Material für die Bundeswehr Wie die Beschaffung schneller werden soll
Ein Gesetz soll die Beschaffung von Material und Waffen für die Bundeswehr beschleunigen. Ein struktureller Umbau bleibt aber aus. Kritiker befürchten mehr Korruption. Die Industrie sagt: Thema verfehlt.
"BwBBG" beschleunigt "BAAINBw". Was sich liest wie der Beginn eines schlechten Behördenwitzes soll im Bundestag heute Abend auf den Weg gebracht werden: Das "Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz (BwBBG)" soll dem "Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw)" mehr Tempo und Effizienz bei der Beschaffung von Waffen und Material bringen.
SPD-Verteidigungsministerin Christine Lambrecht sieht "spürbare Erleichterungen und Beschleunigungen im Vergaberecht." Das Gesetz soll dafür sorgen, dass die zusätzlichen Milliarden in der Truppe ankommen und nicht im Verwaltungssumpf der Behörden versickern. "Jetzt ist Schluss mit Zögern und Zaudern", kündigt Lambrecht an.
Das BwBBG sieht Ausnahmen von geltenden gesetzlichen Regelungen vor. Es soll gemeinsame europäische Beschaffungen erleichtern. Und es beschränkt die Möglichkeiten unterlegener Bieter, Entscheidungen des BAAINBw anzufechten. Der gerade erst beigelegte Rechtsstreit beim Sturmgewehr G36 zeigt, wie lange solche Prozesse dauern können. Die Ausschreibung zum neuen Sturmgewehr begann vor fünf Jahren. 15 Monate vergingen allein von der Rüge des unterlegenen Bieters bis zum Beschluss des Oberlandesgerichts in Düsseldorf.
Aufatmen in Koblenz
Die Vizepräsidentin des Beschaffungsamts mit Hauptsitz in Koblenz, Kornelia Annette Lehnigk-Emden, bewertet das Gesetzesvorhaben in einer Stellungnahme für den Bundestag insgesamt als "äußerst positiv". Die insgesamt knapp 12.000 Beschäftigten der Mammutbehörde sahen sich zuletzt heftiger Kritik auch aus der Politik ausgesetzt.
"Politiker stellen Regeln auf und die Bundeswehrverwaltung hält sich daran", kommentiert das Jakob Milles vom Verband der Beamten und Beschäftigen der Bundeswehr. "Die gleichen Politiker sagen aber dann, dass es zu lange dauert." Er hofft jetzt, dass die "Absicherungsmentalität im Amt" durch das Gesetz abnimmt und so "im juristischen Bereich personelle Kapazitäten" frei werden. Ein struktureller Umbau mit personellen Konsequenzen innerhalb der Behörde bleibt erstmal aus.
"Lizenz zum Gelddrucken"
Bundestagsabgeordnete der Ampel-Parteien loben das Gesetz: "16 Jahre lang haben wir versucht, das Beschaffungswesen in Deutschland zu reformieren, nun ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung getan", sagt Joe Weingarten von der SPD, Mitglied im Verteidigungsausschuss.
Sevim Dagdelen von der Linken fürchtet dagegen nicht nur mehr Korruption, sondern auch steigende Preise zu Lasten der Steuerzahler durch weniger Wettbewerb. "Dieses Gesetz ist insofern eine weitere Lizenz zum Gelddrucken für die großen deutschen Rüstungskonzerne, wie Rheinmetall, wo Politiker von Union und FDP ja bereits im Aufsichtsrat oder als Berater ihre Adressbücher aus der Regierungszeit vergolden."
Kritik aus der Industrie
Der Industrie greift die Reform zu kurz. Es brauche schon vor der Vergabe schnellere Planungen und Genehmigungen durch das Ministerium und die Behörden. Und "eine seit Jahren notwendige Professionalisierung und Digitalisierung der Vergabeverfahren wäre aus Sicht der Industrie ein wirkungsvollerer Beitrag zur Beschleunigung aller öffentlichen Beschaffungen", schreiben der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie und auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) in ihren Stellungnahmen wortgleich.
Offenbar werden noch tonnenweise Papier zur Prüfung nach Koblenz gekarrt. Der BDI forderte auch Bürokratieabbau durch weniger parlamentarische Kontrolle. Der Haushaltsauschuss muss Rüstungsvorhaben ab 25 Millionen Euro zusätzlich genehmigen. Der BDI fordert, diese Grenze zu erhöhen.
Mehr Dezentralisierung nötig
Das geplante Gesetz ist aus juristischen Gründen bis Ende 2025 befristet. Ob es tatsächlich schneller Waffen in die Armee bringt, wird sich zeigen. Das letzte Wort scheint es nicht zu sein: "Bei uns wird derzeit daran gearbeitet, die Beschaffungsprozesse insgesamt zu verbessern", schreibt BAAINBw-Vizepräsidentin Lehnigk-Emden. Denkbar wäre eine stärkere Dezentralisierung, weg aus der Behörde in Koblenz hin zu den Soldaten in der Truppe selbst.
Dass Material dort selbst beschafft wird, ist bislang nur in kleinem Stil möglich. SPD-Verteidigungspolitiker Weingarten fordert langfristig zumindest weniger Instandhaltungsaufgaben bei der Verwaltung. "Das Amt in Koblenz muss entlastet werden, damit es sich voll auf die Beschaffung konzentrieren kann."