Cosco-Beteiligung in Hamburg Das Ende der China-Euphorie
Der geplante Einstieg Chinas beim Hamburger Hafen zeigt, wie tief der Graben in der Regierung im Umgang mit Peking ist. Noch immer fehlt ein klarer Kurs. Nach Recherchen von NDR und WDR werden chinesische Investments jetzt aber strenger geprüft.
So hatte sich der Hamburger Hafenbetreiber seine Jahresbilanz sicherlich nicht vorgestellt. In wenigen Tagen präsentiert der Betreiber des wichtigsten deutschen Hafens, die HHLA, seine Zahlen für das Jahr 2022. Es wird voraussichtlich um hohe Energiekosten, den Konjunkturabschwung und ein Ergebnis gehen, das man sich wohl höher gewünscht hätte. Klar ist vor allem aber: Eines der wichtigsten Geschäfte des vergangenen Jahres hängt noch immer in der Luft.
Der Einstieg des chinesischen Staatskonzerns Cosco beim Hamburger Containerterminal ist auch fast zwei Jahre nach Start der Verhandlungen nicht vollzogen. Anfang des Jahres erklärte die HHLA zwar optimistisch, man habe sich auf "konkrete Voraussetzungen" geeinigt, es würden nur noch letzte Details geklärt.
Cosco jedoch klang vorsichtiger: Noch seien nicht alle Bedingungen für einen Einstieg erfüllt. Eine Garantie gebe es nicht. Es werde noch mit dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) diskutiert.
Regierung prüft chinesische Investitionen intensiver
In der Bundesregierung scheint man entschlossen, den Einfluss Chinas in Deutschland zu reduzieren. Weniger Abhängigkeit lautet das Motto. Nach Informationen von WDR und NDR prüft die Bundesregierung geplante chinesische Investitionen in Deutschland offensichtlich schon jetzt viel intensiver.
Demnach hat das Wirtschaftsministerium aktuell bei elf beantragten ausländischen Direktinvestitionen ein sogenanntes vertieftes Prüfverfahren gestartet. Zehn Erwerber stammen aus China, einer aus Russland. Bei ihnen sieht die Regierung die Gefahr, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung der Bundesrepublik beeinträchtigt werden könnte. Am Ende kann eine Genehmigung des Geschäfts stehen - oder eine Untersagung.
Im Fall Cosco teilt das Bundeswirtschaftsministerium auf mehrfache Nachfragen lediglich mit, es gebe keinen neuen Sachstand. Die Prüfung, an der mehrere Ministerien und Behörden beteiligt sind, ist also noch nicht abgeschlossen. Die HHLA wollte sich zu den vertraulichen Gesprächen nicht äußern, Cosco reagierte zunächst nicht auf eine Anfrage. Die Kommunikation ist weiterhin also sehr zurückhaltend. Vermutlich liegt das auch daran, dass sich innerhalb der Bundesregierung noch kein gemeinsamer China-Kurs abzeichnet.
Chinesischer Einstieg als Sicherheitsrisiko
Der Konflikt in der Ampelkoalition war im Herbst eskaliert, als das Kanzleramt den Einstieg Coscos gegen große Widerstände innerhalb der Regierung durchdrücken wollte. SPD-geführte Ministerien, FDP, aber vor allem die Grünen im Wirtschaftsministerium und im Auswärtigen Amt hatten versucht, das Kanzleramt zu stoppen.
Die interne Einschätzung: "Eine Untersagung des Erwerbs ist erforderlich, um einer Vertiefung der wirtschaftlichen Abhängigkeit Deutschlands von China namentlich eines größeren Einflusses von Cosco auf Hafenbetrieb und Handelsschifffahrt in Deutschland vorzubeugen." Die Einwände waren vergeblich. Das Ergebnis war schließlich eine sogenannte Teiluntersagung: Der Einstieg der Chinesen müsste kleiner ausfallen - im Gespräch ist seitdem eine mögliche Minderheitenbeteiligung von 24,9 Prozent an dem Hamburger Terminal.
In der Regierung stehen vor allem Wirtschaftsminister Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock für einen strengeren Kurs gegen China, das nicht mehr nur als einer der wichtigsten Wirtschafts- und Handelspartner der Bundesrepublik gesehen wird, sondern zunehmend als Kontrahent und etwaiges Sicherheitsrisiko.
