Leichnam vor Knesset aufgebahrt Tausende erweisen Scharon letzte Ehre
Viele beteten. Manche weinten. Und einige salutierten sogar: Tausende Israelis haben am Sarg Abschied von Ariel Scharon genommen. Premierminister Netanjahu würdigte ihn als "großen Anführer und mutigen Kommandeur".
Tausende kamen, um Ariel Scharon die letzte Ehre zu erweisen. Nachdem die Zeremonie mit einer Kranzniederlegung durch Staatspräsident Schimon Peres begonnen hatte, bildete sich eine Schlange vor Israels Parlament, der Knesset. Einige der Trauernden salutierten vor dem Sarg. Manche beteten. Manche weinten. Flankiert von vier bewaffneten Soldaten und zwei Rabbinern stand der Sarg auf dem Vorplatz - bedeckt von einer israelischen Fahne.
Das Land trauert um einen Mann, der zeitlebens polarisierte, zunächst als eigenmächtiger Offizier, später als durchsetzungsstarker Politiker. "Wir haben einen ganz Großen verloren", meinte eine Frau aus Jerusalem. "Scharon war einer aus der Gründergeneration Israels, die nun fast verschwunden ist. Er hat viel für diesen Staat getan. Er hat diesem Land sein Leben gewidmet."
"Wir alle spüren eine Leere"
Israels Premier Netanjahu würdigte Scharon als großen Anführer und mutigen Kommandeur. Das Kabinett legte eine Schweigeminute ein. Die Nachricht von Scharons Tod war für das Land nicht überraschend gekommen, aber nun gibt es kein anderes Thema, weder in den Zeitungen noch im Fernsehen.
Von 2001 bis zu seinem Schlaganfall 2006, der ihn ins Koma fallen ließ, war Ariel Scharon Premierminister. Nachfolger wurde Ehud Olmert. So wie er sehen den Verstorbenen heute viele im Land. „Ariel konnte entschlossen, hart und manchmal auch grausam sein", so Olmert. "An erster Stelle wusste er aber, Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen. Er war ein Anführer. Es gab vor ihm nicht viele wie ihn. Zurzeit gibt es auch keinen, und vielleicht wird es auch keinen mehr geben.“
Was dieser Tage in Israel überwiegt, das ist die Erinnerung an einen Politiker mit dem unbedingten Willen zu führen - ein solcher Politiker fehlt aktuell. Auch deshalb ist die Trauer so groß, meint ein Mann aus Tel Aviv: "Wir alle empfinden Ariel Scharon als eine Art Vater und haben das Gefühl, dass es keinen Ersatz für ihn gibt. Ich glaube, das lässt uns alle eine gewisse Leere spüren."
Scharon und die Palästinenser
Bei den Palästinensern war Scharon verhasst. Daran änderte auch der von ihm verordnete Abzug aus dem Gaza-Streifen 2005 nichts. Scharon setzte im Umgang mit den Palästinensern auf militärische Härte, er galt als Vater der jüdischen Siedlerbewegung in den besetzten Gebieten. In Erinnerung bleibt sein provokanter Spaziergang auf den Jerusalemer Tempelberg. Es folgte die zweite Intifada mit insgesamt knapp viertausend Toten auf beiden Seiten.
Was ebenfalls bleibt: 1982 massakrierten libanesische Milizen in Beirut palästinensische Flüchtlinge. Israels Militär schaute dabei zu. Scharon musste deshalb als Verteidigungsminister zurücktreten. In den palästinensischen Gebieten löste Scharons Tod teils sogar offene Freude aus.
Steinmeier auf dem Weg nach Israel
Israel wird nun mit einer Gedenkfeier in der Knesset Abschied von Scharon nehmen. Danach wird er auf seiner Farm im Süden des Landes beigesetzt. Zu den Trauerfeierlichkeiten werden Staatsgäste aus aller Welt erwartet. Aus Deutschland kommt Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der am Abend zu einem schon vorher geplanten Besuch in der Region erwartet wird.