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Kabinett billigt Haushaltsentwurf Wofür die Ampel Geld ausgibt

Stand: 05.07.2023 12:15 Uhr

Das Bundeskabinett hat den Entwurf für den Haushalt 2024 beschlossen. Er enthält einige dicke Brocken, gespart wird aber trotzdem. Wofür die Ampel Geld ausgeben will - und wo sie noch streitet.

Es ist eine gewaltige Summe: 445,7 Milliarden Euro will der Bund im kommenden Jahr ausgeben. Allerdings sind dies rund 30 Milliarden weniger als in diesem Jahr, als es aber wie in den Vorjahren viele krisenbedingte Ausgaben vor allem wegen der Corona-Pandemie und der Energiekrise gab.

Nun will Finanzminister Christian Lindner (FDP) auf einen strikten Sparkurs umschwenken. Die Schuldenbremse soll eingehalten werden. Nach langen und schwierigen Verhandlungen wurde der Haushaltsentwurf für 2024 und die Finanzplanung für die folgenden Jahre im Kabinett verabschiedet. Nun kann das parlamentarische Verfahren beginnen. Dort gibt es in der Regel noch teils wesentliche Änderungen. Der Bundestag soll den Haushalt Anfang Dezember beschließen.

"Dieser Finanzminister macht Schulden wie kein anderer vor ihm", Mathias Middelberg, stellv. Fraktionsvorsitzender CDU/CSU, zum Haushaltsentwurf 2024

Morgenmagazin

Arbeit und Soziales

Das mit Abstand meiste Geld wird wie jedes Jahr im Haushalt des Arbeits- und Sozialministeriums bewegt. Knapp 172 Milliarden Euro sollen dafür 2024 bereitgestellt werden, nach gut 166 Milliarden in diesem Jahr. Das ist mehr als ein Drittel des gesamten Haushalts.

Allein für die Rentenversicherung werden dem Entwurf zufolge 127 Milliarden Euro Steuergeld bereitgestellt, nach 121 Milliarden in diesem Jahr - der Bund zahlt Zuschüsse an die Rentenkasse und übernimmt auch Beiträge für die Zeit der Kindererziehung. "Die Zuschüsse, Beitragsleistungen und Erstattungen sind unter anderem dadurch gerechtfertigt, dass die gesetzliche Rentenversicherung gesamtgesellschaftliche Aufgaben übernimmt", heißt es beim Arbeitsministerium von Ressortchef Hubertus Heil (SPD).

Für das Bürgergeld sind im Sozialhaushalt für das nächste Jahr 24,3 Milliarden Euro vorgesehen, nach 23,8 Milliarden in diesem Jahr.

Familie

Das Familienministerium muss im kommenden Jahr mit fast 218 Millionen Euro weniger auskommen. Die veranschlagten Gesamtausgaben liegen bei rund 13,5 Milliarden Euro.

Gestrichen wird beim größten Posten des Ministeriums, dem Elterngeld. Die Lohnersatzleistung, die der Staat zahlt, wenn Eltern nach der Geburt der Kinder zu Hause bleiben, sollen Spitzenverdiener nicht mehr bekommen, sondern nur noch Eltern, die zusammen nicht mehr als 150.000 Euro im Jahr verdienen. Bisher lag diese Grenze bei 300.000 Euro. Die Ausgaben für das Elterngeld sind von 7,6 Milliarden im vergangenen auf 8,3 Milliarden Euro in diesem Jahr angestiegen, mit dem Einschnitt sollen 290 Millionen Euro eingespart werden. An den Plänen von Ministerin Lisa Paus (Grüne) zum Elterngeld gibt es heftige Kritik.

Mehrausgaben werden dafür beim Kinderzuschlag eingeplant, den Familien mit geringen Einkommen erhalten. Hier steigen die Kosten von 1,9 Milliarden auf voraussichtlich 2,2 Milliarden Euro im nächsten Jahr.

