Rumänien Minen, Drohnen und die Angst
In Rumänien ist der Krieg gegen die Ukraine oft nur wenige Kilometer weit weg: Minensucher patrouillieren im Schwarzen Meer, Bewohner des Donaudeltas fürchten sich vor Luftangriffen. Nimmt die Regierung das ernst genug?
Um sieben Uhr Morgens verlässt das Kriegsschiff "Minesweeper 30" den Schwarzmeerhafen Constanta. Es soll dafür sorgen, dass die Gewässer für die zivilen Frachtschiffe sicher bleiben, die sich vor dem Einlaufen in den Hafen stauen.
Die Freiheit der zivilen Schifffahrt auf dem Schwarzen Meer sei seit dem Krieg in der Ukraine stark eingeschränkt, sagt die Bukarester Sicherheitsexpertin Alina Inayeh vom German Marshall Fund - dabei sei es einst ein ruhiges, leicht zu befahrendes Gewässer gewesen.
Inzwischen treibt viel Müll im Meer, Möbelstücke, Plastikteile, tote Delphine - und Sprengsätze. Seit Beginn der russischen Invasion in die Ukraine werden immer wieder explosive Minen in rumänisches Gewässer geschwemmt. Ingesamt 11 Schiffe, zwei Hubschrauber und drei Staffeln Kampftaucher sind deshalb im Einsatz, um die Minen aufzuspüren und zu entschärfen.
Suche nach tückischen Seeminen
Kommandeur Ioan Moldovan ist hoch konzentriert: Er sucht mit dem Fernrohr die Wasseroberfläche nach verdächtigen Gegenständen ab. Eine Kollision mit einer Seemine, die mit rund 30 Kilogramm Sprengstoff bestückt ist, kann ein Schiff manövrierunfähig machen oder es sogar zum Sinken bringen.
Auch Aufklärungsflugzeuge oder Drohnen mit hochauflösenden Kameras liefern Daten über Objekte im Wasser, die wie Seeminen aussehen. Die Kooperation mit militärischen Partnern wie den USA sei enorm wichtig und müsse regelmäßig trainiert werden, sagt Moldovan.
Habe man ein Objekt als Mine identifiziert, müsse man es unter Einhaltung eines Sicherheitsabstands im Blick behalten und dann mit Hilfe eines Tauchers oder durch Artilleriebeschuss unschädlich machen.
Die Folgen mangelnder Investitionen
Das Schiff "Minesweeper 30" ist mit Baujahr 1989 nicht mehr das jüngste. Die gesamte rumänische Marine kämpft mit veralteter Ausrüstung - obwohl das Land insbesondere seit Beginn des Kriegs gegen die Ukraine massiv in die Aufrüstung investiert.
Die Marine habe davon bislang aber kaum profitiert, sagt Sicherheitsexpertin Alina Inayeh: "Wir haben viel in die territoriale Verteidigung und die Luftverteidigung investiert, aber nicht so viel in die maritime Verteidigung." Das Schwarze Meer und das Donaudelta seien strategisch vernachlässigt worden - sowohl von Rumänien als auch der NATO.
Russland intensiviert die Angriffe
Dabei ist gerade das Donaudelta dem Kampfgebiet in der Ukraine sehr nahe. Der ukrainische Donauhafen Ismajil wurde im August und September zuletzt Ziel russischer Drohnenangriffe.
Allein Anfang September hat Russland dort nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe 44 sogenannte Kamikazedrohnen eingesetzt - mit dem Ziel, den strategisch wichtigen Hafen, der den Export ukrainischen Getreides in die EU abwickelt, zu zerstören.
Plaurus Angst vor russischen Drohnen
Im kleinen Dorf Plauru am anderen Ufer des Flusses spüren die Einwohner die Auswirkungen. In der Mittagssonne wirkt die Szenerie idyllisch: schlichte Steinhäuschen, Gemüsegärten, ab und an schleicht eine Katze über die Schotterpisten, die man hier statt Teerstraßen überall findet. Nachts kann sich das schnell ändern - die Bilder gleichen dann einem Alptraum.
