Debatte über Kindergrundsicherung Scholz kritisiert Streit in der Koalition
Die öffentliche Debatte über die Kindergrundsicherung hat für Unmut bei Kanzler Scholz gesorgt. Auch SPD-Chef Klingbeil kritisierte den Stil in der Ampel-Regierung. Finanzminister Lindner meldete derweil Zweifel am Konzept an.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Ampelkoalition erneut dazu aufgefordert, Meinungsverschiedenheiten nicht öffentlich auszutragen. Beim Tag der offenen Tür der Bundesregierung kritisierte er den jüngsten Konflikt um die Kindergrundsicherung von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) und das Wachstumschancengesetz von Finanzminister Christian Lindner (FDP).
Er freue sich nicht darüber, dass das "nun schon wieder so öffentlich diskutiert worden ist", sagte der Kanzler in einer Fragerunde. Das werde aber nichts daran ändern, das die Koalition aus SPD, Grünen und FDP ihre Projekte weiter vorantreiben werde. "Und vielleicht gewöhnt sich der eine oder andere dann daran, erst dann zu reden, wenn die Verständigungen gelungen sind."
Wegen der noch ungesicherten Finanzierung der Kindergrundsicherung hatte Paus am vergangenen Mittwoch die Verabschiedung des Wachstumschancengesetzes blockiert, mit dem der deutschen Wirtschaft unter die Arme gegriffen werden soll. Scholz rechnet allerdings mit einer raschen Einigung bei der Kindergrundsicherung. "Jetzt geht es darum, den Schlussstein dafür zu setzen. Das wird uns aber schnell gelingen", sagte er.
"Es muss Schluss damit sein"
Bereits am Donnerstag hatte sich SPD-Chef Klingbeil "fassungslos" angesichts des Ampel-Disputs geäußert. Jetzt kritisierte er erneut den konfrontativen Stil in der Bundesregierung. "Es muss einfach Schluss damit sein, dass man sich um sich selbst dreht", forderte er im Sommerinterview im ZDF. "Es muss darum gehen, dass wir die Dinge anpacken, die für die Bürgerinnen und Bürger wichtig sind in diesem Land." Politik müsse nicht immer Konfrontation bedeuten, betonte Klingbeil. "Warum muss Politik denn immer Streit, Auseinandersetzung, Draufhauen, Konflikt sein?"
Er rief die Bundesregierung auf, rasch sowohl über Wirtschaftshilfen als auch die Kindergrundsicherung zu entscheiden. "Ich erwarte, dass das jetzt sehr schnell in der Regierung umgesetzt wird", sagte Klingbeil. Er gehe von einer Entscheidung noch in diesem Monat aus.
Grünen-Chefin Ricarda Lang äußerte sich ähnlich wie Klingbeil. "Das Wachstumschancengesetz und die Kindergrundsicherung werden kommen", sagte sie der Nachrichtenagentur dpa. Sie sei sich sicher, dass die Regierung noch in diesem Monat beides auf den Weg bringen werde. Die Koalitionäre rief sie zur Deeskalation auf. "Ich würde uns allen zu ein bisschen mehr Gelassenheit raten", so Lang.
Lindner sieht Beratungsbedarf
Finanzminister Christian Lindner stieß derweil eine neue Debatte über die inhaltliche Gestaltung der Kindergrundsicherung an. Von Kinderarmut seien vor allem Familien betroffen, die seit 2015 nach Deutschland eingewandert seien, sagte der FDP-Politiker beim Tag der offenen Tür in seinem Ministerium. Er wolle gerne diskutieren, wie man diesen Kindern und Jugendlichen am besten helfen könne.
"Hilft man ihnen am besten dadurch, dass man den Eltern mehr Geld aufs Konto überweist?", fragte Lindner. "Oder ist nicht vielleicht mindestens diskussionswürdig, in die Sprachförderung, Integration, Beschäftigungsfähigkeit der Eltern zu investieren und die Kitas und Schulen für die Kinder so auszustatten, dass sie vielleicht das aufholen können, was die Eltern nicht leisten können?" Genau diese Debatte werde die Ampelregierung führen.
Keine Einigung über Gesetzentwurf
Bei der Kindergrundsicherung sind vor allem Kosten und Umfang strittig. Für das Startjahr 2025 sind derzeit nur zwei Milliarden Euro vorgemerkt, laut Finanzminister als "Platzhalter". Paus hatte zu Beginn zwölf Milliarden, später bis zu sieben Milliarden Euro pro Jahr gefordert. Im Gesetzentwurf soll nach einem Bericht von "Zeit Online" nun von zunächst 3,5 Milliarden Euro im Jahr 2025 die Rede sein.
Laut der Bundesregierung gibt es bislang noch keine Einigung über den Gesetzentwurf. Sowohl der Regierungssprecher als auch die Sprecher des Finanz- und Familienministeriums verwiesen heute auf laufende regierungsinterne Abstimmungen. Sie wollten auch nicht bestätigen, dass Paus mit Kosten von 3,5 Milliarden Euro rechnet.