Entwurf für Grundsatzprogramm Was die CDU inhaltlich will
Im Entwurf für ein neues Grundsatzprogramm setzt die CDU auf weitreichende Änderungen in der Asyl- und Migrationspolitik. Außerdem: Bekenntnisse zu einer deutschen Leitkultur, Atomkraft und Reformen in der Renten- und Arbeitsmarktpolitik.
Mit neuen Grundsätzen wollen sich die Christdemokraten nach dem Machtverlust im Jahr 2021 inhaltlich neu aufstellen. Dafür wird seit Monaten intensiv an einem neuen Grundsatzprogramm geschrieben, die Federführung liegt bei Generalsekretär Carsten Linnemann. Jetzt liegt ein erster Entwurf vor.
"Sollte es zu einer vorgezogenen Bundestagswahl kommen, wären wir bereit", sagte Linnemann bei der Vorstellung in der CDU-Parteizentrale. Die Menschen in Deutschland seien verunsichert und bräuchten Orientierung und Halt. "Und wir werden mit diesem Grundsatzprogramm diese Orientierung geben." Sein Stellvertreter in der Grundsatzkommission, Thüringens CDU-Chef Mario Voigt, sagte, das Programm zeige, dass die Partei sich auf alte Stärken zurückbesinnen und zugleich neue Themen aufgreifen wolle.
Das gut 70-seitige Papier trägt den Titel "In Freiheit leben. Deutschland sicher in die Zukunft führen". Dabei definiert sich die CDU als "Volkspartei der Mitte und Partei des Gemeinwohls". Der Inhalt des Entwurfs dürfte für breite Diskussionen sorgen. Demnach will die CDU einen radikalen Systemwechsel in der Asylpolitik, außerdem Bekenntnisse zu einer deutschen Leitkultur und zur Atomkraft sowie Reformen in der Renten- und Arbeitsmarktpolitik. Die Kernpunkte im Überblick:
Migration
Die Partei setzt auf das Konzept der sicheren Drittstaaten. Jeder, der in Europa Asyl beantragt, soll in einen sicheren Drittstaat überführt werden und dort ein Verfahren durchlaufen. "Im Falle eines positiven Ausgangs wird der sichere Drittstaat dem Antragsteller vor Ort Schutz gewähren." Mit sicheren Drittstaaten solle eine umfassende vertragliche Vereinbarung geschlossen werden.
Nach der erfolgreichen Einrichtung des Drittstaatenkonzepts würde "eine Koalition der Willigen innerhalb der EU jährlich ein Kontingent schutzbedürftiger Menschen aus dem Ausland" aufnehmen und auf die "Koalitionäre" verteilen. Mit einem humanitären Kontingent würde es eine Obergrenze für den Zuzug geben - eine konkrete Zahl dafür nennt die CDU jedoch nicht.
Leitkultur
"Alle, die hier leben wollen, müssen unsere Leitkultur ohne Wenn und Aber anerkennen." Dazu gehörten die Achtung der Würde jedes Menschen, der Grund- und Menschenrechte, des Rechtsstaats, des Respekts und der Toleranz sowie die Anerkennung des Existenzrechts Israels. "Nur wer sich zu unserer Leitkultur bekennt, kann sich integrieren und deutscher Staatsbürger werden."
Der Kampf gelte denen, die Hass und Gewalt schürten und eine islamistische Ordnung anstrebten. "Die Scharia gehört nicht zu Deutschland." Im Entwurf heißt es: "Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland." Die CDU grenzt sich damit auch von einem Satz des damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff (CDU) ab, der 2010 gesagt hatte: "Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland."
Der Entwurf sieht ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr für alle Schulabgänger auf Grundlage einer einheitlichen Regelung vor. Dies sei "eine große Chance, den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu stärken". Jedes Kind solle im Alter von vier Jahren einen einheitlichen und verpflichtenden Sprachtest machen.
Rente
Wenn die Rente finanzierbar gehalten werden solle, "spricht viel dafür, dass die Lebensarbeitszeit für diejenigen, die arbeiten können, steigen muss, und folglich die Regelaltersgrenze an die Lebenserwartung gekoppelt wird". Für alle solle eine verpflichtende kapitalgedeckte Altersvorsorge eingeführt werden - für Menschen mit geringem Einkommen seien staatliche Zuschüsse nötig.
Um Arbeit im Alter attraktiv zu machen, solle eine "Aktivrente" eingeführt werden. Wer nach dem Erreichen des gesetzlichen Rentenalters freiwillig weiterarbeiten wolle, solle sein Gehalt bis zu einem bestimmten Betrag steuerfrei bekommen.
Haushalt
Solide Finanzen seien ein Gebot der Generationengerechtigkeit - "die Garantie dafür ist die Schuldenbremse". Schattenhaushalte wie schuldenfinanzierte Sondervermögen würden grundsätzlich abgelehnt, da sie die Einhaltung der Prinzipien der Haushaltswahrheit und -klarheit erschwerten. Schuldenfinanzierte Sondervermögen "dürfen nur in äußersten Ausnahmefällen eingerichtet und später nicht für andere Zwecke umgewidmet werden".
Auf dem Arbeitsmarkt sollen Überstunden bei Vollzeit steuerfrei sein. Kleine und mittlere Einkommen sollten entlastet und arbeitende Rentner steuerlich bessergestellt werden. "Wer Sozialleistung erhält und arbeiten kann, soll arbeiten." Wer mehr arbeiten wolle als bisher, solle dazu attraktive Rahmenbedingungen vorfinden.
Die Bundeswehr soll bei besonderen Bedrohungslagen, in denen nur die Bundeswehr über spezifische Fähigkeiten zur Gefahrenabwehr verfüge, auch im Inland eingesetzt werden dürfen. Die gravierenden Fähigkeitslücken der Bundeswehr müssten innerhalb von zehn Jahren geschlossen werden. Eine Wiedereinführung der Wehrpflicht fordert die CDU nicht - allerdings dürfe es hier auch "keine Denkverbote für die Zukunft geben".
Energie
Statt mit Kohle wolle man in der nächsten Dekade mit Gaskraftwerken die bisher fehlende Möglichkeit der langfristigen Speicherung der erneuerbaren Energien und die erforderlichen Grundlasten sichern. Zudem fordert sie eine Kehrtwende beim Atomausstieg. Die CDU betont: "Deutschland kann zurzeit nicht auf die Option Kernkraft verzichten."
Gendern
Die CDU sei für eine geschlechtergerechte Sprache, "aber gegen Gender-Zwang". Die CDU wolle, dass "in allen Behörden, Schulen, Universitäten und anderen staatlichen Einrichtungen sowie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk keine grammatikalisch falsche Gender-Sprache verwendet wird".
Offiziell soll das neue Grundsatzprogramm bei einer Klausur am 12. und 13. Januar in Heidelberg vom Vorstand beschlossen werden. Danach soll der Entwurf mit den Mitgliedern diskutiert und dann von den 1001 Delegierten auf dem Parteitag im Mai verabschiedet werden. Linnemann sagte, er rechne mit bis zu 1000 Änderungsanträgen.
Die CDU hatte den Prozess zu einem neuen Grundsatzprogramm nach dem Machtverlust bei der Bundestagswahl 2021 angestoßen. Das aktuelle Grundsatzprogramm stammt noch von 2007.