Staatliche Hilfe für teure Energie Wenig Pauschale für zu viele Kosten
Der Staat zahlt in diesem Monat einmalig 300 Euro Energiepauschale. Doch für Menschen mit wenig Geld reicht das nicht aus. Und die meisten Rentner gehen sogar ganz leer aus.
"Es sind harte Zeiten." Joyce und Benjamin Dehner präsentieren recht fassungslos eine Nachzahlungsforderung ihres Gasversorgers. Es sind fast 900 Euro. So viel hat die Familie aus Stuttgart nicht auf der hohen Kante. Der Groß- und Außenhandelskaufmann Benjamin Dehner ist derzeit Alleinverdiener, seine Frau noch in Elternzeit, die Tochter gerade eineinhalb Jahre alt. "Die Energiepreispauschalte ist natürlich eine gute Sache, aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein", sagt Benjamin Dehner. Ihre Abschlagszahlungen sind jetzt stark gestiegen, und dabei schlägt die geplante Gasumlage noch gar nicht zu Buche.
Die Familie spart, will sparen, wo sie kann. "Nicht mehr so viel heizen, lieber mal einen Pulli mehr anziehen und kürzer, nicht so warm duschen", sagt Benjamin Dehner. Für ihre Tochter beginnt die Eingewöhnung in der Kita früher als geplant. Die Familie ist froh, dass sie einen Kitaplatz hat. Denn Joyce Dehner muss zurück in ihren Job in der Altenpflege: "Ich wollte mich eigentlich um meine Tochter kümmern, bis sie zwei Jahre alt ist. Aber diesen Luxus können wir uns nicht leisten". Der nächste Urlaub ist gestrichen.
Kritik am Prinzip Gießkanne
Hans Weinreuter ist Energieexperte bei der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Eigentlich ein nüchterner, analytischer Mann. Er erzählt von weinenden Menschen an der Beratungshotline. "Dann kommt schon mal ein Satz: 'Wenn jetzt die Gasrechnung noch kommt, dann nehme ich mir den Strick'." Die Verbraucherzentrale in Mainz schult jetzt ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um mit dieser Situation umzugehen.
Die Energiepauschale von 300 Euro für jeden funktioniert für die Verbraucherzentrale zu sehr nach dem Prinzip Gießkanne: "Es gibt Haushalte, die es nicht brauchen und solche, denen es nicht reichen wird." Weinreuter fürchtet, dass vielen Niedrigverdiener bald das Gas abgestellt wird, wenn sie Rechnungen nicht mehr bezahlen können. Besonders bedroht seien Haushalte, deren Einkommen nur knapp über der Bemessungsgrenze für staatliche Leistungen liegt.
Die Verbraucherzentrale fordert deshalb ein Moratorium für Strom- und Gassperren. Und: "Wir werden langfristig nicht um finanzielle Transferleistungen für Einkommensschwache herumkommen. Und zwar nicht nur einmalig, sondern mindestens über diese Heizperiode hinaus", so Weinreuter. Auch die Schuldnerberatung der Diakonie Pfalz rechnet mit mehr Hilfesuchenden im Herbst und Winter.
"Geld reicht nicht für durchschnittliches Leben"
In Kaiserslautern treibt Rentner Hartmut Wagner die neue Gasrechnung um. Die Abschlagszahlung hat sich verdoppelt auf rund 120 Euro. Der 72-jährige ehemalige Krankenpfleger bekommt zur kleinen Rente zusätzlich Grundsicherung - er hat nicht viel mehr als 1100 Euro monatlich. Die staatliche Energiepauschale aber bekommt er nicht; sie ist nur für sozialversicherungspflichtige Beschäftigte und Selbstständige.
"Es ist eine Schande. Die, die am wenigsten haben, lässt der Staat im Regen stehen", sagt Wagner. "Das Geld reicht nicht mehr für ein durchschnittliches Leben." Alle 14 Tage holt sich Wagner Lebensmittel bei der Tafel und friert diese auch ein. "Ich kann jetzt eigentlich nur noch am Essen sparen. Was anderes bleibt mir nicht mehr."
Wann kommt das nächste Entlastungspaket?
Sozialverbände fordern ein drittes Entlastungspaket seit längerem. "Diesmal muss wirklich eine substantielle Entlastung für Rentnerinnen und Rentner in dem Paket enthalten sein", sagt VdK-Präsidentin Verena Bentele. Adolf Bauer, Präsident des Sozialverbands Deutschlands, ergänzt: "Die Menschen brauchen Geld, damit am Ende des Monats der Einkaufskorb nicht leer und die Wohnung nicht kalt bleibt. Und sie brauchen die Sicherheit, dass ihnen wegen Lieferengpässen oder fehlender Zahlungsmöglichkeiten nicht der Strom oder das Gas abgedreht wird." Bundeskanzler Olaf Scholz, SPD, hat gerade ein schnelles zusätzliches Entlastungspaket angekündigt.
Familie Dehner in Stuttgart wünscht sich vor allem das 9-Euro-Ticket zurück. "Das hat in unserer Familie für spürbare Entlastung gesorgt. Und vielleicht hilft ja auch eine Übergewinnsteuer, dass Preise nicht endlos weiter steigen." Hartmut Wagner in Kaiserslautern wirkt längst resigniert. "Eine echte Rentenreform würde helfen. Aber daran glaube ich nicht mehr."