Grünen-Chef über Merz "Er redet das Land faul"
Der Grünen-Vorsitzende Nouripour hat mit deutlichen Worten auf die Kritik von CDU-Chef Merz reagiert, die Ampel bestrafe mit ihren Sozialreformen Leistung. Merz hatte vor einem Überbietungswettbewerb bei Transferleistungen gewarnt.
Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour hat Äußerungen von CDU-Chef Friedrich Merz zur Leistungsbereitschaft in Deutschland zurückgewiesen. "Die Ausführungen von Herrn Merz waren ehrlich gesagt bedrückend, aber nicht überraschend", sagte Nouripour in Nürnberg, wo sich der Bundesvorstand seiner Partei zu einer Klausur traf.
"Es ist nicht das erste Mal, dass er das Land schlecht redet," so der Grünen-Politiker. "Jetzt redet er das Land auch noch faul." Und er stelle infrage, dass es zu wenig Leistungsbereitschaft gebe. "Das ist eine neue Dimension, die niemandem hilft, erst recht dem Land nicht hilft", sagte Nouripour.
Heil wirft Merz unredliche Kritik vor
Auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil widersprach den Aussagen von Merz. "Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass der Sozialstaat das Existenzminimum verlässlich absichern muss", sagte der SPD-Politiker der Nachrichtenagentur dpa. "Deshalb ist es unredlich, Menschen, die wenig verdienen, gegen diejenigen auszuspielen, denen noch weniger Mittel zur Verfügung stehen."
Das Bürgergeld sichere das Existenzminimum ab - "nicht mehr und nicht weniger", betonte Heil. Und dessen jüngste Erhöhung sei eine Folge der Inflation.
Merz: Bundesregierung bestraft Leistung
Unionsfraktionschef Merz hatte angesichts schlechter Wirtschaftsdaten eine Grundsatzdebatte gefordert. "Wir müssen über die grundsätzliche Haltung in unserem Land reden: Sind wir noch bereit, uns für unseren Wohlstand und unsere Alterseinkommen anzustrengen", sagte der CDU-Vorsitzende den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Merz ergänzte: "Eines ist jedenfalls klar: Unser Wohlstand lässt sich nicht mit bedingungslosem Grundeinkommen und Vier-Tage-Woche bei vollem Gehalt aufrechterhalten." Er antwortete auf den Einwurf, ob er frage, ob die Deutschen faul geworden seien: "Das ist keine Frage der Faulheit." Deutschland habe eine schlechte Regierung, die Leistung bestrafe. "Wer den Eindruck bekommt, dass es keinen Unterschied macht, ob er mehr oder weniger arbeitet, wird sich weniger anstrengen."
Im ARD-Morgenmagazin sagte Merz, diejenigen, die arbeiten, müssten netto mehr in der Tasche haben als die, die soziale Transferleistungen bekommen. "Wir sollten uns nicht in Transferleistungen überbieten", sondern an diejenigen denken, die "in den unteren und mittleren Einkommensgruppen" unterwegs seien.
Kindergrundsicherung Anfang der Woche beschlossen
Nach monatelangem Streit hatten Arbeitsminister Hubertus Heil, Finanzminister Christian Lindner und Familienministerin Lisa Paus am Montag die Einigung auf die Kindergrundsicherung gemeinsam verkündet. Heil nannte die Kindergrundsicherung neben der Bürgergeld- und der Wohngeldreform "das dritte große Reformvorhaben der Bundesregierung". Es zeige, dass sich alle Generationen auf den Sozialstaat verlassen könnten.
Auch Lindner sprach von einem "guten Ergebnis", setzte aber andere Akzente als der SPD-Politiker Heil und die Grüne Paus. Ihm sei es wichtig, dass die Reform "Erwerbsanreize" setze, betonte der FDP-Chef. Und schob direkt eine Art "Sozialreform-Stoppschild" hinterher: Angesichts der Kosten, die die Kindergrundsicherung verursache, werde sich der Bund absehbar keine weitere große Sozialreform mehr leisten können.
Djir-Saraij: Keine weitere Umverteilung
Auch FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai bekräftigte, dass es angesichts von Inflation und hohen Zinsen, nicht um eine Ausweitung des Sozialstaats gehen könne. Eine "weitere Umverteilung" dürfe es nicht geben, vielmehr müsse es um das Erwirtschaften gehen, sagte er der "Bild"-Zeitung. "Dafür müssen die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden und darauf muss von nun an auch der politische Fokus liegen."
Der Vorsitzende der Jungen Gruppe in der FDP-Bundestagsfraktion, Jens Teutrine, sprach sich zudem für eine Entlastung der Beschäftigten aus. "Dringend nötig" seien "Entlastungen bei Steuern und Sozialabgaben sowie eine deutliche Anhebung der Minijobgrenze, damit Arbeit sich immer mehr lohnt", sagte er der "Bild". Konkret schlägt Teutrine "eine deutliche Anhebung von steuerlichen Freibeträgen" vor sowie die Rücknahme der Anhebung der Arbeitslosen- und Pflegebeiträge.
Ähnlich wie Merz hatte auch Parteikollege Jens Spahn bereits gestern mit Blick auf die geplante Erhöhung des Bürgergelds von einem "falschen Signal" gesprochen und mehr Strafen für arbeitsunwillige Erwerbslose gefordert. "Wer arbeitet, muss mehr haben als der, der nicht arbeitet", sagte Spahn der "Bild"-Zeitung.
Das Bürgergeld soll im kommenden Jahr um rund zwölf Prozent steigen. Erwachsene Bezieherinnen und Bezieher sollen vom 1. Januar an monatlich 563 Euro bekommen - also 61 Euro mehr als derzeit. Aktuell beziehen mehr als fünf Millionen Menschen in Deutschland Bürgergeld.
Für die Kindergrundsicherung, die 2025 eingeführt werden soll, hat Familienministerin Paus erstmals Zahlen genannt. Für diese könnten sich künftig Leistungen von 530 Euro für die Kleinsten bis 636 Euro für die ältesten Kinder ergeben, sagte die Grünen-Politikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.