CDU-Spitzenkandidat in Thüringen Hat Mario Voigt eine Chance?
Die CDU in Thüringen kämpft um das Amt des Ministerpräsidenten - und um Mehrheiten ohne AfD und Linke. Keine leichte Aufgabe für Spitzenkandidat Voigt. Wie will er das schaffen?
Seit seinem TV-Duell mit Thüringens AfD-Chef Björn Höcke ist Mario Voigt einem Millionen-Publikum bekannt. Das war Kalkül. Schließlich will der Spitzenkandidat der CDU Thüringens nächster Ministerpräsident werden. Das Problem: Seine Konkurrenten Bodo Ramelow (Linke) und Björn Höcke (AfD) waren deutlich bekannter als er. Nun hat der CDU-Politiker aufgeholt.
Mario Voigt wurde in Jena geboren, hat dort studiert und in Thüringen Politikkarriere gemacht. Er ist seit 2009 Mitglied im Landtag, seit 2020 Fraktionsvorsitzender der CDU im Landtag und seit 2022 Landesvorsitzender seiner Partei.
Der 47-Jährige gibt sich volksnah, betont stets seine Herkunft und seine Bindung an das Land. Seine PR-Abteilung wird nicht müde, Bilder zu teilen, die Voigt so zeigen: privat, im Dialog mit Menschen und zusammen mit Parteigrößen. Stammtische, Gespräche über Gartenzäune, Volksfeste: Voigt ist dabei und gibt den verständnisvollen Zuhörer. Tenor: "Ich kenne die Probleme der Thüringer wirklich."
Seine Chancen, nach der Landtagswahl Ministerpräsident im Freistaat zu werden, stehen besser als noch vor einem Jahr. Voigts Strategie: Er und seine Berater wollen vermeiden, dass der Wahlkampf wie 2019 durch das Duell Ramelow gegen Höcke geprägt wird.
Ramelow sollte außen vor bleiben
Auch deshalb das TV-Duell mit Höcke: Bodo Ramelow sollte außen vor bleiben. Mario Voigt lässt keine Gelegenheit aus, zu betonen, dass die CDU die einzige Option sei, den Griff der AfD nach der Macht zu verhindern.
Voigt will die CDU an die Macht zurückbringen und regieren. Um diesen Anspruch untermauern zu können, muss er seine Partei mindestens zur zweitstärksten Kraft hinter der AfD machen. Im jüngsten ThüringenTrend deutet sich an, dass die CDU mit 23 Prozent zweitstärkste Kraft nach der AfD werden könnte, gefolgt vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) mit 17 Prozent.
Keine nennenswerten Zugewinne
Der ThüringenTrend hat auch gezeigt: Im Vergleich zum historisch schlechten Wahlergebnis von 2019 können die Christdemokraten um Spitzenkandidat Voigt bislang nur geringfügig zulegen.
Das wiederum deckt sich mit den Erkenntnissen aus den Ergebnissen der Thüringer Kommunalwahl im Mai. Aus der war die CDU zwar insgesamt als stärkste Kraft hervorgegangen. Nennenswerte Zugewinne konnte sie aber nicht erzielen. Das zeigt: Voigt gelingt es bislang offenbar nicht, neue Wählerschichten zu erschließen.
Eingeschränkte Möglichkeiten
Nach der Landtagswahl würde der CDU-Mann am liebsten mit SPD und FDP koalieren. Doch die Umfragen lassen vermuten, dass diese Deutschland-Koalition keine eigene Mehrheit haben würde. Aber eine Regierung mit eigener Mehrheit ist der Anspruch Voigts. Will er dem treu bleiben, bleibt ihm nur das Zusammengehen mit dem BSW und einem weiteren Juniorpartner, der sich erst noch ergeben muss.
Voigt präferiert zwar die SPD, hat jedoch auch die Grünen nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Allerdings könnte es sein, dass beide Parteien nicht wieder in den Landtag gewählt werden. Voigt wäre dann auf die Linke angewiesen. Jedoch: Eine derartige Zusammenarbeit würde die Christdemokraten innerlich zerreißen. Zumal dieser politischen Zweckehe auch noch ein Parteitagsbeschluss entgegensteht.
Lob aus der Bundespartei
Immerhin hat Voigt von seinem Bundesvorsitzenden Friedrich Merz inzwischen freie Hand für eine Zusammenarbeit mit dem BSW bekommen. Einerseits ein Anerkennen der Thüringer Realitäten. Andererseits vielleicht auch dem Umstand geschuldet, dass der Thüringer in Berlin mittlerweile mehr Einfluss hat. Voigt ist in diesem Jahr in den Bundesvorstand aufgerückt und hat für seine Mitarbeit am neuen Grundsatzprogramm der Bundespartei viel Lob bekommen.
Fest steht: In den Politikbereichen Migration und Bildung sind die Positionen Voigts und die des BSW durchaus anschlussfähig und kompatibel. Voigt wirbt mit einer "Lesen-Schreiben-Rechnen-Garantie". Das BSW beschreibt im Wahlprogramm eine "Rückbesinnung auf Lesen, Schreiben und Rechnen."
Dicht beieinander sind beide Parteien beim Thema Migration. Voigt spricht davon, die illegale Migration stoppen und ausreisepflichtige Migranten konsequent abschieben zu wollen. Das ist fast wortgleich BSW-Position. Ähnlich sieht es bei der Forderung nach einer Drittstaaten-Regelung für Asylverfahren aus.
Passt das BSW wirklich zur CDU?
Doch es gibt nicht nur die thematischen Schnittstellen zwischen der CDU und dem BSW. Es gibt auch fundamentale Unterschiede. Die anti-liberale und anti-westliche Haltung der Wagenknecht-Partei beispielsweise passt nicht zum Programm der Christdemokraten.
Zudem finden sich im Wahlprogramm des Thüringer BSW nicht nur jene Themen, die auch Voigt beackern will. Es finden sich darin auch zahlreiche Punkte, die schlicht nicht Thüringer Angelegenheit und hier zu lösen sind. Der Kampf gegen hohe Spritpreise beispielsweise.
Gegensätzliche Politikansätze
Und so drängt sich die Frage auf: Kann es Voigt wirklich verantworten, seine Partei in eine Koalition mit dem Bündnis zu führen, das personell und thematisch stellenweise einer Wundertüte gleicht? Die Antwort lautet vermutlich: Er wird keine andere Wahl haben.
Voigt und die Spitzenkandidatin des BSW, Katja Wolf - das passt menschlich. Aber CDU und BSW - das sind zwei gegensätzliche, bisweilen sich widersprechende Politikansätze. Und doch wird Voigt den Pakt mit dem unbekannten Neuen womöglich eingehen müssen, wenn er in Thüringen regieren will.