Bundeswehr-Rekruten bei der Grundausbildung (Archivbild: 11.05.2021).

Sicherheitspolitik Gegensätzliche Forderungen zu neuer Wehrpflicht

Stand: 05.03.2025 07:52 Uhr

Angesichts des Streits über die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands wird auch eine Wiedereinführung der Wehrpflicht diskutiert. Der Reservistenverband beziffert den Bedarf auf 20.000 Soldaten - noch in diesem Jahr.

Werden die Milliardeninvestitionen in die Verteidigungsfähigkeit auch von einer neuen Wehrpflicht flankiert? Der Reservistenverband der Bundeswehr fordert eine schnelle Wiedereinführung. Die Truppe brauche noch in diesem Jahr 20.000 neue Soldatinnen und Soldaten, sagte Verbandspräsident Patrick Sensburg verschiedenen Medien.

Union und SPD hatten sich am Dienstag bei ihren Sondierungsgesprächen auf ein riesiges Finanzpaket von mehreren hundert Milliarden Euro geeinigt. Hintergrund ist der Rückzug der USA bei der Unterstützung der Ukraine. Verteidigungsminister Boris Pistorius zeigte sich bei einer raschen Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht, die auch von der Union gefordert wird, jedoch skeptisch.

Nicht genug Kasernen für neue Wehrpflichtge

In den tagesthemen sagte der SPD-Politiker, der auch an den Sondierungsgesprächen teilnimmt, es fehle die notwendige Infrastruktur, um neue Wehrpflichtige zu integrieren:  "Wir haben gar keine Kasernen in der Größenordnung, um alle Wehrpflichtigen eines Jahrgangs einziehen zu können", gab der Minister zu bedenken. Er favorisiert, "denjenigen eine Perspektive zu bieten, die das wollen und die wir gut gebrauchen können".

Pistorius selbst hatte im November erst einen eigenen Gesetzentwurf dazu eingebracht, der dann wegen des Bruchs der Ampelkoalition aber nicht mehr weiter beraten wurde. Dieser sieht im ersten Schritt eine Rückkehr zur Wehrerfassung vor. Demnach sollten alle jungen Menschen angeschrieben und nach ihrer Dienstbereitschaft und -fähigkeit befragt werden. Die Männer sollten zur Antwort verpflichtet werden, den Frauen dies freigestellt werden.

CSU-Mann Silberborn fordert 270.000 Soldaten

Zuvor hatte der CSU-Politiker Florian Hahn die Wiedereinführung einer Wehrpflicht noch in diesem Jahr verlangt. Dem schlossen sich weitere Unionspolitiker an. Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter sagte RTL/ntv, der Vorschlag wäre leicht umsetzbar. Die Wehrpflicht könne mit einfacher Mehrheit im Bundestag wieder eingesetzt werden.

Der CSU-Verteidigungspolitiker Thomas Silberhorn beklagte in der "Welt", mit 180.000 Soldaten liege die Bundeswehr derzeit gar unter der Sollstärke von 185.000, die bei Aussetzung der Wehrpflicht 2011 beschlossen worden sei. Nötig wären 270.000 Soldaten, sagte er. Der frühere Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) schloss sich den Forderungen nach einer Rückkehr zur Wehrpflicht noch in diesem Jahr an. Eine Kombination mit einer Einbeziehung auch von Frauen oder einer sozialen Dienstpflicht lehnte Bartels vorerst aber ab.

Zustimmung für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht kam ebenfalls vom ehemaligen Grünen-Außenminister Joschka Fischer (1998-2005). "Ich war ein Befürworter der Abschaffung", sagte Fischer in einem Interview mit dem Magazin stern. Das sei ein Fehler gewesen, den man nun revidieren müsse.

Kritik an Forderungen: "unmöglich wie auch unzeitgemäß"

Der SPD-Verteidigungsexperte Falko Droßmann nannte die Unionsforderungen "unmöglich wie auch unzeitgemäß" und einen "rein populistischen Vorschlag". Die Kreiswehrersatzämter seien abgeschafft, es gebe keine Musterungsorganisation, keine Kasernen, keine Ausbilder, kein Gerät. Die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Agnieszka Brugger, sieht das ähnlich.

Die Wehrpflicht war 2011 in Deutschland unter Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) nach 55 Jahren ausgesetzt worden. Das kam einer Abschaffung von Wehr- und Zivildienst gleich, denn gleichzeitig wurden praktisch alle Strukturen für eine Wehrpflicht aufgelöst. Im Wehrpflichtgesetz ist festgelegt, dass die Wehrpflicht für Männer auflebt, wenn der Bundestag den Spannungs- und Verteidigungsfall feststellt.