Plaurus Bürgermeister Tudor Cernega zeigt ein Handyvideo, das ein Bewohner seiner Gemeinde aufgezeichnet hat. Es ist stockdunkel, nur die Verladekräne der Hafenanlagen von Ismajil auf der anderen Donauseite leuchten orange. Dann hört man ein Krachen, sieht einen Feuerball über einem der Schiffe, im Hintergrund das Artilleriefeuer der Ukraine und ein immer lauter werdendes Motorengeräusch.
Das sei eine Drohne gewesen, die dann mit einem Knall zerstört worden sei, erklärt der Bürgermeister und wirkt dabei immer noch aufgebracht.
Ein Betontunnel von 1,5 Metern Höhe soll den Bewohnern Plaurus im Ernstfall Schutz vor russischen Drohnen bieten.
Die Vorfälle häufen sich
Er habe die Behörden wiederholt über die Gefährdungslage seines Dorfes unterrichtet. Glauben geschenkt habe man ihm erst, als er und die Dorfbewohner die Drohnenteile inmitten verbrannter Bäume in einem Krater gefunden hätten. Der Vorfall ist bereits der dritte innerhalb kurzer Zeit.
Nun haben die Behörden reagiert: Das Militär hat zwei Schutzräume aus Stahlbeton auf der Dorfwiese errichtet, rund 70 Meter lang und 1,5 Meter hoch. Bis zu vierzig Menschen können hier Platz und Schutz finden, sollte es erneut zu nächtlichen Angriffen kommen.
Rumänien hat außerdem die Sperrung seines Luftraums ausgedehnt. Wo die Donau die Grenze zur Ukraine bildet, ist der Luftraum nun 30 Kilometer ins Landesinnere und bis vier Kilometer Höhe Sperrzone. Das Ziel: Der Luftraum soll besser überwacht werden können.
"Panik" nach Drohnenteil-Funden
Unterdessen ist strittig, ob es bei den Vorfällen zu einer Verletzung des rumänischen Luftraums gekommen ist. Mychajlo Podoljak, Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodomyr Selenskyj, hatte jüngst behauptet, die Drohnen würden vor ihren Attacken ungestört über Rumänien die Ukraine anfliegen.
"Das ist eine falsche Einschätzung", ist der Sicherheitsexperte George Scutaru vom New Strategy Center in Bukarest überzeugt. "Sie kommen von der Krim über das Meer. Sie nähern sich den ukrainischen Häfen an der Donau. Aufgrund der geografischen Gegebenheiten mit vielen Wäldern ist es sehr schwierig, diese Art von Objekten zu entdecken."
Die von Russland genutzten iranischen Shahed-Drohnen seien billig und technisch nicht sehr ausgereift. Wenn Drohnen über rumänischem Gebiet abstürzen, davon geht Scutaru aus, handelt es sich also um technische Fehler.
Versuche der Beruhigung
Die rumänische Regierung weist Podoljaks Vorwürfe ebenfalls zurück. Und auch die NATO spricht mit Blick auf die Drohnenteile von Unfällen. Dennoch seien die Angriffe auch für Rumänien "destabilisierend".
Rumäniens Ministerpräsident Marcel Ciolacu versuchte jüngst zu deeskalieren: "Niemand greift uns an, liebe Leute, kommt, lasst uns die Bevölkerung beruhigen, sonst rasten wir alle aus. Niemand greift uns an. Die Drohne wurde von der ukrainischen Armee abgeschossen."
Der letzte Fund eines Drohnenwracks ereignete sich in der Gemeinde Nufaru - etwa 15 Kilometer Luftlinie von Plauru und der Grenze zur Ukraine entfernt. Auch dort sind die Menschen besorgt.
Ein Mann mittleren Alters erzählt, dass er die Gegend am liebsten verlassen würde. Seine Frau habe zu ihm gesagt: "Lass uns von hier weggehen!" Ein anderer Mann spricht gar von "Panik" - weil man nie wissen könne, was am nächsten Tag auf der anderen Seite des Flusses passiert.