BVerfG zu Polizeisoftware Gesetzgeber muss Datenanalyse verbessern
Das Bundesverfassungsgericht hat Regelungen in Hessen und Hamburg zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung für verfassungswidrig erklärt. Konkret geht es um eine Software, mit der Daten automatisiert weiterverarbeitet werden.
In Hessen arbeitet die Polizei seit 2017 mit einer speziellen Software, die dabei helfen soll, Straftaten zu verhindern. Sie nennt sich "hessenDATA". Sie wird jedes Jahr tausendfach eingesetzt. Dabei wird das Computerprogramm mit vielen Informationen gefüttert, die aus polizeilichen Datenbanken stammen. Die Software wertet diese aus und liefert der Polizei ein Lagebild. Auch in Hamburg ist die Software erlaubt, wird aber noch nicht eingesetzt.
Gegen den Einsatz der Software hatten unter anderem Journalistinnen und eine Strafverteidigerin geklagt. Sie befürchten, dass sie aufgrund ihrer Arbeit ins Visier der Strafverfolgungsbehörden geraten könnten. Dies gelte auch für andere unbescholtene Personen. Das halten sie für verfassungswidrig.
Verstoß gegen Persönlichkeitsrecht
Das Bundesverfassungsgericht gab ihnen Recht. Die gesetzlichen Vorschriften in Hessen und Hamburg für den Einsatz der Software seien mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, so Stephan Harbarth, Präsident des Bundesverfassungsgerichts:
Die Vorschriften verstoßen gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz in seiner Ausprägung als informationelle Selbstbestimmung. Die betroffenen Landesgesetzgeber haben indes die Möglichkeit, die gesetzlichen Grundlagen der Weiterverarbeitung gespeicherter Datenbestände mittels automatisierter Datenanalyse oder Datenauswertung verfassungsgemäß auszugestalten.
Software grundsätzlich zulässig, aber ...
Das heißt: Das Bundesverfassungsgericht hält den Einsatz der Software grundsätzlich für zulässig, aber nicht so, wie es in Hessen und Hamburg gesetzlich geregelt ist. "Die angegriffenen Befugnisse lassen die automatisierte Verarbeitung unbegrenzter Datenbestände mittels rechtlich nicht eingegrenzter Methoden zu", so Harbarth weiter.
Bisher durfte die Polizei in Hessen und Hamburg die Software nahezu unbegrenzt einsetzen, um der Begehung von Straftaten vorzubeugen. Das gehe zu weit, so das Verfassungsgericht. Es verwies dabei unter anderem auf die technischen Möglichkeiten. So sei es denkbar, dass von Bürgerinnen und Bürgern Persönlichkeitsprofile erstellt werden - also neue Informationen darüber gewonnen werden, wo sich jemand aufhält, mit wem er zu tun hat, was seine Vorlieben sind.
Software-Nutzung nur mit Einschränkungen
Deshalb fordert das Gericht starke Einschränkungen beim Einsatz. Die Faustregel: Je stärker in die Persönlichkeitsrechte von Betroffenen eingegriffen wird, desto strenger sind die Anforderungen.
Werden etwa Persönlichkeitsprofile erstellt, geht das nur, wenn es eine "hinreichend konkretisierte Gefahr" für besonders wichtige Rechtsgüter gibt - etwa für Leib oder Leben von anderen Menschen. Wenn die Polizei also beispielsweise konkrete Hinweise hat, dass jemand einen Terroranschlag plant.
Gesellschaft für Freiheitsrechte begrüßt Entscheidung
Unterstützt wurden die Klägerinnen und Kläger von der Gesellschaft für Freiheitsrechte. Deren Anwalt Bijan Moini ist mit der Entscheidung sehr zufrieden: "Die Gesellschaft für Freiheitsrechte ist sehr froh, dass das Bundesverfassungsgericht die automatisierte Datenauswertung begrenzt hat. Dieses Urteil weist in die Zukunft und wird die falschen Verdächtigungen von Menschen stark reduzieren."
Nach dem Urteil ist die gesetzliche Regelung in Hamburg nichtig. Hessen hat bis Ende September Zeit, sie nachzubessern. Auch andere Bundesländer werden das Urteil sorgfältig studieren müssen. So wird die Software auch in Nordrhein-Westfalen eingesetzt. Bayern will sie demnächst der Polizei zur Verfügung stellen.
Aktenzeichen: 1 BvR 1547/19 und 1 BvR 2634/20