Ein Alkoholverbotsschild in Amsterdam

Niederlande Wenn Touristen und Studierende zum Problem werden

Stand: 19.11.2023 16:14 Uhr

Die Niederlande und vor allem Amsterdam sind international sehr beliebt - bei Touristen, aber auch bei Studierenden. Bestimmte Touristengruppen möchte das Land gerne loswerden. Doch auch Studierende aus aller Welt sieht nicht jeder gerne.

Amsterdam ist ein Ort des "Übertourismus". Und bei allem Respekt vor Van Gogh: Das liegt vor allem am Rotlichtviertel. Jugendliche kichern sich durch die engen Gassen, Männer schauen interessiert in die Fenster, hinter denen halbnackte Frauen stehen. Gegen Geld bekommt man Sex von ihnen. In wohl keiner anderen Stadt der Welt wird die Prostitution so unverhüllt ins Schaufenster gestellt.

Doch damit soll Schluss sein. Die Bürgermeisterin von Amsterdam, Femke Halsema, will die Sextouristen aus ihrer schönen Innenstadt vertreiben. Stattdessen soll am Stadtrand ein Erotikcenter gebaut werden. Da wollten die Frauen aber nicht hin, erzählt Gione Bobeldijh, vom Nachbarschaftstreff "Wir leben hier": 

Das Problem ist, dass die meisten Frauen hier nicht weg wollen, hier sind sie eingebunden bei den Geschäften, den anderen Prostituierten und den Bewohnern." 

Und damit fühlten sie sich sicherer als in einem Erotikcenter am Stadtrand. Aber auch Bobeldijh gibt zu, dass man am Wochenende in der Gegend vor lauter Menschen nicht mehr laufen kann. Vor allem die Briten seien oft gar keine Gentlemen: laut, bekifft, den Rest will man gar nicht so genau wissen. Die Schilder "Pinkeln in der Öffentlichkeit verboten" scheinen jedenfalls wenig zu helfen.

Auf einem Schild werden Männer aufgefordert öffentliche Urinale zu benutzen.

Wer in der Öffentlichkeit uriniert, muss 100 Euro Strafe zahlen. Wirklich abschreckende Wirkung hat das aber nicht.

Politiker fordert mehr Vorlesungen auf Niederländisch

Doch es nicht nur der Sex, der die Menschen aus aller Welt in die Niederlande zieht, es ist auch das Studium. Studieren scheint in Maastricht oder Groningen irgendwie mehr Spaß zu machen als in Stuttgart oder Dortmund. 

Zissa studiert seit September in Amsterdam. Der Grund? "Das eine ist die Nähe zu Deutschland, man ist im Ausland, aber trotzdem nicht so weit weg", sagt sie. "Das andere ist die gute Infrastruktur, schöne Gebäude, genügen Lehrkräfte, und man kann auf Englisch studieren." Es sei einzigartig, wie viele Bachelor-Angebote es in den Niederlanden in englischer Sprache gebe.

Aber genau das ist das Problem für Peter Omtzigt von der Partei Nieuw Sociaal Contract. Er fordert mehr Vorlesungen auf Niederländisch. "Wer hier studieren will, muss dann auch die Sprache lernen", sagte er im Fernsehen. Auch Peter Malcontent, der an der Uni in Utrecht internationale Geschichte unterrichtet - auf Englisch natürlich - sieht das Problem: "Wir diskutieren das, denn laut Gesetz haben die Studenten ein Anrecht darauf, dass sie niederländischen Unterricht bekommen - auf Niederländisch." Das sei in der Praxis nicht immer der Fall.

Wohnungsnot treibt Studierende nach Amersfoort

Ein noch größeres Problem ist die Wohnungsnot. Niederländer finden keine Unterkunft mehr in ihrer eigenen Stadt, weil die ausländischen Studierenden diese wegschnappen. Zwischen 800 und 1.200 Euro muss man für ein Zimmer bezahlen.

Zissa hat inzwischen schon ihre vierte Unterkunft in drei Monaten, manche Zimmer werden nur für ein paar Tage vermietet, wenn jemand im Urlaub geht. Und viele vermieten auch ausdrücklich nicht mehr an ausländische Studierende.

Platz im Zentrum von Amersfoort

Idyllisch, bei Studierenden bislang aber eher nicht gefragt: Amersfoort im Norden der Niederlande.

Amersfoort in der Mitte des Landes bietet dagegen ausdrücklich Zimmer für Studierende an. Gut, die Stadt ist nicht so aufregend wie Amsterdam, aber dafür haben Londoner Urbanitätsforscher Amersfoort gerade zur lebenswertesten Stadt Europas gewählt. Verdient kann man nur rufen, wenn man zu Besuch ist. Schöne Häuser, verträumte Kanäle, entspannte Fahrradfahrer. Schmutz, Stress, Stau sucht man hier vergebens. Die Zahl die Einwohner hat sich in den vergangenen Jahren verdoppelt. Viele Menschen aus dem Ausland sind nach Amersfoort gezogen.

Während es im niederländischen Wahlkampf aber vor allem darum ging, Zuwanderung zu begrenzen, scheint in Amersfoort die Integration zu gelingen. Im "Haarstudio Nr. 1" trinken der Besitzer aus dem Irak und der Holländer Thomas Tee zusammen. Bei ihnen sitzt Tatjana, die gerade aus der Ukraine gekommen ist: "Für mich ist Holland das beste Land", sagt sie.

 

Sabrina Fritz, ARD Brüssel, zzt. Amsterdam, tagesschau, 17.11.2023 16:54 Uhr

 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 10. Dezember 2022 um 11:11 Uhr.