Krieg in der Ukraine Angriffe auf Kiew während Guterres-Besuch
Während des Besuchs von UN-Generalsekretär Guterres ist Kiew mit Raketen beschossen worden. Guterres zeigte sich entsetzt. Zuvor hatte er mit Präsident Selenskyj über die Bildung eines Fluchtkorridors aus Mariupol gesprochen.
UN-Generalsekretär António Guterres hat sich nach Raketenangriffen auf die ukrainische Hauptstadt Kiew während seines Besuchs entsetzt gezeigt. Laut ukrainischen Angaben war die Stadt erstmals seit rund zwei Wochen mit Raketen beschossen worden. Guterres sagte dem britischen Sender BBC später: "Ich war geschockt, davon zu hören, dass in der Stadt, in der ich mich aufhalte, zwei Raketen explodiert sind."
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte später, Kiew sei mit fünf Raketen angegriffen worden. Er warf der russischen Regierung vor, die UN "demütigen" zu wollen. Der Angriff erfordere eine "angemessen starke Reaktion", sagte er.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Nach Angaben des Rettungsdienstes wurden mindestens zehn Menschen verletzt. Ein 25-stöckiges Wohngebäude sei teilweise zerstört worden. Die Raketen schlugen 3,5 km entfernt von dem Ort ein, wo eine knappe Stunde zuvor UN-Chef Guterres und Selenskyj eine Pressekonferenz beendet hatten.
"Hasserfüllter Akt der Barbarei"
Russlands Militärführung hatte in dieser Woche damit gedroht, die ukrainische Hauptstadt anzugreifen, auch wenn sich dort ausländische Politiker zu Besuch aufhielten. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba schrieb auf Twitter von einem "hasserfüllten Akt der Barbarei". Russland habe "ein weiteres Mal seine Haltung gegenüber der Ukraine, Europa und der Welt gezeigt".
Der ukrainische Präsidentenberater Michail Podoljak sagte, vor kurzem noch habe Guterres im Kreml gesessen und "heute gibt es nur einen Kilometer von ihm entfernt Explosionen. Ist das ein Gruß aus Moskau?"
Ein weiterer Präsidentenberater kritisierte die Raketenangriffe als "dümmste Variante überhaupt". "Wie sollen der UN-Chef oder die Vereinten Nationen darauf überhaupt reagieren", sagte Olexyj Arestowytsch. Russland habe Guterres mit diesem Angriff "in den Rücken geschossen".
Die USA erklärten, die Angriffe zu untersuchen. "Wir versuchen zu analysieren und herauszufinden, was hier passiert ist, was getroffen wurde und mit welcher Art von Munition", sagt Pentagon-Sprecher John Kirby gegenüber dem US-Sender CNN.
Gespräche über Fluchtkorridor aus Mariupol
Bei ihrem Gespräch hatten UN-Generalsekretär António Guterres und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Bildung eines Flüchtlingskorridors für die nach wochenlangen Kämpfen schwer zerstörte Hafenstadt Mariupol besprochen. "Mariupol ist eine Krise innerhalb einer Krise, Tausende Zivilisten brauchen lebensrettende Hilfe", sagte Guterres auf einer Pressekonferenz nach dem Treffen in Kiew. Sie bräuchten eine Fluchtroute, um der "Apokalypse" zu entkommen.
Im Stahlwerk Asowstal haben sich ukrainische Truppen verschanzt, auch Zivilisten sind in dem riesigen Gelände in der Hafenstadt. "Ich vertraue und glaube - ebenso wie viele Angehörige der Menschen, die in Asowstal gefangen sind - dass der Generalsekretär und wir eine erfolgreiche Lösung ermöglichen können", sagt Selenskyj.
Guterres: Prinzipielle Zusage Putins
Der UN-Chef berichtete Selenskyj, dass er bei seinem Gespräch mit Kremlchef Wladimir Putin eine prinzipielle Zusage dafür bekommen habe, dass die Vereinten Nationen beim Aufbau eines solchen Fluchtkorridors zusammen mit dem Roten Kreuz beteiligt würden. Nun gebe es intensive Beratungen dazu, wie der Vorschlag in die Realität umgesetzt werden könne.
Selenskyj zeigte sich nach dem Gespräch mit Guterres optimistisch. Nun glaube er daran, dass die Belagerung des Stahlwerks Azowstal beendet und in Mariupol ein "erfolgreiches Ergebnis" erzielt werden könne, sagte er laut der ukrainischen Nachrichtenagentur Unian.
Bericht: Lazarett in Mariupol getroffen
Der Kreml stellte unterdessen klar, dass Russlands Präsident Wladimir Putin den Abzug ukrainischer Soldaten aus dem Werk ablehnt. Putin habe deutlich gesagt, dass Zivilisten Asowstal verlassen könnten, sagte sein Sprecher. Die Kämpfer müssten die Waffen niederlegen. Dies sei unverhandelbar.
Laut einem Bericht der ukrainischen Online-Zeitung "Ukrajinska Prawda" war bei einem russischen Angriff auf das Werk am Donnerstagabend das dort eingerichtete Feldlazarett unter schweren Beschuss geraten. Mindestens ein Soldat sei ums Leben gekommen, rund 100 Patienten hätten weitere Verletzungen erlitten. Nach Darstellung der Verteidiger sei das Lazarett, in dem sich rund 500 Verwundete und Ärzte aufhielten, gezielt angegriffen worden. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.