Kindergrundsicherung

Das Kabinett verabschiedet auch den Finanzplan bis 2027. Darin enthalten: Die für 2025 geplante Kindergrundsicherung, die verschiedene Familienleistungen bündeln soll. Anspruchsberechtigte Familien sollen besser erreicht und armutsgefährdete Kinder und Jugendliche besser unterstützt werden.

Umstritten ist noch, wie viel sie kosten soll. Lindner hat im Finanzplan für 2025 zunächst zwei Milliarden Euro eingestellt, als "Platzhalter". Das ist vor allem aus Sicht der Grünen aber deutlich zu wenig.

Andrea Römmele, Politikwissenschaftlerin Hertie School Berlin, zu den Streitpunkten im Haushaltsentwurf für 2024

tagesschau24, 05.07.2023 10:00 Uhr

Bildung

Der Haushalt des Bildungs- und Forschungsministeriums von Bettina Stark-Watzinger (FDP) schrumpft von 21,5 Milliarden Euro 2023 auf 20,3 Milliarden Euro im kommenden Jahr. Das hat zu einem großen Teil auch damit zu tun, dass die 200-Euro-Energiepreispauschale, die in diesem Jahr für Studenten und Fachschüler einmalig aufgelegt wurde und ein Volumen von insgesamt 700 Millionen Euro hat, nächstes Jahr wegfällt.

Aber es wird auch mit weniger Ausgaben im Bereich BAföG gerechnet: Knapp 1,4 Milliarden Euro für Studentinnen und Studenten werden veranschlagt, nach 1,8 Milliarden in diesem Jahr; beim Schüler-BAföG 551 Millionen nach 763 Millionen in diesem Jahr.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft kritisierte: Die Ampelkoalition hungere das BÀföG systematisch aus, wenn sie die Sätze nicht an die galoppierende Inflation und Preisexplosion auf dem Wohnungsmarkt anpasse.

Im Bundeshaushalt 2024 mit 500 Millionen Euro vermerkt ist ein aus Sicht der Ampel besonders wichtiges bildungspolitisches Vorhaben, das sogenannte Startchancen-Programm: Damit sollen bundesweit 4000 Schulen "mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler" speziell gefördert werden - mit Geld, aber auch mit zusätzlichen Sozialarbeitern. Es soll zum Schuljahr 2024/2025 starten.

Gesundheit und Pflege

Nach Ende der akuten Corona-Krise schrumpft der Etat von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Möglich sind noch Ausgaben von 16,2 Milliarden Euro - allein 14,5 Milliarden davon sind schon als üblicher Zuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung gebunden.

Als Sparbeitrag zur Haushaltssanierung fällt ein erst 2022 eingeführter Zuschuss für die Pflegeversicherung von einer Milliarde Euro weg. Lauterbach machte aber umgehend klar, dass es deshalb keine Leistungskürzungen geben werde. Konkret soll die Summe nicht in einen Pflegevorsorgefonds als Puffer für künftige Zeiten fließen.

Hintergrund ist auch eine gerade erst in Kraft getretene Reform, die jährlich 6,6 Milliarden Euro mehr für die Pflege mobilisieren soll - und zwar durch höhere Beiträge, die seit 1. Juli fällig sind. Damit sollen aber auch Entlastungen für Pflegebedürftige im Heim und zu Hause ab Anfang 2024 finanziert werden.

Bei SPD und Grünen reichte das vielen noch nicht. Ohne Aussicht auf mehr Geld aus dem Etat schwinden aber die Chancen auf weitere Verbesserungen. Und mit der Absage an Abstriche bei den Leistungen werden die nächsten Beitragsanhebungen für die Pflege wie für die gesetzlichen Kassen wahrscheinlicher.

Verteidigung

Mit einem Plus von 1,7 Milliarden Euro auf nunmehr rund 51,8 Milliarden Euro sticht der Wehretat inmitten der Kürzungsvorgaben heraus. Über einen echten Zuwachs für 2024 kann sich Minister Boris Pistorius (SPD) aber nicht freuen, denn der Betrag deckt ziemlich genau nur den Bedarf ab, der wegen Tarifsteigerungen nötig wird. Zwischenzeitlich war über zehn Milliarden mehr für die Bundeswehr diskutiert worden.

