Ungarn nach Österreich kommen. Und wir haben dann 109.000 Asylanträge und Ungarn hat 45", so Nehammer.
Das abschließende Memorandum dient der Selbsthilfe, so sieht es das Gipfel-Trio. Politikwissenschaftler Filzmaier interpretiert diese Selbsthilfe aber etwas anders als Orban, Vucic und Nehammer: "Ungarn hat unter den Ländern in der EU die höchste Inflationsrate."
Österreich sei bei den Ländern in der Eurozone das mit einer der höchsten Inflationsraten, so Filzmaier, "und wird mit dem Thema Teuerung und deren Bekämpfung im EU-Wahlkampf in Österreich, auch im Nationalratswahlkampf, nicht gewinnen." Das Thema, auf das man setze und hoffe, sei Zuwanderung.