Nach Protesten in Frankreich Festnahme schürt Debatte über Polizeigewalt
In Frankreich reißt die Debatte über rassistische Polizeigewalt nicht ab. Die Bilder einer gewaltsamen Festnahme am Rande einer nicht genehmigten Demonstration in Paris sorgen erneut für aufgeregte Diskussionen.
Die Bilder der Festnahme sind in den sozialen Medien allgegenwärtig. Am Rande des Gedenkmarsches für seinen in Polizeigewahrsam 2016 verstorbenen Bruder Adama Traoré gerät Youssef Traoré in einen heftigen Wortwechsel mit rund einem Dutzend Polizisten. Er wird von mehreren Beamten der Sonderbrigade BRAV-M überwältigt.
Der Journalist Clément Lenot war dabei und berichtet im Sender BFMTV: "Es passiert, als Youssouf Traoré bereits die Zone des Protestmarsches verlassen hat. Alles ist ruhig, er steht da mit einigen Mitstreitern auf dem kleinen Platz. Plötzlich tauchen die BRAV-M auf, fangen an mit ihm zu diskutieren, zu streiten. Und plötzlich gibt es Spannungen. Traoré verliert seine Schuhe, es gibt ein Durcheinander und wir Journalisten filmen die Szene."
Als Youssouf Traoré von den Polizisten eingekreist wird, versucht er, sie mit den Händen von sich fern zu halten, taumelt rückwärts, versucht zu entkommen. Doch er wird von den Polizisten zu Boden gestoßen. Mehrere Beamte halten ihn nieder, fesseln ihn. Als sie ihn aufrichten, ist seine rechte Gesichtshälfte geschwollen. Er wird in Gewahrsam genommen - wegen Widerstands und Gewalt gegen eine Amtsperson. Als er am Sonntag frei kommt, dankt er mit zugeschwollenem Auge seinen Unterstützern.
Nach seiner Freilassung dankte Youssouf Traoré mit geschwollenem Auge seinen Unterstützern.
Debatte über Verbot des Marsches
Der nicht genehmigte Gedenkmarsch für Adama Traoré hatte schon im Vorfeld für heftige Diskussionen gesorgt. War es überhaupt nötig, die geplante Veranstaltung zu untersagen? Nutzt die Familie des Verstorbenen die aufgeheizte Stimmung nach dem Tod Nahels vor knapp zwei Wochen für ihren eigenen, stark mediatisierten Kampf, obwohl doch den Polizisten, die Adama Traoré 2016 festnahmen, kein Fehlverhalten nachgewiesen wurde?
Für Empörung sorgt überdies, dass Vertreter der Linkspartei LFI bei dem Marsch dabei waren. Die Fraktionschefin der Präsidentenpartei La République En Marche, Aurore Bergé, sagte dazu im Sender CNews: "Diese LFI-Politiker gehen extra zu solchen nicht genehmigten Demonstrationen, um glauben zu machen, wir lebten hier in Frankreich in einem autoritären Staat. Wir leben nicht in einem autoritären Staat", betont Bergé. "Hier kann man die Entscheidungen des Präsidenten öffentlich in Frage stellen. Das nennt man Demokratie. Aber in gar keinem Fall darf man die öffentliche Ordnung stören. Und übrigens haben die Polizisten vorbildlich gehandelt."
"Eine Provokation"
Das sieht Eric Coquerel von der Linkspartei LFI anders. Er war bei dem Marsch dabei. Die kurze Veranstaltung habe sich friedlich aufgelöst. "Dann sind die Polizisten aufgetaucht und haben sich Youssouf Traoré vorgeknöpft für etwas, das angeblich kurz vorher auf der Place de la Republique passiert sei", berichtet Coquerel. "Aber ich war da. Da war alles völlig friedlich, null Gewalt. Wir wollten auf dem Platz nur kurz gemeinsam zeigen, dass wir das Verbot der ganzen Veranstaltung nicht akzeptieren." Youssouf Traoré bei einem Gedenkmarsch für seinen getöteten Bruder festzunehmen, ist aus Coquerels Sicht "eine Provokation und wird nicht helfen, die Lage zu beruhigen".
Nervös blickt die Regierung auf den bevorstehenden Nationalfeiertag am 14. Juli. Es wird erneut ein großes Polizeiaufgebot geben. Premierministerin Elisabeth Borne hat in einem Interview mit der Zeitung "Le Parisien" am Wochenende angekündigt, dass sie rund um den Nationalfeiertag den Verkauf, den Transport und die Benutzung von Feuerwerkskörpern verbieten wird. Eine Vorsichtsmaßnahme. Denn während der Ausschreitungen der vergangenen Woche hatten viele Randalierer Feuerwerkskörper gegen Polizisten eingesetzt.
Unterdessen hat das UN-Komitee zur Beseitigung von Rassismus die französische Regierung aufgefordert, dem "racial profiling" der Polizei Einhalt zu gebieten. Die UN-Experten zeigten sich besorgt über die "exzessive Gewaltanwendung gegen Angehörige von Minderheitengruppen, insbesondere Menschen afrikanischer und arabischer Herkunft". Die französische Regierung hat die Kritik als "unbegründet" und "übertrieben" zurückgewiesen. Jegliches "racial profiling" durch die Polizei sei "in Frankreich verboten", hieß es aus dem Außenministerium.