Verschiedenfarbige Wohnhäuser

Immobilienspekulation Warum Mieter oft lange auf Hilfe warten müssen

Stand: 26.03.2024 11:33 Uhr

Ratten, Müllberge, Schimmel: Wenn Vermieter ihre Pflichten ignorieren, leiden die Mieter. Die Möglichkeiten, den Betroffenen zu helfen, sind nicht in allen Bundesländern gleich.

Von Katrin Kampling, NDR

Dass Niedersachsen ein Gesetz hat, das Mieter schützen soll, wenn ihr Vermieter sich aus der Verantwortung stiehlt, klingt erst einmal gut. Und doch scheitert auch das beste Gesetz, wenn es nicht zum Einsatz kommt.

So wie in Oldenburg, wo Mieterinnen und Mieter monatelang froren, sich der Müll stapelte und Ratten anlockte. Der Vermieter verlangte die volle Miete, aber zahlte Rechnungen zum Beispiel für Strom und Wasser nicht mehr. Es sind Häuser des inzwischen insolventen Münchner Immobilienkonzerns Omega AG, unter dem Mieter in ganz Deutschland leiden.

NDR und "Süddeutsche Zeitung" haben berichtet, wie sich die Verantwortlichen verspekulierten und wieso das Elend ihrer Mieter so groß werden konnte.

 

Der Fall Omega ist groß, aber kein Einzelfall. "Man glaubt es kaum, wie oft das vorkommt", sagt Beatrix Zurek von der SPD. Sie ist Vizepräsidentin des Deutschen Mieterschutzbundes. Sie wünscht sich Wohnungsaufsichtsgesetze in allen Bundesländern, die Kommunen verpflichten könnten, einzugreifen. "Damit die Kommunen wirkungsvoll und zielgerichtet einschreiten können", sagt Zurek.

Die Kommunen könnten dann beispielsweise Hauseigentümern unter Androhung von Zwangsgeldern vorschreiben, dass sie heruntergekommene Unterkünfte in Ordnung bringen müssen.

Nur acht Bundesländer haben Wohnungsaufsichtsgesetze

Solche Wohnungsaufsichtsgesetze gibt es in acht Bundesländern: Hamburg, Berlin und Niedersachsen haben eines, außerdem Bremen, Hessen, das Saarland, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen. Schleswig-Holstein plant eines, die restlichen Bundesländer offenbar nicht. Der Staat stehle sich damit aus der Verantwortung statt seiner Fürsorgepflicht nachzukommen, findet Zurek.

Wie auch in Zureks Heimat. Denn Bayern hatte bis 2004 ein Wohnungsaufsichtsgesetz, das "im Wege der Deregulierung und Entbürokratisierung" aufgehoben wurde, wie es das bayerische Bauministerium auf Anfrage mitteilt. Eine Wiedereinführung sei "nicht notwendig".

Die Kommunen hätten genügend Rechte, um gegen Wohnungsmissstände vorzugehen, zudem sei das Mietrecht deutlich verbessert worden. Ähnlich sieht das die Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD). Ihr Ministerium teilt mit, dass betroffene Mieter ihre Rechte gegebenenfalls gerichtlich durchsetzen könnten.

Mieter sollen sich selbst helfen

Mieterschützerin Zurek macht das wütend. Wenn Wohnraum verkomme, dann treffe das doch vor allem jene, "die sich am wenigsten wehren können", sagt sie. Also Familien mit wenig Einkommen, Alleinerziehende oder Arbeitskräfte, die aus dem Ausland kämen, "um nur einige zu nennen". Menschen, die sich keine andere Wohnung leisten könnten.

Und das sind auch meist die, die Sorge haben, gegen den Vermieter vorzugehen. Oder die sich fragen, wie man gegen einen Vermieter vorgehen soll, den man schlicht nicht mehr erreicht. Wie in Oldenburg. Mieterin Kathi A. hat dort wochenlang versucht, jemanden aus dem Omega-Unternehmen zu finden, der zuständig ist. Der endlich die seit November ausgefallene Heizung repariert.

