EU-weite Blockade von Kinderpornografie Brüssel und Berlin streiten um Netzsperren
Beim Kampf gegen Kinderpornografie im Internet streiten Deutschland und die EU über den richtigen Weg. Gerade erst hat die Bundesregierung die geplanten Netzsperren gekippt, doch jetzt will EU-Innenkommissarin Malmström alle Mitgliedsstaaten zur Blockade kinderpornografischer Seiten im Web verpflichten. Die Reaktionen in Deutschland sind gespalten.
Von Katrin Brand, MDR-Hörfunkstudio Brüssel
Unfug oder unabdingbar? Der Entwurf der neuen EU-Richtlinie für das Sperren von Internetseiten ist erst wenige Stunden alt und noch lange nicht beschlossen, doch die Reaktionen aus Deutschland sind bereits kontrovers. Seiten zu sperren sei Unfug, verkündet der "Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur". Seiten zu sperren sei ein unabdingbares Ansinnen, meint dagegen der CSU-Europaabgeordnete Manfred Weber. Ähnlich äußert sich die Deutsche Kinderhilfe.
Die Bundesregierung fährt eine andere Strategie: "Auf nationaler Ebene ist ja der Grundsatz Löschen statt Sperren in der Koalition vereinbart worden", sagt Ulrich Staudigl, Sprecher des Justizministeriums. "Entsprechend ist das Zugangserschwerungsgesetz jetzt auch umzusetzen."
Löschen und Sperren
Aber das reicht Cecilia Malmström nicht aus. Die EU-Innenkommissarin will löschen und sperren. Die Zahl der Internetseiten mit Kinderpornografie wachse, jeden Tag würden 200 neue Bilder ins Netz gestellt. Die gezeigten Kinder würden immer jünger, die Bilder immer gewälttätiger. "Kinderpornografie anzuschauen oder zu verbreiten, ist ein Verbrechen", sagt Malmström. "Die Polizei kann Bücher, Broschüren und Videos beschlagnahmen. Sie sollte außerdem in der Lage sein, Internetseiten zu schließen."
Malmström verweist darauf, dass es Internetsperren in der EU bereits gebe: in den skandinavischen Staaten, in Italien und Großbritannien. In noch mehr Ländern werde über eine Gesetzgebung diskutiert. Das Verfahren funktioniere in der Praxis und verhindere täglich tausende von Anfragen, seien sie zufällig oder absichtlich. Das Argument, solche Sperren seien leicht zu umgehen, lässt die Innenkommissarin nicht gelten: Die meisten Nutzer seien technisch keine Experten. Den Schutz der Meinungsfreiheit unterstützt auch die Schwedin. Doch: "Unter keinen Umständen kann Kinderpornografie eine Meinungsäußerung sein!"
"Fürchterliche Verbrechen"
Malmström fordert die EU-Staaten ausdrücklich auf, alles zu tun, um kinderpornografische Internetseiten zu löschen. Außerdem nennt sie in ihrer Richtlinie eine Reihe von Straftatbeständen, die künftig in der EU möglichst einheitlich bestraft werden sollen. Dazu gehören auch neue Formen wie Grooming, also das Anlocken von Kindern über das Internet, das Betrachten von Kinderpornografie ohne das Material zu speichern und Kinder zum Posieren vor Webkameras zu bringen. "All das sind fürchterliche Verbrechen. Die EU muss ganz deutlich sein: Was immer wir tun können, müssen wir tun", fordert die Kommissarin.
Wird Deutschland überstimmt?
In Deutschland hatte die damalige Familienministerin Ursula von der Leyen in der Großen Koalition ein Sperrgesetz vorgelegt. Es wurde nie umgesetzt, weil sich die inzwischen regierende schwarz-gelbe Koalition und Kanzlerin Angela Merkel davon distanzierten. Die EU-Kommission rechnet jedoch mit so großer Zustimmung unter den Mitgliedsstaaten, dass die Bundesregierung theoretisch überstimmt werden könnte. Kontroverse Diskussionen sind auch im Europaparlament zu erwarten.