Kabinettsklausur in Meseberg Zuversicht im Zauberschloss
Bei der Tagung auf Schloss Meseberg hat das Bundeskabinett nur wenige Entscheidungen getroffen. Denn das eigentliche Ziel war etwas anderes: Harmonie demonstrieren - auch um Wähler zu beruhigen.
Ein Zauberschloss oder ein Geheimtipp zum Entspannen im Nirwana - es gibt viele Namen für das Schloss Meseberg, in dem das Bundeskabinett sich die vergangenen Tage zurückgezogen hat. Am Morgen war es eher das Winter-Wunderland Meseberg. Die Ministerinnen und Minister wachten in einem verschneiten Schloss auf. Es war für viele eine kurze Nacht, in der bis zwei Uhr diskutiert wurde.
Es war die Ruhe, die Abgeschiedenheit, die die Ampelregierung brauchte, um sich wieder näher zu kommen, nachdem es bei vielen Themen in den vergangenen Tagen heftig geknirscht hatte. Offiziell war die Devise: Dieses Mal sollte es keine Show für die Presse geben, keine öffentlichen Anfeindungen zwischen Kabinettsmitgliedern unterschiedlicher Parteien.
Nein, die Ampelregierung versucht, wieder Optimismus zu versprühen und betont immer wieder das Wort "Zuversicht". Ein Wort, über das innerhalb der Gruppe am Sonntagabend länger diskutiert wurde, nachdem sie sich eigens einen Psychologen dafür geholt hatte, der ihr erklären musste, wie wichtig es in diesen Zeiten ist, die Bevölkerung auch mitzunehmen.
Europaweites Kopfschütteln über die Konflikte
Denn im Vorfeld hatte die Ampelregierung alles andere als Zuversicht vermittelt. Hinter vorgehaltener Hand erzählte selbst das eine oder andere Kabinettsmitglied, wie sehr man sich schäme, dass die internen Konflikte nun so öffentlich Wellen schlügen. Europaweit würde man Kopfschütteln ernten. Es verfestigte sich der Eindruck, dass diese Ampelregierung bei vielen wichtigen Themen einfach nicht mit einer Stimme spricht.
So musste also EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sich mit den Streitereien der Ampel auseinandersetzen. Die Entscheidung für das Verbrennermotor-Aus ab 2035 wurde in Brüssel verschoben, weil kurz vor knapp Verkehrsminister Volker Wissing anmerkte, dass synthetische Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels, nicht berücksichtigt wurden. Die FDP pochte auf die Technologie-Offenheit und trommelte vor Meseberg so laut, dass auch von der Leyen sich dazu verhalten musste, wie man da nun wieder gesichtswahrend aus diesem Konflikt herauskomme. Ja, Technologieoffenheit sei wichtig, sagte sie, aber das müsse immer in Balance mit klimapolitischen Zielen stehen. Kompromisse würden nun gefunden.
Wissing bekommt Rückendeckung vom Kanzler
Das lasse sich lösen, tat der Kanzler den Streit am Sonntag schnell ab. Und auch am nächsten Tag betonte er, es gebe nichts Neues, die Forderung nach Berücksichtigung der E-Fuels sei schon seit einem Jahr bekannt. Er gehe jetzt davon aus, dass die EU-Kommission einen Vorschlag unterbreiten werde, in denen auch die E-Fuels berücksichtigt werden. Der Kanzler stellte sich vor die FDP. Wissing, so sagte er in Meseberg, sei ein "sehr sehr guter Minister". Ein Lob vom Kanzler, der eigentlich gerne mit solchen Worten spart.
Verkehrsminister Wissing schien die vielen Konflikte mit viel Humor zu nehmen. Gerade er kommt mit der grünen Umweltministerin Steffi Lemke nur schwer auf einen gemeinsamen Nenner beim Thema Planungsbeschleunigung. Dennoch erzählte er augenzwinkernd, dass er beim Abendessen neben der Umweltministerin saß. "Es war ein schöner Abend", sagte er süffisant dazu.
Das zeigt, dass sich die Minister eigentlich gut verstehen, allerdings vor allem die Parteiprogramme der Grünen und der FDP gerade einfach nicht zueinander passen wollen. Investiert man nun schneller in den Schienenverkehr oder in den Ausbau von Autobahnen? Das ist ein Konflikt zwischen den Grünen und der FDP, der in Meseberg nicht gelöst werden konnte - und auch nicht sollte. Es ist aber ein Konflikt, der auf Wiedervorlage liegt, denn eine Lösung müsse bald kommen, so die Ampelspitze.
"Wir streiten nicht wie die Kesselflicker"
Die Themen sind komplex und die Herausforderung nach einem Jahr Angriffskrieg gegen die Ukraine ist immer noch enorm. Da sei es eben auch nicht verwunderlich, dass es unterschiedliche Ansätze gebe, erklärte auch der grüne Landwirtschaftsminister Cem Özdemir. Man streite aber nicht wie die Kesselflicker, sagte er in der morgendlichen Pressekonferenz. Ein erneuter Versuch, mehr Einigkeit zu demonstrieren.
In allen Streitereien schwingt aber der Zwang der Parteien mit, sich zu profilieren und ihre Stammwähler nicht zu enttäuschen. Vor allem die FDP ist nach den zahlreichen Verlusten bei den vergangenen Landtagswahlen nervös geworden.
In Meseberg nicht über Geld verhandelt
Die Nervosität seiner Koalitionspartner spürte auch Kanzler Scholz. Bei der Abschlusskonferenz sprach er wieder von einem "Unterhaken", von "Fortschritt" nun auch im Alltagsgeschäft. Alles Formulierungen, mit denen die Ampel eigentlich gestartet ist, aber die nach den Herausforderungen des vergangenen Jahres verblassten. So stand Wirtschaftsminister Robert Habeck fast demütig neben dem Kanzler und erklärte, welches Privileg es sei, ein Teil der Bundesregierung zu sein - wissend, vor welchen großen Herausforderungen beim Thema Energiewende vor allem sein Ministerium steht.
Fast triumphierend erklärte hingegen Finanzminister Christian Lindner, dass die erste Runde der Haushaltsverhandlungen abgeschlossen ist und man in Meseberg auch nicht über Geld verhandelt hätte.
Der Haushalt 2024 sorgte vor Meseberg allerdings für viel Diskussion in der Koalition. Die Sorge der grünen Familienministerien Lisa Paus ist groß, dass die Kindergrundsicherung finanziell nicht berücksichtigt wird. Lindner betonte, dass Gelder dafür "fiskalpolitisch für 2024 nicht zwingend seien". Er weiß den Kanzler hinter sich, auch wenn es um die Einhaltung der Schuldenbremse geht.
"Ich habe einen Schneeball geworfen"
Der Kanzler musste am Ende mit der Klausur in Meseberg versuchen, wieder alle Kabinettsmitglieder bei Laune zu halten und auf eine Linie zu bringen. Mit Lob, mit Kompromissen, mit Gesprächen über Zuversicht. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass Scholz im Winter-Wunderland Meseberg sich so verhielt, wie er gerne gesehen wird.
Ein Video zeigte ihn, wie er einen Schneeball formt. Gab es also am Ende eine Schneeball-Schlacht? Gar als teambildende Maßnahme? "Ich habe einen Schneeball geworfen", sagte der Kanzler. "Aber auf niemanden", erklärte er auf seine "scholzige Art" grinsend. So wie es sich für einen Kanzler gehöre.