Ex-Bundesverkehrsminister Der leise Abschied des Andreas Scheuer
Andreas Scheuer hat sich als Bundesverkehrsminister nicht immer beliebt gemacht - auch in der eigenen Partei. Nun gibt er sein CSU-Spitzenamt ab. Zieht es ihn bald in die Wirtschaft? Von Achim Wendler.
Andreas Scheuer hat sich als Bundesverkehrsminister nicht immer beliebt gemacht - auch in der eigenen Partei. Nun gibt er sein CSU-Spitzenamt ab. Zieht es ihn bald in die Wirtschaft?
Andreas Scheuer ist in München unterwegs, hörbar in Eile, aber gut gelaunt: "Ich treffe gleich den Generalkonsul Indiens", ruft er ins Telefon. Überhaupt habe er "gerade viel zu tun", am vergangenen Wochenende die Münchner Sicherheitskonferenz, "da habe ich zahlreiche bilaterale Gespräche geführt". Eine Reise steht auch an, er habe "viele Einladungen, beispielsweise nach Japan, Kambodscha oder Singapur". Seit vorigem Jahr ist Scheuer Präsident des Vereins Asienbrücke.
Den Verdacht, er sei womöglich gelangweilt ohne Ministeramt, lässt Scheuer nicht aufkommen. Asien, Start-ups, der "Wirtschaftsstandort Deutschland und Bayern" - das ist seine neue Welt.
"Das Bedauern hält sich in Grenzen"
Demnächst wird er dafür noch mehr Zeit haben: Den Vorsitz der CSU Niederbayern gibt Scheuer ab, bei der nächsten regulären Vorstandswahl im Juli tritt er nicht mehr an. "Eine persönliche Entscheidung, die ich schon lange getroffen habe", beteuert er. An der Spitze des CSU-Bezirks müsse "eine Person stehen, die in Staat oder Parlament eine herausgehobene Position hat". Schon beim Politischen Aschermittwoch der CSU in Passau, seiner Heimat, wird Scheuer nicht mehr als Gastgeber auf der Bühne stehen, sondern sein designierter Nachfolger, Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter. Der Aschermittwoch sei "eine gute Startrampe" für Bernreiter.
Scheuer legt Wert darauf, dass er nicht gedrängt worden sei, den Bezirksvorsitz aufzugeben. Das dürfte stimmen - aber vor allem deshalb, weil er es nicht so weit kommen ließ, gedrängt werden zu müssen. Dass seine Zeit als christsozialer Regionalfürst zu Ende ist, zeigen alle Gespräche, die man in der Partei dazu führt. "Das Bedauern hält sich in Grenzen", sagt einer, der die niederbayerische CSU lange und gut kennt. Es fallen auch härtere Sätze. Hätte Scheuer es auf eine Kampfabstimmung ankommen lassen gegen Bernreiter, den Spitzenkandidaten der Niederbayern-CSU für die anstehende Landtagswahl, er hätte deutlich verloren.
Seit Pkw-Maut angezählt
Angezählt ist Scheuer nicht erst seit der Abwahl der Union im Herbst 2021, seit dem Verlust seines Ministeramts. Sondern schon seit Juni 2019, als der Europäische Gerichtshof die Pkw-Maut kippte. Zur ganzen Geschichte gehört zwar, dass das Mautkonzept von seinem Amtsvorgänger Alexander Dobrindt ausgetüftelt worden war, dass Kabinett wie Bundestag dem Konzept zugestimmt hatten. Aber Scheuer hatte nun mal die Verträge unterschrieben, also klare Sache, wo die politische Verantwortung lag. Seither prasselten Rücktrittsforderungen auf ihn ein. Scheuer machte weiter, oft erkennbar genervt, aber unbeirrt.
Möglicherweise hätte Markus Söder ihn ja ausgewechselt. Anfang 2020 raunte der CSU-Chef, Umfragewerte einzelner Personen seien "bei uns immer ein Gradmesser". Scheuer stand mies da: Zwei Drittel der Deutschen waren damals unzufrieden mit ihm, laut ARD-Deutschlandtrend sah ihn sogar eine Mehrheit der CSU-Anhänger kritisch. Wie sehr seine Basis daheim bröckelte, zeigte der Politische Aschermittwoch der CSU im Februar 2020. In den Beifall für Gastgeber Scheuer mischten sich Pfiffe und Buhrufe, Söder riss einen Witz auf Kosten vom "Andi". Dann aber kam Corona, politische Stabilität war angesagt, das Bundeskabinett blieb unverändert.
CSU-Chef Söder witzelte, hielt aber doch zu Scheuer.
Ein Lehrstück des Machterhalts
Auch die niederbayerische CSU hielt, bei allem Maut-Verdruss, zu Scheuer. Bei ihrer letzten Vorstandswahl im Sommer 2021 bestätigten ihn sogar deutlich über 80 Prozent der Delegierten. Bis heute halten sie ihm zugute, er habe als Minister für seine Heimat viel erreicht. Klar, das erwarten CSU-Mitglieder von CSU-Bundesministern immer. Aber Scheuer gelang es offenbar so gut, dass ein Parteifreund schwärmt: "Er war ein Verkehrsminister für Bayern und Niederbayern."
Dennoch, das stärkste Motiv für Scheuers Wiederwahl 2021 dürfte Disziplin gewesen sein. Es war ein kleines Lehrstück des Machterhalts: Die Bundestagswahl stand bevor, Scheuer war immerhin amtierender Bundesminister. Als solcher und als CSU-Bezirkschef war er kurz zuvor Drittplatzierter der CSU-Landesliste für die Bundestagswahl geworden. Genau deshalb wurde er nun wiederum als Bezirkschef bestätigt. Stützen oder stürzen. Scheuers Rollen stabilisierten sich gegenseitig.
Wo zieht es Scheuer nun hin?
Das ist nun vorbei. Die Frage ist, welche Rolle Politik in Scheuers Leben überhaupt noch spielen wird. Wenn die CSU Niederbayern im Juli einen neuen Vorsitzenden wählt, ist für Scheuer nach sieben Jahren Schluss. Erst das Minister-, jetzt das Parteiamt. Bleibt das Mandat im Bundestag, bis 2025 ist es ihm sicher. Ein Abschied auf Raten?
Es gibt das Gerücht, Scheuer plane einen Wechsel in die Wirtschaft. Dafür spricht sein demonstratives Engagement für junge Unternehmen, für die "Außenrepräsentation von Deutschland und Bayern", mit der er "nicht zufrieden" sei. Von der Verkehrspolitik zu Wirtschaftsthemen - aus seiner Sicht ist das kein großer Sprung. Das Verkehrsministerium sei immerhin "das größte Innovationsministerium", also "Wirtschaftspolitik pur", laut Scheuer.
Dass er seine Pflicht im Bundestag und in der Landesgruppe erfüllt, bestreitet niemand. Nach wie vor sei er "einer unserer hellsten Köpfe", sagt eine Fraktionskollegin. "Aber er äußert sich nur noch selten." Scheuer selbst sagt am Telefon: "Wer mich kennt, weiß, ich bin und bleibe ein sehr politischer Mensch." Er habe noch "sehr viel vor". Politiker muss man dafür nicht unbedingt sein.