Streit zwischen Grünen und FDP SPD-Chef "fassungslos" über Ampel-Streit
SPD-Chef Klingbeil ist "fassungslos" über den neuen Streit in der Koalition. Er forderte alle Beteiligten auf, sich zu einigen. "Beschämend und unwürdig" nannte der Kinderschutzbund die Debatte um die Kindergrundsicherung. Der Entwurf dazu ist nun offenbar fertig.
Der neuerliche Streit in der Ampelkoalition sorgt weiter für Misstöne in Berlin. "Fassungslos" zeigte sich nun SPD-Chef Lars Klingbeil angesichts der Auseinandersetzung, die er scharf kritisierte. Die Aufgabe der Regierung sei es, in der aktuellen Situation Sicherheit, Orientierung und Stabilität zu geben, sagte Klingbeil in Frankfurt am Main. "Ich dachte, dass alle das verstanden haben."
Nun sei dies durch den Streit um das "Wachstumschancengesetz" nicht geschehen, dessen Verabschiedung im Kabinett Familienministerin Lisa Paus blockiert hatte. "Das hat mich sehr fassungslos gemacht, dass es sofort mit Streit weitergeht", fügte Klingbeil in Anspielung auf den Heizungsstreit vor der Sommerpause hinzu.
Er erwarte, dass sich die Regierung auf der Kabinettsklausur in Meseberg Ende des Monats einige. Man brauche sowohl wirtschaftliche Hilfen als auch die Kindergrundsicherung, dies sei kein Gegensatz. Die Regierung müsse in Meseberg aber auch über die Form der Zusammenarbeit in der Ampel reden, forderte der SPD-Chef.
Debatte um Kindergrundsicherung
Paus hatte am Mittwoch im Kabinett ihr Veto gegen die Verabschiedung des "Wachstumschancengesetzes" von Finanzminister Christian Lindner eingelegt, das milliardenschwere Steuererleichterungen für Unternehmen vorsieht. Hintergrund für die Blockade sind offensichtlich die Meinungsverschiedenheiten mit Lindner über die Finanzierung der Kindergrundsicherung. Paus hat hierfür zuletzt bis zu sieben Milliarden Euro veranschlagt, ursprünglich sogar bis zu zwölf Milliarden Euro. Lindner will bisher aber nur zwei Milliarden Euro gewähren.
Bei diesem Kernvorhaben der Grünen, das verschiedene Leistungen wie Kindergeld und Kinderzuschlag ersetzen und leichter zugänglich machen soll, hat Paus inzwischen nach eigenen Angaben ihre Vorschläge vorgelegt. Sie liegen dem Bundeskanzleramt und dem Bundesfinanzministerium vor, sagte die Grünen-Politikerin dem Nachrichtenportal "The Pioneer". Wie von Bundeskanzler Olaf Scholz gewünscht, habe sie unterschiedliche Varianten vorgelegt.
"Prosperierende Wirtschaft" als Voraussetzung
Lindner äußerte sich jüngst ebenfalls zur Kindergrundsicherung und beharrte auf seiner Position. "Eine fünfköpfige Familie, die Bürgergeld bezieht, erhält heute schätzungsweise 36.000 bis 38.000 Euro im Jahr vom Steuerzahler, rechnete er in der "FAZ" vor. Es helfe wenig, ihnen nun hohe zusätzliche Transfers zu zahlen, seien es 1.000 oder gar 3.000 Euro im Jahr.
Es sei zudem nicht hilfreich, ganz unterschiedliche Vorhaben sachfremd miteinander zu verknüpfen. Außerdem gelte: "Die logische Voraussetzung einer neuen Leistung wie etwa der Kindergrundsicherung ist, dass wir überhaupt eine prosperierende Wirtschaft haben."
"Müssen an einem Strang ziehen"
Angesichts des Streits forderte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, Irene Mihalic, dass die Koalition nach der Sommerpause zurück in den Arbeitsmodus finden müsse. "Dabei halte ich die Schärfe im Ton mancher Koalitionsmitglieder jetzt für wenig hilfreich", sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Es sei normal, dass ein Gesetzentwurf noch mal geschoben werde, wenn Beratungsbedarf herrsche. "Wir müssen an einem Strang ziehen, die Kindergrundsicherung muss kommen, genauso wie das 'Wachstumschancengesetz'."
Kinderschutzbund: "Unwürdige" Debatte
Kritik an der Auseinandersetzung kommt auch von der Präsidentin des Deutschen Kinderschutzbundes. Sabine Andresen stellte sich dabei hinter Familienministerin Paus. "Ich finde die aktuelle Diskussion aus der Perspektive von Familien mit Kindern unwürdig und beschämend", sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
"Denn ungefähr jedes fünfte Kind in Deutschland wächst in Armut auf. Und wenn der Kampf gegen diese Kinderarmut nicht priorisiert wird, dann wird eine Chance vertan." Gesundheit und Chancen von armutsgefährdeten Kindern seien erheblich beeinträchtigt. "Das wirkt sich auch wirtschaftlich aus", fügte sie hinzu. Es gehe zudem nicht nur darum, dass Leistungen zusammengelegt würden oder das Kindergeld erhöht werde, sondern um einen Paradigmenwechsel.
"Ich frage mich: Warum positioniert sich eine sozialdemokratische Partei da nicht eindeutiger? Das fehlt mir. Und es wundert mich. Frau Paus entscheidet nicht allein", sagte die Verbandspräsidentin.