Merz bei Regionalkonferenzen Der Anti-Scholz
Die CDU tourt mit ihrem Entwurf zum neuen Grundsatzprogramm durch das Land. Für Parteichef Merz sind die meisten Veranstaltungen Wohlfühltermine. Die Frage ist, wie weit die Reise für ihn geht.
Am Ende kommt die Frage nach der Brandmauer in Chemnitz doch noch. Wenn es sie zur AfD gebe, warum nicht auch zu den Grünen? Der CDU-Chef ist offensichtlich vorbereitet: Schließlich war erwartbar, dass das Thema bei dieser Regionalkonferenz aufkommt.
Im Osten schlägt den Grünen teilweise blanker Hass entgegen. In den ostdeutschen CDU-Landesverbänden gibt es viele, die sich eine klare Abgrenzung von der Partei wünschen. Doch Friedrich Merz hält dagegen und wiederholt seine bekannte Position: Die CDU müsse mit allen demokratischen Parteien im Gespräch bleiben, und das seien die Grünen nun mal, Demokraten.
Vereinzelte Nein-Rufe aus dem Publikum und vorbei ist er, der einzig wirklich kritische Moment für Merz an diesem Abend. Er bekommt anerkennenden Applaus, wenn auch keine Standing Ovations. Das Publikum wirkt zufrieden, wenn auch nicht begeistert. Eine Bilanz, die auch auf die zwei Jahre Amtszeit des Parteivorsitzenden passt.
Bloß keine weiteren Fettnäpfchen
Dabei sah es im Sommer noch danach aus, als könnten Merz ähnlich kurze Auftritte als Vorsitzender drohen wie seinen beiden Vorgängern Armin Laschet und Annegret Kramp-Karrenbauer. Auslöser war ein Abend im August. Damals brachen einige Dämme in der CDU. Als Merz im ZDF-Sommerinterview vor laufenden Kameras verkündete, dass eine Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene kaum vermeidbar sei, folgte ein Sturm der Entrüstung.
Fast im Minutentakt distanzierten sich CDU-Mitglieder öffentlich von der Äußerung. Der Parteichef war gezwungen, sich noch einmal zu erklären und klarzustellen, die Brandmauer zur AfD bröckele nicht.
In den darauffolgenden Wochen aber blieb Merz unter ständiger Beobachtung. Stand wieder ein Interview des Vorsitzenden an, war die Anspannung in der CDU groß: bitte nur keine weiteren rhetorischen Fettnäpfchen. Und tatsächlich blieben größere Schnitzer aus.
Inszeniert als Anti-Scholz
Mehr als ein halbes Jahr später ist Ruhe in der Partei eingekehrt, zumindest äußerlich. Viele in der CDU geben sich zufrieden mit dem Auftreten ihres Parteichefs. Es kommt gut an, dass Merz die Ampelkoalition hart angeht und sich als Anti-Scholz inszeniert. Als Parteichef hat er die CDU außerdem wieder auf einen stärker konservativen und wirtschaftsliberalen Kurs geführt und damit die bei vielen vorhandene Sehnsucht befriedet, sich von der Ära Merkel abzugrenzen.
Am Partei- und Fraktionsvorsitzenden Merz gibt es also gerade kaum Zweifel. Doch geht das Vertrauen in die Person Merz so weit, ihn als Kanzlerkandidaten aufzustellen? Noch eine weitere Legislatur in der Opposition würde die CDU wohl zerreißen. Der nächste Schuss muss also sitzen.
Nur ist Merz der Richtige, um den Elfmeter zu verwandeln? Im Regierungsviertel erzählt man sich, dass das Team um Olaf Scholz auf Merz als Konkurrent hoffe, offenbar um überhaupt noch eine Chance auf eine zweite Kanzlerschaft zu haben. Kein Kompliment für Merz.
Die K-Frage bleibt offen
Aus der Union kommt zur K-Frage wenig. Es ist auffällig ruhig. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer glaubt zwar, die Entscheidung sei bereits gefallen und Bayerns Landeschef Markus Söder sieht Merz in der Favoritenrolle, zumindest "derzeit", wie er betont. Doch andere prominente Stimmen gibt es kaum.
Ein Satz scheint eingeübt, vor allem bei einflussreichen Landesvorsitzenden: Man werde zu gegebener Zeit entscheiden. Wer man ist und wann zu gegebener Zeit sein wird, ist offen. Zumindest scheint es auf nach den Landtagswahlen in Ostdeutschland hinauszulaufen.
Das dürfte im Interesse derer sein, die sich einen anderen Kandidaten als Merz wünschen. Denn bis Herbst ist noch viel Zeit: Möglichweise leistet sich Merz wieder einen Fauxpas und diskreditiert sich damit selbst. Die Hoffnung könnte auch sein, dass er selbst die Einsicht gewinnt, die Kanzlerkandidatur einem anderen, womöglich jüngeren, zu überlassen.
Mögliche Absprachen laufen im Hintergrund
Merz könnte so als der Vorsitzende in die Partei-Annalen eingehen, der die CDU zurück auf die Erfolgsspur gebracht und den Generationenwechsel vollzogen hat. Vieles ist da im Konjunktiv. Fakt ist, dass es am Ende an Merz sein wird, die Entscheidung über die K-Frage öffentlich zu verkünden.
Es muss zumindest nach außen so scheinen, als hätte Merz dabei das Heft des Handelns in der Hand. Denn Chaostage, wie damals als Markus Söder und Armin Laschet um die Kanzlerkandidatur kämpften, sollen sich nicht noch einmal wiederholen. Da sind sich alle in der CDU einig.
Deswegen wird es wohl keine öffentlichen Vorstöße und Debatten über die K-Frage geben. Mögliche Gespräche, Absprachen und Überzeugungsversuche laufen im Hintergrund. Geraunt wird in Partei und Fraktion bereits viel: Darüber, dass Merz zu impulsiv für einen Kanzlerkandidaten und zu unsympathisch wirke.
Staatsmännisch bei Auslandsreisen
Aktuell deutet allerdings vieles daraufhin, dass Merz sich die Kanzlerschaft zutraut. So gab er sich auf Auslandsreisen zuletzt staatsmännisch und wurde sogar von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu empfangen. Und auch die von ihm angestoßene Debatte um potenzielle Koalitionspartner zeigt, dass der CDU-Chef bereits die Zeit nach der nächsten Bundestagswahl durchdenkt.
Es gilt für Merz aber noch einige Hürden zu überstehen. Da ist zum einen der Parteitag im Mai, bei dem er sich als Vorsitzender zur Wiederwahl stellt und das neue Grundsatzprogramm final beschlossen werden soll. Auch wenn die drei Tage in Berlin nicht ausschlaggebend für die K-Frage sein werden, sind sie zumindest ein Stimmungstest.
Die Europawahl und die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg könnten da entscheidender sein. Sollte die AfD stark abschneiden und die CDU sogar überholen, muss sich auch ein Bundesvorsitzender fragen lassen, welchen Anteil er an diesem Ergebnis hat.