Polizeiliche Kriminalstatistik Mehr Gewalttaten, mehr Einbrüche
Im vergangenen Jahr hat die Polizei deutlich mehr Straftaten registriert. Im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 stieg ihre Zahl um 9,3 Prozent. Vor allem Gewalttaten und Wohnungseinbrüche nahmen zu.
Die Zahl registrierter Straftaten in Deutschland ist im vergangenen Jahr auf fast sechs Millionen gestiegen. Das geht aus der Polizeilichen Kriminalstatistik hervor, die dem ARD-Hauptstadtstudio in Auszügen vorliegt. Auch die "Welt am Sonntag" hat zuvor darüber berichtet.
Einzelne Bundesländer hatten schon in den vergangenen Wochen ihre Kriminalstatistiken veröffentlicht, dort zeichnete sich eine bundesweite Zunahme bereits ab. So wuchs die Kriminalität etwa in Nordrhein-Westfalen 2023 um 3,4 Prozent.
Die bundesweite Aufklärungsquote ist leicht gestiegen: 58,4 Prozent aller erfassten Straftaten wurden der Statistik zufolge aufgeklärt. Wichtig zu wissen: Die Polizeiliche Kriminalstatistik gibt nur Tatverdächtige an, nicht tatsächlich überführte Täter.
Starker Anstieg bei tatverdächtigen Minderjährigen
Verglichen mit dem Jahr 2019 wurden 43 Prozent mehr tatverdächtige Kinder und Jugendliche registriert. Zwei Ursachen dafür werden diskutiert, beide haben mit Corona zu tun: Kinder und Jugendliche verstoßen zum einen eher gegen die Norm, was durch die Pandemiebeschränkungen aber nicht möglich war. Beim typischen Über-die-Stränge-Schlagen von Teenagern gibt es laut BKA-Statistik also einen gewissen Nachholeffekt: 2023 habe sich geballt entladen, was sich vorher nicht entladen konnte.
Auch die extremen psychischen Belastungen für die Jüngeren durch die Pandemiebeschränkungen werden als eine Ursache gesehen. Meistens geht es bei den Delikten um einfache Körperverletzung und um Diebstahl. Die Taten finden vorwiegend unter Kindern und Jugendlichen selbst statt.
Deutlich mehr nichtdeutsche Tatverdächtige
Mit 17,8 Prozent gab es zudem einen starken Anstieg bei nichtdeutschen Tatverdächtigen - was auch damit zusammenhängt, dass 2023 so viele Menschen nach Deutschland gekommen sind wie seit vielen Jahren nicht mehr.
Bestimmte Straftaten wie unerlaubte Einreise oder Verstöße gegen das Aufenthalts- und das Asylverfahrensgesetz, können nur von Ausländern begangen werden. Rechnet man das raus, liegt der Anstieg aber immer noch bei 13,5 Prozent. Insgesamt betrachtet sind mehr als 41,3 Prozent aller Tatverdächtigen Ausländer.
In der Polizeilichen Kriminalstatistik gibt es diesbezüglich jedoch eine Auffälligkeit: Nicht berücksichtigt wird die steigende Anzahl Nichtdeutscher in der Bevölkerung insgesamt. In den vergangenen beiden Jahren war die Zuwanderung sehr hoch. Berücksichtigt man das bei der Interpretation der Zahlen und setzt die Zahl der ausländischen Tatverdächtigen ins Verhältnis zur ausländischen Bevölkerung, fällt der Anstieg bei ausländischen Tatverdächtigen sogar geringer aus als bei deutschen Tatverdächtigen.
Gewalttaten nehmen zu
Bei den Delikten gibt es eine klare Tendenz: Den höchsten Stand seit 15 Jahren habe die Gewaltkriminalität mit etwa 215.000 Fällen erreicht, heißt es in der Statistik. Darunter fallen etwa gefährliche und schwere Körperverletzung mit einem neuen Höchstwert von rund 155.000 Fällen. Deutlich stieg demnach auch die Zahl der Raubdelikte (plus 17 Prozent) auf rund 45.000 und die Zahl der Messerangriffe (plus zehn Prozent) auf etwa 9.000.
Außerdem gab es im vergangenen Jahr mehr Wohnungseinbrüche als im Jahr zuvor. Die Zahl sei innerhalb eines Jahres um 18,1 Prozent auf 77.819 Fälle gestiegen. Berlin sei dabei Spitzenreiter mit 8.323 Fällen, ein Plus von 35,2 Prozent.
2023 war das erste Jahr seit Ausbruch der Pandemie ohne coronabedingte Einschränkungen. In den Jahren davor, als viele Menschen zu Hause waren und zum Beispiel aus dem Homeoffice gearbeitet haben, war die Zahl der Wohnungseinbrüche stark gesunken.
Faeser fordert "null Toleranz"
Bundesinnenministerin Nancy Faeser will die Polizeiliche Kriminalstatistik zusammen mit BKA-Präsident Holger Münch am kommenden Dienstag offiziell vorstellen.
Die Entwicklung hin zu einer höheren Kriminalität hat sich aus Sicht des Bundesinnenministeriums schon im vergangenen Jahr abgezeichnet. Faeser nannte im Herbst als Gründe dafür "soziale Ursachen wie eigene Gewalterfahrungen durch Terror und Flucht (bei nicht-deutschen Tatverdächtigen, Anm. d. Red.), aber auch Armutsrisiken".
"Wir sehen zugleich eine gestiegene Jugendkriminalität", so Faeser, "auch durch schwerwiegende psychische Folgen der Pandemie". Dies seien zwar Ursachen, aber keinesfalls Rechtfertigungen für Gewalt, sagte die Ministerin. Die Antwort des Rechtsstaats müsse "null Toleranz" lauten: "Konsequentes Durchgreifen, spürbare strafrechtliche Folgen, schnellere Abschiebungen von ausländischen Straftätern", so Faeser.
Gegensteuern mit besserer Integration und Bildungspolitik
Zudem müsse man dem schlechten Zustand des Bildungssystems, der sich in fehlenden Schulabschlüssen und damit verbundener Perspektivlosigkeit zeigt, mit guter Sozial- und Bildungspolitik entgegentreten, erklärte Faeser. Auch bessere Integrationsarbeit sei ein wichtiger Faktor.
Die Kriminalität hatte 2022 nach Jahren des Rückgangs bundesweit wieder zugenommen - und zwar um 11,5 Prozent auf rund 5,63 Millionen Straftaten. Damals war jedoch ein Teil des Anstiegs auf den Wegfall von Corona-Maßnahmen zurückzuführen. Durch die staatlichen Beschränkungen hatte es 2020 und 2021 weniger Tatgelegenheiten gegeben - etwa weil Geschäfte geschlossen waren und sich weniger Menschen begegneten.