Zukunft des Nahverkehrs "Überall sind die Zahlen tiefrot"
Um die Klimaziele zu erreichen, soll der Bahnverkehr in Deutschland eigentlich ausgebaut werden. Doch nun droht sogar, dass künftig weniger Regionalbahnen fahren. Denn den Ländern geht offenbar das Geld aus.
Zahlreiche Bundesländer funken auf Anfrage des ARD-Hauptstadtstudios beim Thema Nahverkehr SOS. Oliver Krischer von den Grünen, Verkehrsminister in NRW und Vorsitzender der deutschen Verkehrsministerkonferenz, sagt: "Wir sind jetzt in einer Situation, dass keine Reserven mehr da sind. Ganz im Gegenteil: Überall sind die Zahlen tiefrot." Er ist sicher, "alle Bundesländer werden Verkehre reduzieren müssen".
Die Länder fordern mehr Geld vom Bund. Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter von der CSU erklärt: "Die Lage ist sehr ernst. Die bisherigen Zusagen sind minimal, und sie lösen das Problem nicht."
Länder: Geld des Bundes reicht nicht aus
Der Bund ist gemeinsam mit den Ländern für den Verkehr von S- und Regionalbahnen zuständig. Die Arbeitsteilung sieht so aus: Die Länder entscheiden, wo Züge fahren und wie dicht der Takt ist. Der Bund überweist den Ländern dafür jedes Jahr einen pauschalen Betrag, die sogenannten Regionalisierungsmittel.
Laut Bundesverkehrsministerium bekommen die Länder in diesem Jahr rund elf Milliarden Euro. Jedes Jahr steigt diese Summe um drei Prozent. Doch das Geld reicht nicht aus, meint NRW-Verkehrsminister Krischer. Der Nahverkehr auf der Schiene sei "mit erheblichen Kostensteigerungen in den letzten Jahren konfrontiert" gewesen. "Das sind natürlich Lohnkosten, aber das sind auch Energiekosten in Folge des Ukraine-Krieges."
Deutschlandticket problematisch
Ein weiteres Problem ist das Deutschlandticket. Bei den Fahrgästen ist es zwar beliebt, es sorgt aber bei den Ländern für weniger Einnahmen aus dem Ticketverkauf. Und es kostet Bund und Länder je 1,5 Milliarden Euro. Außerdem hilft es vor allem den Menschen in den Städten, da wo das Angebot von Bus und Bahn ohnehin schon gut ist.
Auf dem Land sieht das anders aus. Damit auch hier mehr Menschen den Nahverkehr nutzen, müssten besonders hier mehr Busse und Bahnen fahren. Laut einer Studie im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums müssten im Jahr 2031 dann bis zu 31 Milliarden Euro in den Nahverkehr fließen, fast dreimal so viel wie aktuell.
Beteiligen sich die Länder genug?
Aber viele trauen den Ländern bei der Finanzierung des Nahverkehrs nicht über den Weg. Denn auch sie sollen sich eigentlich an der Finanzierung von Bussen und Bahnen beteiligen. Doch manche geben nur wenig Geld dazu. Im vergangenen Jahr beteiligte sich etwa Niedersachen nur mit neun Prozent an der Finanzierung seines Nahverkehrs.
"Dieses Spiel, dass nur die Länder mehr Geld vom Bund fordern, ich glaube das funktioniert so nicht", sagt Stefan Gelbhaar, der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag. "Da ist eine Gesamtverantwortung drin."
Gelbhaar fordert erst mal kein zusätzliches Geld für die Länder - und das, obwohl er eigentlich den Nahverkehr ausbauen möchte. Denn erst mal müsse sichergestellt werden, dass sich alle Bundesländer gleichermaßen an den Kosten für den Nahverkehr in ihrem Land beteiligen. "Wir brauchen insgesamt einen Pakt von Bund, Ländern und Gemeinden, wo beschrieben wird: Wie sieht der ÖPNV der Zukunft aus? Was müssen Kommunen und Länder, und was muss auch der Bund tun?"
"Sind keinen Millimeter vorangekommen"
Das Vorhaben steht im Koalitionsvertrag. Vor zwei Jahren wurde eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern eingerichtet. Das Bundesverkehrsministerium bezeichnet das als "einzigartiges Gesprächsformat". Aber NRW-Verkehrsminister Krischer kritisiert bei Bundesverkehrsminister Volker Wissing mangelnde Gesprächsbereitschaft. "Leider sind wir in der Situation, dass wir keinen Millimeter weitergekommen sind", kritisiert er. "Ein vernünftiges Gespräch mit dem Bundesverkehrsministerium findet seit geraumer Zeit praktisch nicht statt."
Jetzt soll wieder Bewegung in die Sache kommen. Ab morgen treffen sich Bund und Länder zur Verkehrsministerkonferenz.