Neue Diskussion in der Ampel Regierung will Kindergelderhöhung prüfen
Finanzminister Lindner möchte den Kinderfreibetrag erhöhen, ohne das zuletzt 2023 erhöhte Kindergeld erneut anzupassen. Das stößt auf Kritik bei den Koalitionspartnern. Die Regierung will nun prüfen, ob auch eine weitere Kindergelderhöhung angezeigt ist.
Die Bundesregierung streitet weiter um eine mögliche Erhöhung des Kindergelds. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte in Berlin, aktuell werde geprüft, ob durch die aktuelle Lohnentwicklung eine Anpassung des Kinderfreibetrags nötig sei. "Sollte das nötig sein, muss miteinander gesprochen werden, ob neben dem Freibetrag auch eine Anpassung des Kindergeldes nötig und möglich ist", sagte er. Dabei verwies er auch auf den Haushalt für das aktuelle Jahr, der in der kommenden Woche im Bundestag beschlossen werden soll.
Am Freitag war bekannt geworden, dass Finanzminister Christian Lindner (FDP) den Steuerfreibetrag für Kinder rückwirkend zum 1. Januar anheben will, allerdings ohne parallel das Kindergeld zu erhöhen. Das Kindergeld wurde zuletzt zum Januar 2023 von 219 auf 250 Euro angehoben.
Eltern bekommen automatisch entweder Kindergeld oder Freibeträge für Kinder bei der Einkommensteuer. Das Finanzamt prüft, was für sie vorteilhafter ist. Der Freibetrag lohnt sich oft nur bei höheren Einkommen. Er wurde zum 1. Januar bereits von 6.024 Euro auf 6.384 angehoben und soll nach den Plänen Lindners nun rückwirkend auf 6.612 Euro steigen.
Kritik aus der SPD
SPD-Parteichef Lars Klingbeil hatte die aktuellen Pläne Lindners als ungerecht kritisiert, weil damit nur Familien mit sehr hohen Einkommen entlastet würden. "Gerade die arbeitende Mitte, also diejenigen, die jeden Tag aufstehen, ihr Einkommen hart erarbeiten und sich nebenbei um ihre Kinder, die Nachbarn und den Verein kümmern, sollten entlastet werden", sagte Klingbeil.
SPD-Fraktionsvize Sönke Rix sagte der Zeitung "Welt": "Auch das Kindergeld muss angehoben werden, damit Familien mit kleinem Geldbeutel profitieren." Alles andere sei ungerecht. Ähnlich äußerte sich Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch. "Das Kindergeld muss parallel zum Kinderfreibetrag steigen, das ist eine Frage der Gerechtigkeit. Nur den Kinderfreibetrag steigen zu lassen, würde bedeuten, dass es für Kinder von Spitzenverdienern 23 Euro mehr im Monat gäbe, für Kinder aus der Mittelschicht gäbe es nichts", sagte er ebenfalls der "Welt".
FDP-Fraktionschef Christian Dürr stellte sich hingegen hinter Lindners Pläne. Im Deutschlandfunk sagte er, das Vorgehen, für 2023 zunächst das Kindergeld und erst später den Kinderfreibetrag zu erhöhen, sei genau so in der Koalition verabredet worden. "Es ist doch besser gewesen, dass wir das Kindergeld schon frühzeitig erhöht hatten, wirksam schon für das Jahr 2023. Jetzt zieht in 2024 der Grundfreibetrag und der Kinderfreibetrag noch einmal nach", so Dürr.
Der "Welt" hatte er zuvor gesagt: "Im vergangenen Jahr ist die größte Kindergelderhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik wirksam geworden. Jetzt muss diese Erhöhung aber auch im Steuerrecht abgebildet werden."
Aus dem FDP-Präsidium hatte es zuvor geheißen: Das aktuelle Vorgehen bei Steuerfreibeträgen und Kindergeld gehe auf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zurück. Klingbeil solle sich besser mit Scholz abstimmen. "Es wurde 2022 auf Anregung von Olaf Scholz entschieden, das Kindergeld einmalig überproportional auf 250 Euro zu erhöhen", erfuhr die Nachrichtenagentur dpa aus dem FDP-Präsidium. "Der Kinderfreibetrag in der Steuer sollte dagegen im üblichen Verfahren nachgezogen werden. Nichts anderes ist geplant."
Wenn die SPD eine einheitliche Position habe, könne man in der Koalition beraten. "Es geht aber nicht, dass das Finanzministerium aus der SPD kritisiert wird, wenn es Verabredungen mit Olaf Scholz umsetzt."
Kritik von Verbänden
Kritik an Lindners Plänen kam dennoch auch von Sozialverbänden. Der Paritätische Gesamtverband nannte Lindners Vorhaben "zutiefst ungerecht". "Mit seinen Plänen zum Kinderfreibetrag zementiert der Finanzminister die Ungleichbehandlung von Spitzenverdienern und Familien mit mittleren und niedrigen Einkommen", erklärte der Hauptgeschäftsführer des Sozialverbands, Ulrich Schneider.
"Den Freibetrag für Kinder von sehr gut verdienenden Eltern anzuheben, nicht aber das Kindergeld, benachteiligt alle Familien mit kleinem und mittlerem Einkommen", sagte Diakonie-Vorständin Maria Loheide. Diese litten aber besonders unter den Preissteigerungen. Das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum gelte für alle Kinder, "nicht nur für Kinder reicher Eltern".
Vom Kinderschutzbund hieß es, mit den Plänen würden Kinder, die nur das Kindergeld beziehen, um bis zu 118 Euro weniger an staatlichem Zuschuss pro Monat erhalten. Bis zur Volljährigkeit der Kinder summiere sich das auf über 25.000 Euro Unterschied.
Mützenich fordert "neues Kindergeld"
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hat angesichts der Diskussionen mit der FDP über eine mögliche Erhöhung des Kinderfreibetrags einen gänzlich neuen Ansatz gefordert. "Damit zukünftig weitere Debatten über die ungleichen Leistungen für Kinder gar nicht mehr aufkommen, sollten wir den Kinderfreibetrag durch ein neues Kindergeld ersetzen", sagte er der Rheinischen Post.
Ihm sei "unbegreiflich", weshalb Lindner wenige Tage nach der Entscheidung über den Haushalt 2024 eine Erhöhung des Kinderfreibetrages anbringe. "Jeder, so der Finanzminister noch auf der Demonstration am vergangenen Montag, müsse einen Konsolidierungsbeitrag leisten", sagte Mützenich dazu. "Warum das nicht für die Spitzenverdiener gelten soll, entzieht sich meiner Fantasie." Konkrete Vorschläge für ein "neues Kindergeld" machte Mützenich zunächst keine.
Grünen-Chefin Lang ruft zu Mäßigung auf
Die aktuellen Diskussionen über das Kindergeld konterkarieren stete Ermahnungen aus den eigenen Reihen, die Ampelkoalition dürfe nicht mehr so viel öffentlich streiten. In diesem Sinne äußerte sich gerade erst Grünen-Chefin Lang, die in den Streitigkeiten einen maßgeblichen Grund für den Vertrauensverlust in die Regierung sieht. "Weniger öffentlich zu streiten, das darf kein Neujahrsvorsatz bleiben, sondern das muss endlich Realität werden", sagte sie in Berlin. Die Ampel müsse mehr hinter verschlossenen Türen verhandeln, Kompromisse dann gemeinsam durchziehen und in ihrem Politikstil nicht so stark aufeinander losgehen.