Diskussion über Panzerlieferungen "Scholz hat Chance verpasst"
Soll die Ukraine "Leopard 2"-Panzer bekommen? Darüber denkt Kanzler Scholz weiter nach. CDU-Chef Merz kritisiert im Bericht aus Berlin, dass Scholz sich dazu nicht erklärt und fordert schnell Klarheit. Auch in der Ampel wächst der Druck.
CDU-Chef Friedrich Merz hat Bundeskanzler Olaf Scholz aufgefordert, sein Zögern bei Lieferungen von "Leopard 2"-Panzern an die Ukraine zu erklären. "Wir wissen ja gar nicht, warum er so zögert", sagte Merz im Bericht aus Berlin. "Auch wenn man dann bereit wäre, Verständnis für seine Haltung zu haben - er müsste sie wenigstens gut erklären." Viele fragten sich, warum er nicht handele.
Bei seiner Rede zum Jubiläum der deutsch-französischen Verträge in Paris habe Scholz eine Chance verpasst, für die kommenden Tage einen gemeinsamen Vorschlag zum weiteren Vorgehen anzukündigen. "Diese Chance hat er nicht genutzt, und das hat auch in den Gesprächen nach der Rede und nach dem Festakt heute morgen hier eine erhebliche Rolle gespielt und zwar parteiübergreifend." Deutschland und Frankreich müssten gemeinsam eine Antwort auf die Frage geben, wie es nun weitergehe. Dazu gebe es in Deutschland und auch in Frankreich eine klare Haltung - "nur leider eben vom deutschen Bundeskanzler nicht".
Sofortige Ausbildung am "Leopard" gefordert
Dass die Bundesregierung bislang keine Entscheidung über eine Lieferung von "Leopard 2"-Kampfpanzern an die Ukraine getroffen hat, stößt sowohl innen- als auch außenpolitisch auf wachsende Kritik. Bei ihrem Treffen in Ramstein hatten die Unterstützerländer keine Lieferungen der Kampfpanzer beschlossen, auf die Kiew seit Monaten drängt. Deutschland habe in Ramstein einen "erheblichen Fehler gemacht und dadurch weiter Ansehen eingebüßt", sagte der Grünen-Politiker Anton Hofreiter den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Er forderte, sofort mit der Ausbildung ukrainischer Soldaten an den Panzern zu beginnen.
Der "Leopard"-Kampfpanzer sei eine entscheidende Unterstützung. "Putin wird erst zu Verhandlungen bereit sein, wenn er erkennt, dass er diesen Krieg nicht gewinnen kann", sagte der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag.
"Brauchen schnell die Entscheidung"
Die Grünen-Sicherheitspolitikerin Agnieszka Brugger sagte dem "Spiegel": "Wir brauchen jetzt schnell die Entscheidung für die Lieferung von Kampfpanzern und die sollte gemeinsam mit unseren europäischen Partnern getroffen werden." Das deutsche Zögern "spielt dem Kriegsverbrecher Putin in die Hände, der derweil eine neue fürchterliche Großoffensive gegen die unschuldigen Menschen in der Ukraine vorbereitet".
Auch der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour dringt auf eine rasche Positionierung der Bundesregierung zu Panzer-Lieferwünschen anderer Staaten an die Ukraine. Wenn es von Staaten in der Europäischen Union eine Bitte um Liefererlaubnis gebe, "dann verdienen sie eine schnelle Antwort", sagte Nouripour im Bericht aus Berlin. Er betonte zugleich die Bedeutung internationaler Abstimmung in der Frage der Waffenlieferungen.
"Der Kanzler treibt Deutschland in die Isolation"
Auch in der SPD gibt es Abgeordnete, die sich für eine schnelle Entscheidung aussprechen. "In dieser Phase des Krieges darf es keine Verunsicherung bei den anstehenden Entscheidungen in der Panzerfrage geben", sagte der Verteidigungspolitiker Andreas Schwarz dem "Spiegel". Diese müssten jetzt zügig vorbereitet und getroffen werden: Die westliche Welt warte auf ein deutsches Ja oder Nein. "Dies sind wir der Ukraine und dem Vertrauen in unsere neue Führungsrolle der westlichen Allianz schuldig", so Schwarz.
Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), sieht Deutschlands Ruf wegen der anhaltenden Debatte schwer ramponiert. "Der Kanzler treibt Deutschland in die Isolation. Selbst die engsten Verbündeten schütteln über Berlin nur noch den Kopf", sagte er der "Rheinischen Post". Mit seiner Hinhaltetaktik verspiele "Scholz die Reputation unseres Landes". Dies sei "bitter", sagte er. "Sämtliche Argumente, die Lieferung von Kampfpanzern an die bedrängte Ukraine zu verzögern, erweisen sich als fadenscheinig."
Kühnert beklagt "maßlose Kritik"
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert warnte hingegen vor "maßloser Kritik" und persönlichen Anfeindungen in der Auseinandersetzung. Deutschland sei ein solidarischer und berechenbarer Partner der Ukraine, "ohne aus dem Blick zu verlieren, dass Millionen Deutsche ernste Sorgen vor einer deutschen Verwicklung in den Krieg umtreiben", sagte Kühnert in der "Rheinischen Post".
Die Eckpfeiler der deutschen Ukraine-Politik lägen seit Monaten für alle Welt sichtbar auf dem Tisch und seien unverändert. "Wir machen keine Alleingänge, wahren unsere eigene Verteidigungsfähigkeit, werden nicht zur Kriegspartei und tun nichts, das dem westlichen Bündnis mehr schadet als Wladimir Putin", so der SPD-Politiker.
Liste der Bestände lag schon im Frühsommer vor
Seit Monaten wartet die Bundesregierung in der "Leopard"-Frage ab. Zuletzt hatte der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius angekündigt, die Bundeswehrbestände des Panzertyps prüfen zu wollen. Doch eine detaillierte Liste liegt nach "Spiegel"-Informationen bereits vor.
Bereits seit dem Frühsommer 2022 gibt es beim Verteidigungsministerium demnach eine Auflistung mit verschiedenen "Leopard"-Modellen, die bei der Truppe verfügbar sind und für eine Lieferung an die Ukraine infrage kämen. Die Tabelle sei als Verschlusssache eingestuft, hieß es.
"Spiegel": 19 Modelle des Typs 2A5 kämen infrage
Die Bundeswehr verfügt demnach insgesamt über 312 verschiedene "Leopard 2"-Panzer verschiedener Baureihen, davon seien im Mai vergangenen Jahres allerdings 99 für Instandsetzungs- und Reparaturarbeiten bei der Rüstungsindustrie gewesen, einer bereits in der Aussonderung.
In der Liste seien daher unter der Überschrift "Bestand Truppe" 212 "Leopard 2"-Modelle aufgeführt. Unter diesen seien sowohl die verschiedenen Modelle 2A5, 2A6, 2A7 und 2A7V - die modernste Ausführung des Waffensystems. Zum Stichtag 22. Mai habe die Truppe über 53 Exemplare der "Leopard"-Variante 2A7V verfügt.
Aus der Liste gehe auch hervor, welche Modelle sich für eine Lieferung in die Ukraine eignen würden, schreibt der "Spiegel" unter Berufung auf Bundeswehr-Insider. Demnach sei denkbar, dass die Bundeswehr die 19 "Leopard 2A5"-Modelle abgeben könne, da sie nur zu Übungen eingesetzt würden.