Das Auswärtige Amt hat beispielsweise einen Entwurf für eine China-Strategie erarbeitet, der deutliche Worte für den Umgang mit dem Regime von Xi Jingping enthält: Mehr Werte, weniger Wirtschaft. In industriellen Schlüsselbereichen dürften Deutschland und die gesamte EU zum Beispiel "nicht abhängig werden von technologischen Fortschritten in Drittstaaten, die unsere Werte nicht teilen".
Peking sprach daraufhin von "Lügen und Gerüchten". Das Kanzleramt wiederum möchte dem Vernehmen nach eher allgemeine Leitlinien für den China-Kurs festhalten - ohne das Trennende und besonders kontroverse Aspekte herauszuheben.
Strengerer Umgang mit China
Abseits der Diskussion über Formulierungen in der China- oder Sicherheitsstrategie, schlägt die Regierung jedoch neuerdings Pflöcke ein: Aufgeschreckt von der Debatte um den Hamburger Hafen änderte die Koalition ihre Haltung zum Verkauf des Dortmunder Chiphersteller Elmos an einen chinesischen Investor - und geht bei der Chip-Souveränität auf Konfrontationskurs. Einen ähnlichen Rückzieher hatte es bis dahin nicht gegeben. Insgesamt hat das federführende Wirtschaftsministerium im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben in acht Fällen beschränkende Maßnahmen wie etwa eine Untersagung verfügt.
Was lange also noch als amerikanische "Gespenster-Jagd" abgetan wurde, wird zunehmend auch von der Bundesregierung befolgt. Jahrelang scheute sich die Bundesregierung unter Angela Merkel, China vom Ausbau des schnellen 5G-Mobilfunknetzes auszuschließen. Jetzt aber hat sich das Bundesinnenministerium dazu entschlossen, dass Komponenten der Hersteller Huawei und ZTE aus dem deutschen Netz entfernt werden müssen.
Auch die Social-Media-App TikTok wird zunehmend als Risiko gesehen. Es geht um mögliche Desinformation und Softwarelücken, die vom chinesischen Mutterkonzern genutzt werden könnten. Nach und nach verbieten bereits zahlreiche Länder den Einsatz der Apps zumindest auf den Diensthandys von Ministerien und Behörden.
Europäische China-Strategie gefordert
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Konstantin von Notz, befürwortet die Schritte der Regierung: "Wer die Zeitenwende ernst nimmt, muss schnellstmöglich dafür sorgen, dass der effektive Schutz der Lebensadern unserer Demokratie gestärkt, politische Verantwortlichkeiten geklärt und Abhängigkeiten reduziert werden", sagt Notz, der auch Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums ist.
China stelle eine besondere Herausforderung dar: "Unsere Sicherheitsbehörden warnen sehr eindringlich vor Spionage und strategischen Übernahmen chinesischer Firmen in Deutschland und Europa." Es habe zu lange an der "notwendigen politischen Sensibilität gemangelt".
Aus der Opposition kommt jedoch Kritik, dass der Regierung noch immer ein gemeinsamer Kurs fehle: "China fordert uns in vielen Politikbereichen immer stärker heraus", sagt Stefan Rouenhoff, Wirtschaftsexperte aus der Unionsfraktion. Die Ampel müsse laut dem CDU-Politiker "endlich einen Plan für den Umgang mit China auf den Tisch legen". Man treffe "naive" Entscheidungen - und unterschätze Chinas strategisches Vorgehen "erheblich". Rouenhoff fordert eine viel engere Abstimmung auf europäischer Ebene.
Gesetz zum Schutz kritischer Infrastruktur
Bald will die Regierung einen Gesetzentwurf für ein Dachgesetz zum Schutz der kritischen Infrastruktur (Kritis) vorlegen. Darin soll genau definiert werden, welche Bereiche wie geschützt werden müssen - und wer dafür verantwortlich ist. Klar ist: Die Zahl der Einrichtungen wird deutlich zunehmen. Ein Beispiel dafür ist das Hamburger Containerterminal Tollerort. Bislang gilt es nicht als Kritis. Das hatte im vergangenen Jahr selbst in Regierungskreisen für Entsetzen gesorgt - und wird wohl bald neu bewertet.