Vereine begleiten assistierten Suizid Wie die Sterbehilfe in der Schweiz geregelt ist
In der Schweiz gilt der assistierte Suizid schon seit Langem als legitime Option am Lebensende. Und der Rückhalt in der Bevölkerung ist groß. Der Verein "Exit" berät und begleitet Menschen auf diesem Weg.
Das Büro von "Exit"-Geschäftsführer Bernhard Sutter liegt in einem ruhigen Wohnviertel im Zürcher Südosten. Ein moderner Flachdachbau, die Jalousien vor den großen Fenstern sind herunter gelassen. Nichts weist von außen darauf hin, dass hier die größte Schweizer Sterbehilfe-Organisation ihren Sitz hat.
Die Diskretion hat keinen besonderen Grund - Protestdemos jedenfalls hat "Exit" in Zürich nicht zu befürchten. "Das gibt es in der Schweiz absolut nicht, denn der Rückhalt ist ja sehr groß in der Schweiz", sagt Sutter.
Bernhard Sutter ist Leiter der ältesten Sterbehilfe-Organisation in der Schweiz, "Exit". Foto: Markus Senn
Mitgliederrekorde bei Schweizer Sterbehilfeorganisationen
Sutter sieht das am stetigen Zuwachs des Vereins. Mehr als 155.000 Mitglieder hat "Exit" derzeit - so viele wie noch nie seit der Gründung 1982. 1125 Menschen hat der Verein vergangenes Jahr in den Suizid begleitet. Das Durchschnittsalter betrug 79,6 Jahre.
Auch andere Sterbehilfeorganisationen in der Schweiz melden Mitgliederrekorde. Das liege vor allem an der immer älter werdenden Gesellschaft, meint Geschäftsführer Sutter. "In den Anfängen der Sterbehilfe waren wir irgendwo unter einem Prozent aller Sterbefälle in der Schweiz. Heute sind wir irgendwo bei zwei Prozent aller Sterbefälle in der Schweiz", so Sutter.
Es sei ganz klar, mehr Leute als früher nehmen das Angebot in Anspruch. Aber es könne keine Rede von dem sein, was man am Anfang sehr genau verfolgt habe: "Werden plötzlich ganz viele Menschen so sterben? Werden sie andere anstecken? Werden das alle machen wollen?" Dass es nicht so sei, sehe man jetzt nach 40 Jahren, sagt Sutter.
Sterbehilfe nur bei unheilbar Kranken
Anders als die Organisation "Dignitas", die auch Menschen aus dem Ausland akzeptiert, hilft "Exit" nur Menschen mit Schweizer Pass oder Wohnsitz. Der Verein funktioniert wie eine Versicherung: Für einen Jahresbeitrag von 45 Franken bietet "Exit" umfassende Beratung und eben - wenn gewünscht - Sterbebegleitung.
Ein assistierter Suizid kommt allerdings in der Schweiz nur für Menschen in Frage, die nachweislich an einer unheilbaren Krankheit leiden und uneingeschränkt entscheidungsfähig sind. Die Sterbewilligen müssen das tödliche Medikament auch eigenhändig einnehmen.
"Jeder einzelne Todesfall mit Exit wird unmittelbar danach von der Polizei, der Gerichtsmedizin und der Staatsanwaltschaft untersucht. Also wenn wir da etwas machen würden, was nicht erlaubt wäre, sind wir von Strafprozessen und Gefängnis bedroht", sagt Sutter.
Freitod besonders für Familienmitglieder nicht leicht
Mark Büdenbender ist Deutscher und lebte schon 20 Jahre in der Schweiz, als er mit Mitte 40 die Diagnose bekam: Krebs im fortgeschrittenem Stadium. Seither sind er und seine Frau "Exit"-Mitglieder. Büdenbender sagt:
Ich habe immer selbstbestimmt gelebt und ich möchte selbstbestimmt sterben.
Wie auch immer das aussehen würde. Er möchte die Option haben, den einen oder anderen Weg wählen zu können.
Büdenbender lebt nun schon mehrere Jahre mit der tödlichen Krankheit. Glücklicherweise waren Chemotherapien und Operationen erfolgreich. Er sei der Schweiz dankbar, schrieb er im Mitgliedermagazin von "Exit", dass er "bis zur letzten Stunde die freie Wahl" habe.
Auch wenn die Vorbereitungen für die Freitod-Option nicht leicht gewesen seien, erzählt seine Frau Tanja. "Man bespricht wirklich im Detail den Prozess. Wo das stattfindet, wie man sitzt, liegt und was passiert. Auch dass nachher die Polizei kommt", beschreibt sie das Beratungsgespräch mit "Exit". "Man fühlt sich wie vom Lastwagen überrollt, wenn so ein Gespräch vorbei ist." Leicht sei das alles nicht. Aber die Dankbarkeit, dass ihr Mann nicht ohne Ende leiden muss, würde für sie überwiegen.
Rund 80 Prozent der Schweizer für Sterbehilfe
Der assistierte Suizid ist in der Schweiz schon seit 1942 erlaubt und ziemlich unumstritten. Volksabstimmungen und Umfragen haben immer wieder gezeigt: Rund 80 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer befürworten diese Möglichkeit des selbstbestimmten Sterbens. Auch wenn die allermeisten nicht davon Gebrauch machen, ist es wohl eine Beruhigung für viele Menschen.
Sollten Sie selbst von Selbsttötungsgedanken betroffen sein, suchen Sie sich bitte umgehend Hilfe. Bei der anonymen Telefonseelsorge finden Sie rund um die Uhr Ansprechpartner.
Telefonnummern der Telefonseelsorge: 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222 www.telefonseelsorge.de
Telefonberatung für Kinder und Jugendliche: 116 111 - www.nummergegenkummer.de