Nach Scholz-Vorstoß Lindner will keinen höheren Mindestlohn
Wenn es nach dem Bundeskanzler ginge, sollte der Mindestlohn schrittweise auf 15 Euro steigen. Doch die Rechnung hat Scholz ohne Finanzminister Lindner gemacht: Dieser erteilte der Forderung eine unmissverständliche Absage.
Bundesfinanzminister Christian Lindner hat den Vorstoß von Bundeskanzler Olaf Scholz, den gesetzlichen Mindestlohn anzuheben, zurückgewiesen. Der FDP-Vorsitzende sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, es sei legitim, dass sich auch der Bundeskanzler als Wahlkämpfer betätige. "Der Koalitionsvertrag für diese Legislaturperiode regelt aber klar, dass die Lohnfindung keine Sache der Parteien ist". Auf Dauer würde es für Arbeitsplätze gefährlich, wenn sich die Politik hier einmische.
Lindner übte generelle Kritik am Auftreten des Koalitionspartners SPD. "Die SPD macht fortwährend Vorschläge, die nicht zum Koalitionsvertrag für diese Legislaturperiode passen", sagte er. "Das einzig Neue ist, dass sich daran nun auch der Kanzler beteiligt. Ich hoffe, dass damit nun auch die gespielte Empörung der SPD endet, wenn die FDP eigenständig Ideen vorträgt."
Kritik auch von der CDU
Scholz hatte sich dafür ausgesprochen, den Mindestlohn zunächst auf 14 Euro und dann auf 15 Euro zu erhöhen. Die Lohnuntergrenze liegt seit Anfang 2024 bei 12,41 Euro, für Anfang 2025 ist gemäß der Festlegung der Mindestlohnkommission von Arbeitgebern und Gewerkschaften aus dem vergangenen Jahr eine weitere Anhebung um 41 Cent geplant.
Ähnlich wie Lindner argumentierte bei ihrer Kritik an dem Vorstoß des Kanzlers auch die Vorsitzende der CDU-Mittelstandsvereinigung, Gitta Connemann. Im Deutschlandfunk sagte sie, man dürfe eine solche Diskussion nicht auf Wahlplakaten führen, damit opfere man das Thema Mindestlohn dem Populismus. Lohnfindung sei keine Aufgabe der Politik, das habe der Kanzler offenbar nicht verstanden. Sinnvoller als eine Anhebung des Mindestlohns sei eine Reduzierung von Steuern und Abgaben, betonte Connemann.
Kühnert gegen politische Festsetzung
Auch wenn sich in den vergangenen Wochen aus den Reihen von SPD, aber auch der Grünen und Gewerkschaften die Forderungen nach einem Mindestlohn von 15 Euro häuften - auch innerhalb der Sozialdemokraten gibt es Stimmen, die eine politische Festsetzung für falsch halten.
So sprach sich SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert strikt dagegen aus. "Die Mindestlohnkommission ist und bleibt der prädestinierte Ort, um über die Weiterentwicklung des Mindestlohns zu entscheiden", sagte Kühnert dem Tagesspiegel. "Jedoch können diese Entscheidungen nur Akzeptanz finden, wenn sie im Konsens von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gefunden wurden - so wie in jeder guten Tarifverhandlung." Das sei zuletzt nicht der Fall gewesen, fuhr Kühnert fort. Bei der zuletzt für Anfang 2025 festgelegten Anpassung waren die Arbeitnehmervertreter von der Arbeitgeberseite überstimmt worden.
Kühnert hatte sich bereits Ende April ebenfalls für eine Anhebung des Mindestlohns ausgesprochen: "Ich habe eine unmissverständliche Erwartung an die Mindestlohnkommission: Sie muss beim nächsten Mal eine deutliche Erhöhung vorschlagen", sagte er damals der Stuttgarter Zeitung.
Unabhängige Mindestlohnkommission
Die unabhängige ständige Mindestlohnkommission ist vom Gesetzgeber damit beauftragt, den Mindestlohn anzupassen. Das Gremium besteht aus einem Vorsitzenden und sechs stimmberechtigten Mitgliedern sowohl von der Arbeitnehmer- als auch der Arbeitgeberseite sowie zwei beratenden Mitgliedern aus der Wissenschaft ohne Stimmrecht.
Zu ihren Entscheidungskriterien schreibt die Kommission: "Für die Entscheidung über die Anpassung des Mindestlohns prüft die Mindestlohnkommission in einer Gesamtabwägung, welche Höhe des Mindestlohns geeignet ist, zu einem angemessenen Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beizutragen, faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen zu ermöglichen und Beschäftigung nicht zu gefährden."