Landtagswahl in Niedersachsen Was wollen Grüne, FDP und AfD?
Die politischen Ziele von Grünen, FDP und AfD in Niedersachsen könnten unterschiedlicher kaum sein. Wofür stehen die Parteien und wer tritt da eigentlich an?
Strategin, keine Sprinterin: Julia Willie Hamburg, Grüne
Julia Willie Hamburg hat sich gegen das Rennen um die Staatskanzlei entschieden. Dabei kam die Partei der 36-jährigen Hannoveranerin in Umfragewerten zwischenzeitlich auf mehr als 20 Prozentpunkte. Doch Julia Willie Hamburg gilt als Langstreckenläuferin, nicht als Sprinterin. Parteimitglieder beschreiben sie als klugen Kopf, der besonnen überlegt, Momente genau abwägt - aber manchmal mache sie eben auch nicht genug Wind um ihre eigene Person.
Das macht sich bemerkbar: Obwohl die Grünen in Niedersachsen zugelegt haben - bei der Landtagswahl 2017 kamen sie gerade mal auf 8,7 Prozent - kennen viele Menschen Spitzenkandidatin Hamburg nicht. Vermutlich liegt das auch daran, dass sie keinen leichten Start in ihrer Rolle als Spitzenpolitikerin hatte.
Julia Willie Hamburg: Die Grünen lagen zwischenzeitlich bei mehr als 20 Prozent - büßten aber wieder ein.
Als sie im März 2020 den Fraktionsvorsitz im Landtag übernimmt, beginnt gerade die Pandemie. Statt überall durchs Land zu reisen, werden politische Debatten ins Homeoffice verlegt. Doch Hamburg kämpft sich frei: Die Bildungspolitikerin wird schnell zur starken Stimme der Opposition. "Unsere Aufgabe ist es, den Finger in die Wunde zu legen", sagt sie.
Hamburg ist aber auch Strategin, sie hat schon lange einen genauen Plan, wie die Grünen zum Teil der Regierung werden sollen. "Ich würde sehr gerne mitentscheiden können. Es ist manchmal sehr frustrierend, einfach dazusitzen und zu wissen, dass man Sachen anders machen würde", machte die Grüne vor einem Jahr deutlich. Inzwischen kommen die Grünen in Umfragewerten nur noch auf 16 Prozent. Vielleicht liegt sie richtig mit ihrer Einschätzung, der Kampf um die Staatskanzlei sei verfrüht, ganz sicher wartet sie aber geduldig auf den richtigen Moment.
Oft nüchtern, meist kritisch: Stefan Birkner, FDP
Stefan Birkner ist unaufgeregt und ruhig. Auch dann, wenn er in diesen Tagen davon spricht, dass der Wahlkampf an seinen Nerven zerre. So ist der FDP-Politiker eben, stets sachlich, oft nüchtern - meist kritisch.
In den vergangenen fünf Jahren traf das vor allem seinen Umgang mit dem Kurs der schwarz-roten Landesregierung zu. Klar, als Oppositionsfraktion ist ein kritischer Blick wichtig. Doch bei dem 49-jährigen Juristen geht es häufig auch um das Rechtsverständnis der GroKo.
FDP-Politiker Stefan Birkner: Vernichtendes Urteil für die Corona-Politik des Landes
Zu Beginn der Pandemie klagt die FDP gemeinsam mit den Grünen gegen die Kommunikation der Landesregierung. Der Staatsgerichtshof gibt ihnen Recht. Birkner legt weiter den Finger in die Wunde, kritisiert viele Regeln, die am Ende auch vom Verwaltungsgericht in Lüneburg kassiert werden.
Doch nicht nur die Corona-Politik bekommt vom FDP-Politiker ein vernichtendes Urteil - die gesamten fünf Jahre rot-schwarze Landesregierung beschreibt er als "Stillstand". Birkner will deshalb Teil der künftigen Landesregierung sein. Zwar seien die Schnittmengen mit der CDU immer noch am größten, allerdings weiß er auch, dass eine Ampel-Koalition in Niedersachsen vermutlich die wahrscheinlichste Option ist, um dieses Vorhaben umzusetzen.
Da will er die FDP in eine Rolle bringen, "in der Modernisierung, in der Vernunft und in der Zielstrebigkeit und Ehrgeiz einen Platz finden". Es dürfe nicht nur um grüne Ideologie gehen, sagt der Schwippschwager von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Wahlkampf. Gleichzeitig war aber auch er es, der seit der vergangenen Landtagswahl das Verhältnis zu den Grünen gestärkt hat.
Der Einzug der Liberalen steht allerdings auf der Kippe: Nach der jüngsten Umfrage von Infratest dimap für den NDR kommt die FDP gerade einmal auf fünf Prozent. Für die Liberalen könnte der Einzug in den Landtag bis zuletzt eine Zitterpartie bleiben.
Ein Gemäßigter, der austeilen kann: Stefan Marzischewski-Drewes, AfD
Stefan Marzischewski-Drewes ist für viele Niedersachsen vermutlich noch nicht so bekannt - denn der AfD-Politiker wurde relativ überraschend zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl. Im Wahlkampf muss er sich deshalb stärker vermarkten als die Spitzenkandidierenden der anderen Parteien.
Der 57-jährige Radiologe aus Gifhorn gilt als gemäßigt. Er tritt bodenständig und sortiert auf. Damit unterscheidet er sich von vielen niedersächsischen Parteimitgliedern. Deren Impulsivität hat der AfD turbulente Zeiten beschert - Auflösung der Fraktion, Zerschlagung der Parteispitze. Doch auch Marzischewski-Drewes kann austeilen - in internen Sitzungen schießt er zum Teil massiv gegen seine politischen Gegnerinnen und Gegner, heißt es. Doch im persönlichen Kontakt mit den Menschen gibt er sich ruhig: "Einen Hund, der immer nur bellt, nimmt keiner ernst."
Stefan Marzischewski-Drewes: "Einen Hund, der immer nur bellt, nimmt keiner ernst", sagt der AfD-Politiker.
Marzischewski-Drewes hat es im Wahlkampf nicht leicht. Er stößt zwar auch auf Zustimmung, aber kommt es zu Ablehnung, ist die umso deutlicher. Weit verbreitet ist die Überzeugung, unter den AfD-Mitgliedern seien Nazis vertreten. So richtig verneinen kann der Spitzenkandidat das nicht. "Sie verlangen von mir etwas auszuschließen, was ich nicht kann", sagt er auf die Frage, ob er von Mitgliedern wisse, die der rechtsextremen Szene nahestehen.
Die AfD Niedersachsen wird wegen Kontakten und Verbindungen zu rechtsextremen Organisationen vom Verfassungsschutz beobachtet. Marzischewski-Drewes sieht dafür keinen Anlass. Er ist davon überzeugt, es handele sich um "einen Missbrauch staatlicher Organisation".