Kabinettsklausur in Meseberg Milliardenpaket soll Wirtschaft ankurbeln
Die Bundesregierung hat Maßnahmen präsentiert, die die Wirtschaft steuerlich stärker entlasten sollen als bisher geplant. Doch nicht alle Probleme seien mit Geld lösbar, betonte Finanzminister Lindner in den tagesthemen.
Angesichts der Konjunkturflaute in Deutschland will die Bundesregierung Impulse für mehr Wirtschaftswachstum geben. Bundeskanzler Olaf Scholz sagte bei der Kabinettsklausur in Meseberg, die Bundesregierung wolle eine "Offensive" auf den Weg bringen, um Wachstum anzuregen. "Wir werden auch durch steuerliche Maßnahmen dazu beitragen, dass Investitionen jetzt getätigt und nicht aufgeschoben werden," sagte Scholz bei einem gemeinsamen Auftritt mit Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP).
Scholz, Habeck und Lindner stellten einen Zehn-Punkte-Plan für den Wirtschaftsstandort Deutschland vor. Dabei geht es um steuerliche Erleichterungen für Unternehmen, den Abbau von Bürokratie, Investitionen in den Klimaschutz, mehr Fachkräfte aus dem Ausland oder schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren. Viele Vorhaben sind bereits auf dem Weg. Die aktuelle Abkühlung der Konjunktur dürfe nicht dazu führen, dass langfristige Zukunftsinvestitionen von Unternehmen gehemmt werden oder der Wohnungsbau noch weiter zurückgehe, heißt es in dem Papier.
Entlastung auf sieben Milliarden Euro aufgestockt
Ein wesentlicher Punkt ist das geplante Wachstumschancengesetz, dessen jährliches Entlastungsvolumen auf 7,035 Milliarden Euro für den Zeitraum bis 2028 aufgestockt werden soll. Zuvor war das Entlastungsvolumen mit rund 6,6 Milliarden Euro beziffert worden. Der Gesetzentwurf soll am Mittwoch in Meseberg formell vom Kabinett beschlossen werden. Die steuerliche Anrechnung von Verlusten wird demnach noch einmal leicht ausgeweitet. So sollen künftig nicht mehr 60, sondern 80 Prozent der Verluste innerhalb von vier Jahren steuerlich absetzbar sein.
Neu in das Gesetz aufgenommen wurde zudem die befristete Einführung einer degressiven Abschreibung für Wohngebäude. Sie soll für Gebäude gelten, mit deren Bau nach dem 30. September 2023 und vor dem 1. Oktober 2029 begonnen wird. Das Gesetz enthält noch zahlreiche weitere Entlastungen im Unternehmensbereich, darunter eine Investitionsprämie "zur Beförderung der Transformation der Wirtschaft in Richtung von insbesondere mehr Klimaschutz".
Ursprünglich war der Kabinettsbeschluss zum Wachstumschancengesetz bereits vor zwei Wochen geplant gewesen. Damals hatte Familienministerin Lisa Paus (Grüne) wegen des Streits mit Finanzminister Lindner über die Finanzierung der Kindergrundsicherung Einspruch eingelegt.
"Turnaround-Potenzial"
Habeck sagte, die wirtschaftspolitische Lage sei durchaus anspruchsvoll. "Sie ist jedenfalls nicht so, dass man sagen kann: Wirtschaft macht die Wirtschaft, und die Politik hält sich raus." Jetzt müssten die Signale gesetzt werden, dass es sich lohne, in Deutschland zu investieren.
Lindner erklärte: "Wir nehmen ernst, dass Deutschland weniger dynamisch wächst als andere. Aber wir wissen zugleich auch um die Substanz dieses Landes. Wir haben eine starke wirtschaftliche Struktur von Mittelstand und Industrie. Deshalb gibt es in unserem Land auch ein enormes Turnaround-Potenzial, das wir durch verschiedene Maßnahmen unterstützen wollen."
Lindner: Nicht alle Probleme mit Geld lösbar
Wirtschaftsverbände hatten die Bundesregierung zu einem Entlastungspaket aufgefordert - vor dem Hintergrund von im internationalen Vergleich hohen Energiepreisen oder zu viel Bürokratie. Einige Ökonomen kritisierten nun, dass das jüngste Paket noch nicht ausreiche. In den tagesthemen sagte Lindner dazu, deutlich mehr Geld zur Verfügung zu stellen, sei jedoch nicht klug. "Schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme in der jetzigen Situation würden die Preise anziehen lassen."
Zudem sei nicht nur Geld die Lösung, so Lindner. "Unsere Probleme kann man mitunter gar nicht mit Geld lösen, weil es zu langwierige, bürokratische Verfahren sind, weil es die Fach- und Arbeitskräfte sind, die uns fehlen." Auch in der öffentlichen Infrastruktur gebe es noch große Defizite, die man nicht von heute auf morgen lösen könne.
Noch keine Einigung beim Thema Industriestrompreis
Ein Streit innerhalb der Bundesregierung um einen staatlich subventionierten niedrigeren Industriestrompreis ist allerdings weiter ungelöst.
Deutschlands Wirtschaftsleistung war zu Jahresbeginn erneut zurückgegangen, im zweiten Quartal stagnierte sie. Hohe Inflation drückt weiter auf die Konsumstimmung. Der Internationale Währungsfonds hatte Ende Juli seine Erwartungen für die Wirtschaftsentwicklung in Deutschland gesenkt. Demnach wird das Bruttoinlandsprodukt hierzulande in diesem Jahr um 0,3 Prozent schrumpfen.
Nach den jüngsten Streitigkeiten in der Koalition rief Scholz die Kabinettsmitglieder auf, mit einer besseren Kommunikation zum Erfolg der Regierung beizutragen. Er wünsche sich "ein gutes Miteinander" für die Regierung insgesamt, sagte Scholz. Die Regierung habe aus seiner Sicht "eine sehr erfolgreiche Leistungsbilanz".