"Wir wissen nach wie vor nicht, wer gerade wirklich für uns zuständig ist", erzählt sie bei einem Besuch Ende Januar. Draußen elf Grad, drinnen ist es kaum wärmer, trotz zwei Heizlüftern. Sie habe sogar einen Aufsichtsrat der Omega AG angerufen, erinnert sich Kathi A. - vergeblich.

Müll auf eigene Kosten entsorgt

Die Stadt Oldenburg will nicht gewusst haben, wie schlimm es wirklich in den Omega-Häusern aussah, trotz Berichterstattung in der Lokalpresse über die Zustände. Im September habe die zuständige Abfallbehörde sich bemüht, die Omega zum Entsorgen des Mülls zu bringen, teilt ein Sprecher auf Anfrage von NDR und SZ mit. Im Dezember habe man dann den Müll auf eigene Kosten entsorgen lassen, per sogenannter Ersatzvornahme. Dass die Stadt das Geld dafür jemals wiedersehen wird, ist unwahrscheinlich.

Auch in anderen Orten in Niedersachsen wird das Wohnraumschutzgesetz nur schleppend eingesetzt, wie eine Befragung des niedersächsischen Wirtschaftsministeriums ergab. Von 138 befragten Kommunen haben bisher zehn das Gesetz angewendet, bei insgesamt 161 Objekten.

Diese zehn hätten sich aber zufrieden gezeigt, so das Ministerium. Oft hätte es schon gereicht, mit Verweis auf das Gesetz zur Beseitigung von Missständen aufzufordern. 

Möglichkeiten und Grenzen der Aufsichtsgesetze

Wie gut ein Wohnungsaufsichtsgesetz helfen kann, zeigt Nordrhein-Westfalen. Bereits in den ersten zwei Jahren nach Einführung des Gesetzes 2014 seien die Behörden 6.200 Mal eingeschritten, berichtete das Bauministerium damals stolz. Es hat einen 152-seitigen Leitfaden vorgelegt, der alle möglichen Szenarien im Detail beschreibt, inklusive Musterverfügungen. Das macht es den Kommunen leicht, gegen Eigentümer vorzugehen.

Und doch stößt selbst das beste Gesetz an Grenzen, wie ein Bürgermeister aus Hessen zeigt. Claus Steinmetz kämpft im nordhessischen Wabern seit Jahren gegen Firmen aus einem Unternehmensgeflecht, das offenbar Wohnungen in einem halben Dutzend Städten und Gemeinden verkommen lässt.

Seit er 2015 gewählt wurde, habe er ständig Ärger mit etwa 80 bis 90 Wohnungen, erzählt er NDR und SZ. "Das ist wirklich schlimm und da leiden die Menschen natürlich ganz extrem drunter, teilweise auch Familien mit Kindern."

Einigen konnte er helfen, ordnete schon mehrmals die Sanierung von Wohnungen an, erklärte andere für gänzlich unbewohnbar. Trotzdem sagt er: "Unsere Möglichkeiten sind so langsam ausgeschöpft." Steinmetz wünscht sich schärfere Gesetze. "Es kann nicht sein, dass Immobilien in Deutschland zu Spekulationsobjekten werden und dann einfach vergammeln."

Rettung von überraschender Seite

In Oldenburg kommt die Rettung schließlich von überraschender Seite: einer kleinen Volksbank. Die hatte einen Kredit für den Kauf der Häuser gegeben. Und offenbar keine Lust mehr, auf die ausstehenden Tilgungen zu warten: Während Kathi A. noch fror, beantragte die Bank eine Zwangsverwaltung beim Oldenburger Amtsgericht.

Anfang Februar begann der Zwangsverwalter die Arbeit und ließ als erstes die Heizung in Kathi A.s Haus ersetzen. Kathi A. war da aber schon ausgezogen. Sie hatte das ständige Frieren nicht mehr ausgehalten.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Hallo Niedersachsen am 31. Januar 2024 um 19:30 Uhr.