Kanzlerin Angela Merkel nach dem Bund-Länder-Gipfel
Analyse

Bund-Länder-Treffen Merkels versteckte Botschaft

Stand: 06.01.2021 06:50 Uhr

Bund und Länder haben sich auf verschärfte Corona-Regeln geeinigt. Doch wer der Kanzlerin genau zuhörte, der ahnt, dass noch härtere Maßnahmen drohen könnten. Auch wenn die ersten Bundesländer bereits ausscheren.

Eine Analyse von Moritz Rödle, ARD-Hauptstadtstudio

Der entscheidende Moment muss irgendwann am vergangenen Montagabend gewesen sein. Da berichtet der Vorstandsvorsitzende der Berliner Charité den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, der Kanzlerin und einigen Ministerinnen und Ministern von den Zuständen an seiner Klinik. Heyo K. Kroemer schildert ihnen plastisch, was Covid-19 für das Berliner Krankenhaus bedeutet. Das zeigt offenbar Wirkung.

Noch am Nachmittag schien nämlich eigentlich klar, der eingeschränkte Lockdown wird zwar verlängert, aber zusätzliche Verschärfungen soll es nicht geben. Das ändert sich nach der Schalte mit den Expertinnen und Experten. Zwar seien die Ministerpräsidenten erstmal verschnupft gewesen, als die Kanzlerin mit der Idee einer Bewegungseinschränkung um die Ecke kam, berichten Teilnehmer. Am Ende lassen sie sich aber doch überzeugen.

Ab einem Inzidenzwert von 200 pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen soll es lokale Einschränkungen des möglichen Bewegungsradius geben. Nicht mehr als 15 Kilometer rund um den eigenen Wohnort soll man sich dort ohne Grund bewegen können.

Verschärfte Regeln

Einwohnerinnen und Einwohner von Großstädten sind dabei im Vorteil. Der 15-Kilometer-Radius beginnt an der Stadtgrenze. Innerhalb der Stadt können sie sich weiterhin frei bewegen. Allerdings gilt die Einschränkung nicht für Pendler oder Arzttermine in weiter entfernten Orten. Verschärft werden auch die Regeln für private Treffen. Angehörige eines Haushalts sollen nun ab dem kommenden Montag nur noch eine zusätzliche Person treffen dürfen.

Konkret bedeutet das, dass zum Beispiel Lerngruppen aus drei Schülern aus unterschiedlichen Haushalten nicht mehr erlaubt sind. Zwei Freundinnen mit jeweils einem kleinen Kind dürfen sich auch nicht mehr treffen, denn anders als beim letzten Beschluss zählen diesmal auch Kinder unter 14 Jahren mit in der Rechnung. Offenbar soll diese Kontaktbeschränkung auch für den öffentlichen Raum gelten. Niedersachsen hat das jedenfalls schon angekündigt. Anders als in der eigenen Wohnung lässt sich das in Parks und öffentlichen Straßen auch einfacher kontrollieren.

Noch gibt es Steigerungspotenzial

Wie weitgehend das geschehen soll, ist wohl von Bundesland zu Bundesland verschieden. Private Kontakte werden also weiter reduziert, berufliche allerdings nicht. Lediglich ein Appell an Arbeitgeber, Homeoffice möglich zu machen, findet sich in dem Beschlusspapier. Warum die Firmen, die sich auch nach einem knappen Jahr Pandemie mit mobilem Arbeiten schwer tun, obwohl sie es ermöglichen könnten, nun umschwenken sollten, darauf gibt das Papier keine Antwort.

Man muss allerdings genau hinhören, was die Kanzlerin sagt, um zu verstehen, was sie meint. Man setze auf die Bereitschaft vieler, Homeoffice zu ermöglichen, und zu einer "Umkehrung" dieses freiwilligen Prinzips habe man sich noch nicht entschieden. Das entscheidende Wort in dieser Aussage: "noch" nicht.

Das bedeutet: Es gibt noch Steigerungspotenzial zu dem, was die Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen am Dienstag mit der Bundesregierung vereinbart haben. Und so könnte es bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz am 25. Januar nochmal zu deutlichen Verschärfungen kommen. Die Argumentation: Aktuell sind die Zahlen rückläufig, allerdings liegt das höchstwahrscheinlich an den geringeren Testzahlen über den Jahreswechsel.

Grundlage für härtere Maßnahmen?

Gegen Ende des Monats rechnen die meisten Verantwortlichen wieder mit steigenden Inzidenzen. Das wäre eine Grundlage für noch härtere Maßnahmen. Bis es soweit ist, scheren allerdings die ersten Bundesländer schon wieder aus dem Konsens aus. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat angekündigt, er wolle zunächst die kommenden Tage abwarten. Man müsse erstmal zu belastbaren Werten kommen, um dann zu entscheiden. Der Grüne Kretschmann will im März eine Landtagswahl gewinnen. Offenbar hat er Sorgen, dass seine Wählerklientel mit Verschärfungen nicht einverstanden ist.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 05. Januar 2021 um 20:00 Uhr.