Automatisierte Datenauswertung Darf die Polizei Data-Mining betreiben?
In Hessen und Nordrhein-Westfalen setzt die Polizei eine Software ein, die großflächig Daten auswertet - um Straftaten vorzubeugen. Doch ist das erlaubt? Darüber entscheidet das Bundesverfassungsgericht.
Im Kern geht es um ein spezielles Computerprogramm, das der Polizei helfen soll, geplante Straftaten frühzeitig zu erkennen und zu verhindern. Um das zu ermöglichen, arbeitet die Software mit großen Datenmengen.
In der Praxis muss man sich das so vorstellen: In einem ersten Schritt wird die Software mit einer sehr großen Anzahl von unterschiedlichen Daten gefüttert. Das sind Informationen, die die Polizeibehörden selbst gesammelt und in unterschiedlichen Datenbanken abgespeichert haben. Das können Angaben zu bereits begangenen Straftaten sein - etwa über die Täter, Opfer oder Zeugen; oder Daten über verdächtige Personen und ihr Umfeld.
Das Computerprogramm analysiert dann diese Daten und spuckt am Ende ein bestimmtes Lagebild aus. Die polizeilichen Daten, die die Software verarbeitet, können theoretisch auch ergänzt werden: etwa mit Daten von anderen Behörden, oder mit Daten von sozialen Netzwerken wie Facebook oder Instagram.
Kritik von Datenschützern und Bürgerrechtlern
Die Polizei in Hessen arbeitet bereits mit einer solchen Software, auch die Polizei in Nordrhein-Westfalen. In Hamburg gibt es ein Landesgesetz, das den Einsatz der Software erlaubt. Auch Bayern will sie einsetzen. Diese relativ neue Form der automatisierten Datenauswertung hat Bürgerrechtler und Datenschützer alarmiert. Sie sehen die Gefahr, dass der Datenschutz auf der Strecke bleibt.
Das befürchtet auch Sarah Lincoln, Juristin bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte. "Das ist nicht nur eine reine Sichtung von Daten. Sondern das passiert mit selbstlernenden Algorithmen, die neue Erkenntnisse zu Tage fördern. Das ist ein Eingriff von besonderem Gewicht, der über das rein händische Auswerten von Daten weit hinausgeht."
Geklagt hatten unter anderem Journalistinnen und eine Strafverteidigerin, die von der Gesellschaft für Freiheitsrechte unterstützt werden. Sie befürchten, dass auch sie aufgrund ihrer Arbeit ins Visier der Strafverfolgungsbehörden geraten. Dies halten sie für verfassungswidrig.
"Als Rechtsanwältin steht man beispielsweise mit vielen Mandaten in Kontakt, die im Visier der Polizei sind. Journalisten sprechen mit Leuten, wenn sie recherchieren", sagt Lincoln. "All diese Kontakte stellen Querverbindungen her, weil sich die Polizei eben anzeigen lassen kann: Mit wem stand jemand in Verbindung? Wer wohnt im gleichen Haus? Wer war auf der gleichen Versammlung?"
Vereinbar mit Grundrechtsschutz?
So könnten letztlich Persönlichkeitsprofile erstellt werden - von unbescholtenen Bürgerinnen und Bürgern. Dies verstoße gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, so die Kläger. Während der mündlichen Verhandlung im vergangenen Dezember hatte der hessische Innenminister Peter Beuth CDU den Einsatz der Software verteidigt.
Das Land Hessen ist Vorreiter, dort wird die Software seit 2017 eingesetzt. "Wir brauchen eine Analyseplattform, mit der wir die vorhandenen, bei der Polizei bereits gespeicherten Daten besser zusammenstellen zu können, lesen und analysieren zu können. Um dann Gefahren für die Bevölkerung abwenden zu können." Als Beispiel nannte Beuth Terroranschläge, die sich mit Hilfe der Software verhindern lassen könnten.
Nun wird das Bundesverfassungsgericht entscheiden, ob die Polizei das Computerprogramm weiterhin einsetzen darf. Dass die Richterinnen und Richter den Einsatz komplett verbieten werden, dürfte nach dem Verlauf der Verhandlung im Dezember unwahrscheinlich sein. Höchstwahrscheinlich werden sie aber gesetzliche Änderungen und Ergänzungen einfordern, damit der Grundrechtsschutz gewährleistet bleibt.