Klimaschutz und Landwirtschaft Özdemirs Gratwanderung
Bundesagrarminister Özdemir will Klimaschutz, Ernährungssicherung und Friedenspolitik zusammenbringen. Profitieren sollen davon am Ende alle. Aber wie soll das gelingen?
Bundesagrarminister Cem Özdemir will Klimaschutz, Ernährungssicherung und Frieden zusammenbringen. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges und drohender Lebensmittelknappheit auch in Deutschland fordert er harte Sanktionen gegen Russland. Er will, dass weltweit Kleinbauern gestärkt und der Hunger bekämpft wird. Beim Bemühen um den Klimaschutz dürfe nicht nachgelassen werden: "Wir müssen global die Klimakrise bekämpfen, da müssen wir als Industrienation vorangehen", sagte Özdemir dem ARD-Hauptstadtstudio.
Auch in Deutschland ist die Landwirtschaft vom Klimawandel betroffen. Die Getreidequalität leidet unter der Hitze, Dürreperioden und Starkregen wirken sich schlecht auf die Ernten aus. Die Bauern sind auch selbst gefragt, mehr für den Klimaschutz zu tun. Der Anteil der Landwirtschaft an den Treibhausgasemissionen liegt derzeit bei mehr als sieben Prozent. Damit die selbstgesteckten Klimaziele bis 2030 erreicht werden, müssen die Emissionen weiter sinken, um etwa zehn Prozent, wie das Umweltbundesamt errechnet hat.
Eine Win-Win-Situation?
Ein wichtiger Baustein dafür ist laut Agrarminister Özdemir der Ausbau des Ökolandbaus. Bis 2030 soll der Anteil der landwirtschaftlich genutzten Fläche von derzeit knapp über zehn auf 30 Prozent wachsen, darauf haben sich die Ampel-Parteien im Koalitionsvertrag verständigt.
Auch der Umbau der Tierhaltung trägt zum Klimaschutz bei, davon ist Özdemir überzeugt. Das Ziel: weniger Schweine, Rinder und Geflügel in den Ställen, dafür artgerechtere Haltung mit mehr Platz und Auslauf. Eine "Win-Win-Situation" findet der Minister, für das Klima, die Tiere, aber auch für Landwirte und Verbraucher.
Ein staatliches Tierwohllabel auf Fleischprodukten soll Kundinnen und Kunden bei der Kaufentscheidung helfen, geplant ist zudem, Landwirte für den Umbau hin zu mehr tiergerechten Ställen finanziell zu entschädigen. Wie genau, darüber herrscht innerhalb der Ampelkoalition allerdings noch keine Einigung.
Agrarwissenschaftler sieht großen Handlungsbedarf
Um das Klima zu schützen, plädiert auch Harald Grethe für eine andere Tierhaltung. Grethe ist Agrarökonom an der Berliner Humboldt-Universität. Insgesamt müsse zudem der Fleischkonsum gesenkt werden, sagte er dem ARD-Hauptstadtstudio. Grethe fordert einen "Politik-Mix". Dazu gehören seiner Meinung nach mehr pflanzliche Nahrungsmittel in Gemeinschaftseinrichtungen und in der Kita- und Schulverpflegung. Auch sollte der Mehrwertsteuersatz für tierische Produkte erhöht und der Steuersatz auf pflanzliche Produkte gesenkt werden.
Zentral für den Klimaschutz ist auch der Moorschutz, macht Özdemir deutlich. Auch Agrarwissenschaftler Grethe sieht großen Handlungsbedarf - für ihn ist der Schutz der Moore sogar noch wichtiger als der Ausbau des Ökolandbaus. Moore gelten als große Kohlenstoffspeicher. Allerdings tragen sie derzeit oftmals zum CO2 Ausstoß bei: Zahlreiche Moore sind trockengelegt und werden landwirtschaftlich genutzt. Um Moore wieder zu vernässen und damit CO2 einzusparen, hat die Bundesregierung bereits Förderprogramme auf den Weg gebracht.
Wie realistisch sind die Ziele?
Moore schützen, aber auch weiterhin landwirtschaftlich nutzen, dafür plädiert der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied. Er will, dass Betriebe nicht aus Moorgebieten verdrängt werden. Insgesamt seien die Landwirte bereit, nachhaltiger zu wirtschaften, sagt er, bei der Tierhaltung, und auch beim Ackerbau. "Wir setzen auf technische Möglichkeiten", sagt Rukwied, damit Böden zum Beispiel effizienter gedüngt und wasserschonender bearbeitet werden. Auch die Digitalisierung spielt laut Rukwied eine wichtige Rolle. Grundsätzlich zeigt sich der Verbandspräsident zuversichtlich, die Klimaziele in der Landwirtschaft zu erreichen.
Agrarwissenschaftler Grethe ist hingegen verhalten optimistisch. Die Politik habe zwar bereits kleine Schritte gemacht, sagt er, noch aber gebe es große Baustellen. Der Umbau der Tierhaltung und die Wiedervernässung der Moore etwa erfordere "Mut zur politischen Gestaltung und Mut zur Formulierung von mittel- und langfristigen Strategien". Denn beides seien Aufgaben, die "mehrere Legislaturperioden" umfassen würden. Grethe betont, nur mit langfristigen Strategien könnten die Klimaziele in der Landwirtschaft eingehalten werden. Das sei schließlich auch wichtig für die Ernährungssicherung.