Klingbeil zu Flüchtlingspolitik "Es gibt keine Zaubermaßnahme"
In der Migrationsdebatte hat SPD-Chef Klingbeil vor Scheinlösungen und Populismus gewarnt. Kanzler Scholz stellte zusätzliche Maßnahmen in Aussicht. Und auch Vizekanzler Habeck zeigt sich kompromissbereit.
Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil hat den Kritikern der Ampel-Migrationspolitik Populismus vorgeworfen. "Ich weigere mich, so zu tun, als gäbe es die eine Zaubermaßnahme. Das liefert eine populistische Schlagzeile, führt aber nicht dazu, dass auch nur ein Mensch weniger nach Deutschland kommt," sagte er der "Bild am Sonntag".
Er sprach sich für schnellere Verfahren aus, damit Flüchtlinge Klarheit haben, ob sie bleiben und hier arbeiten können - oder wieder gehen müssen. Es sollten mehr Migrationsabkommen mit Herkunftsländern geben, und Schleuser müssten besser bekämpft werden.
Auch die Überlegung von Bundesinnenminister Nancy Faeser, die Grenzen zu Tschechien und Polen stärker zu kontrollieren, sei "genau richtig".
Gleichzeitig betonte Klingbeil, dass Deutschland dringend die Zuwanderung von Fachkräften brauche: "Damit sie zu uns kommen und auch hier bleiben wollen, müssen wir an unserer Willkommenskultur für Fachkräfte arbeiten."
Scholz spricht von Zusatzmaßnahmen
Gestern hatte Bundeskanzler Olaf Scholz mögliche zusätzliche Maßnahmen zur Begrenzung der Migration in Aussicht gestellt. "Das sind sehr viele, die nach Europa und nach Deutschland kommen, und die Zahl hat dramatisch zugenommen", sagte er bei einer SPD-Kundgebung in Nürnberg.
Scholz bekannte sich zum Grundrecht auf Asyl, mahnte aber auch effektivere Abschiebungen an. Mit Blick auf mögliche Grenzkontrollen erklärte er, man werde je nach Lage "an den Grenzen möglicherweise weitere Maßnahmen ergreifen müssen, zum Beispiel an der polnischen". Von dort kommen derzeit vermehrt Migranten nach Deutschland.
Scholz nannte die Lage angesichts gestiegener Zahlen "schwierig". "Deutschland bekennt sich zum Asylrecht", betonte er. Wer komme und sich nicht auf Schutzgründe berufen könne oder Straftaten begangen habe, müsse aber zurückgeführt werden.
Merz: "Wir müssen dieses Problem lösen"
CDU-Chef Friedrich Merz hatte Scholz zuvor aufgefordert, bei dem Thema mit der Union eine Lösung zu suchen. "Ich biete Ihnen an: Lassen Sie uns das zusammen machen, und wenn Sie das mit den Grünen nicht hinbekommen, dann werfen Sie sie raus, dann machen wir es mit Ihnen - aber wir müssen dieses Problem lösen", sagte er beim CSU-Parteitag in München.
Hessens Vizeministerpräsident Tarek Al-Wazir sprach von schwierigen, aber auch unumgänglichen Entscheidungen. Wer am Ende eines Verfahrens kein Bleiberecht habe, müsse das das Land wieder verlassen, sagte der Grünen-Spitzenkandidat bei der bevorstehenden Landtagswahl dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Auch das müssen wir durchsetzen, wenn wir das Asylrecht schützen wollen."
Lindner für Wende in Migrationspolitik
FDP-Parteichef und Finanzminister Christian Lindner begrüßte die Bereitschaft der CDU und auch der Grünen zur Zusammenarbeit in Migrationsfragen. "Wir brauchen eine Wende in der Migrationspolitik wie den Asylkompromiss Anfang der 1990er Jahre", schrieb Lindner im Kurznachrichtendienst X, ehemals Twitter. "Ich begrüße, dass sowohl Robert Habeck als auch Friedrich Merz dies offenbar genauso sehen."
Auch Vizekanzler Robert Habeck hatte sich zuvor für breit getragene Reformen in der Migrationspolitik ausgesprochen. Er sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, alle "demokratischen Parteien" seien verpflichtet, "bei der Suche nach Lösungen zu helfen".
Bei den Grünen sei das "ein neuer Schritt", schrieb Lindner dazu. "Wir sollten die Gelegenheit nutzen. Denn für Veränderungen, die das Grundgesetz betreffen könnten, brauchen wir einen übergreifenden Konsens."
Kommunen warnen vor Überlastung
Aus Ländern und Kommunen kamen zuletzt zunehmende Warnungen vor einer Überlastung. Bis Ende August registrierte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mehr als 204.000 Erstanträge auf Asyl - ein Plus von 77 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Dazu kommt, dass wegen des russischen Kriegs mehr als eine Million Menschen aus der Ukraine in Deutschland Schutz suchten, die keinen Asylantrag stellen müssen.