Umso mehr muss das Versprechen einer voll ausgestatteten und einsatzbereiten Bundeswehr nun aus dem 100-Milliarden-Topf finanziert werden, das für die großen Rüstungsprojekte wie den Tarnkappenjet F-35, mehr moderne Schützenpanzer oder auch sichere Kommunikationswege verplant ist, aber nicht den laufenden Unterhalt deckt.

Im kommenden Jahr sollen 19,2 Milliarden Euro aus diesem Sondervermögen investiert werden. Erstmals will die Regierung damit auch das Ziel der NATO - zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung - erfüllen.

Schiene

Der Schwerpunkt der Investitionen im Verkehrsetat von Minister Volker Wissing (FDP) liegt laut Entwurf bei der Schiene - das Schienennetz ist teils marode und soll schneller saniert werden.

Die Spitzen der Koalition hatten Ende März festgestellt, die bundeseigene Deutsche Bahn benötige zur Deckung des Investitionsbedarfs bis zum Jahr 2027 rund 45 Milliarden Euro. Dieser Bedarf solle "soweit wie finanziell darstellbar" gedeckt werden, im Wesentlichen aus Einnahmen aus der Lkw-Maut. Die veranschlagten 45 Milliarden Euro werden damit aber nicht erreicht, wie es aus Koalitionskreisen hieß. Die Rede war von bis zu 34 Milliarden Euro bis 2027 - das sei aber deutlich mehr als ursprünglich geplant.

Die Bundesregierung will außerdem prüfen, ob und inwieweit der Klima- und Transformationsfonds (KTF) - ein Sondertopf neben dem Haushalt - einen Beitrag in Höhe von 15 Milliarden Euro in den kommenden zwei Jahren zur Deckung des Investitionsbedarfs leisten kann. In den Fonds fließen Milliarden-Einnahmen des Staates aus dem Emissionshandel und der CO2-Bepreisung.

Aus dem KTF werden allerdings auch zahlreiche andere Vorhaben finanziert - zum Beispiel auch die Förderung für den Heizungstausch. Über den Wirtschaftsplan des Fonds laufen derzeit noch Verhandlungen.

Der Grünen-Experte Matthias Gastel sagte, der Finanzierungsstau bei der Bahn müsse noch aktiver angegangen werden. Der Verband der Bahnindustrie kritisierte, der Aufbruch für die Schiene falle aus. Es seien deutlich weniger Investitionsmittel für die Modernisierung der Schiene eingestellt, als sie die Spitzen der Koalition verabredet habe.

Straßen und Radwege

Für die Bundesfernstraßen, also Autobahnen und Bundesstraßen, sind rund 12,8 Milliarden Euro vorgesehen, etwas mehr als in diesem Jahr. Davon sollen rund 11,5 Milliarden in Planung, Bau, Erhaltung und Betrieb der Bundesfernstraßen gehen.

Rund 263 Millionen Euro will der Bund für die Förderung des Rad- und Fußverkehrs ausgeben - rund 150 Millionen Euro weniger als 2023. Gekürzt werden soll etwa beim Bau von Radschnellwegen.

Wohnen

Der soziale Wohnungsbau soll gestärkt werden, vorgesehen sind 3,15 Milliarden Euro und damit mehr als ursprünglich geplant. Dazu kommen Mittel etwa für die Städtebauförderung.

Regionale Wirtschaftsförderung

Viel Aufregung hatte es um mögliche Kürzungen bei der regionalen Wirtschaftsförderung gegeben - vor allem im Osten. Ziel der "Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" ist es, strukturschwache Regionen zu unterstützen und Anreize zu setzen, um Jobs zu schaffen. Vorgesehen sind nun im Etat für 2024 Mittel von 679 Millionen Euro, das sind sogar 32 Millionen mehr als 2023. Erreicht wird das durch Umschichtungen.

Hans-Joachim Vieweger, ARD Berlin, tagesschau, 05.07.2023 06:54 Uhr