Europaflaggen wehen vor dem Europagebäude in Brüssel.
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Krieg gegen die Ukraine ++ EU will Druck auf Russland erhöhen ++

Stand: 23.03.2023 21:09 Uhr

Die EU-Staaten haben der Ukraine versprochen, härter gegen Russland vorzugehen - dies schließe auch mögliche weitere Sanktionen ein. Die Slowakei hat der Ukraine nach eigenen Angaben vier MiG-29-Jets übergeben. Alle Entwicklungen im Liveblog.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten zur Lieferung moderner Kampfjets an sein Land aufgefordert. Er sei Polen und der Slowakei dankbar für die Entscheidung, Kampfjets des sowjetischen Typs MiG-29 bereitzustellen, sagte Selenskyj am Donnerstag bei einem EU-Gipfel, zu dem er per Video zugeschaltet war. "Dies wird die Verteidigung unseres Luftraums erheblich stärken. Aber wir brauchen moderne Flugzeuge."

An Kanzler Olaf Scholz und dessen Kollegen gerichtet fragte Selenskyj nun, ob es einen rationalen Grund für die Verzögerung bei der Bereitstellung moderner Flugzeuge gebe. Dabei verwies er auf die russischen Drohungen vor der Lieferung des deutschen Leopard-Kampfpanzers aus der EU. "Und was hat Russland daraufhin getan? Wir alle müssen uns daran gewöhnen, dass ein terroristischer Staat öfter blufft, als dass er eskalieren kann", sagte Selenskyj nach Angaben der Regierung in Kiew.

Der Generalstab der ukrainischen Armee hat eine Mitteilung zurückgezogen, nach der russische Truppen aus Nowa Kachowka abgezogen sein sollen. Eine weitere Erklärung wird es dazu zunächst nicht geben, hieß es.

Russische Truppen und Sicherheitsdienste haben nach Erkenntnissen des ukrainischen Generalstabs mit sogenannten Säuberungsaktionen unter der Bevölkerung des von ihnen kontrollierten Dnipro-Ufers in der südukrainischen Region Cherson begonnen. Dort habe in verschiedenen Siedlungen die Suche nach Bürgern mit pro-ukrainischer Einstellung, Militärrentnern und Mitarbeitern ukrainischer Strafverfolgungsbehörden eingesetzt, teilte der Generalstab in Kiew in seinem Lagebericht mit.

Dunkelgrün: Vormarsch der russischen Armee. Schraffiert: von Russland annektierte Gebiete.

Dunkelgrün: Vormarsch der russischen Armee. Schraffiert: Von Russland annektierte Gebiete.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Leichtathletinnen und Leichtathleten aus Russland sowie aus Belarus dürfen wegen des Angriffskrieges gegen die Ukraine weiterhin nicht an internationalen Wettkämpfen teilnehmen. Das entschied das Council von World Athletics (WA). Die Suspendierung des nationalen russischen Verbandes Rusaf wegen flächendeckenden und staatlich-unterstützten Dopings wurde aber nach mehr als sieben Jahren aufgehoben. 

Wegen der russischen Invasion verhängte die WA eine separate Sperre. Diese Entscheidung folgte auf den Beschluss des Europäischen Leichtathletik-Verbandes von vergangener Woche, wonach russische und belarussische Athleten bis zum Ende des Krieges kein Teilnahmerecht haben.

Die russischen Truppen sind nach ukrainischen Angaben aus Nowa Kachowka im Süden der Ukraine abgerückt. "Am 22. März 2023 haben alle Einheiten der Besatzungsarmee, die in Nowa Kachowka in der Region Cherson stationiert waren, die Stadt verlassen", teilte der Generalstab der ukrainischen Armee in seinem abendlichen Bericht über die Lage an der Front mit. Beim Abmarsch hätten russische Soldaten Geräte, Wertsachen, Kleidung und Mobiltelefone aus nahe gelegenen Häusern gestohlen.

Die Stadt Nowa Kachowka liegt am Ostufer des Dnipro. Dorthin hatten sich russische Truppen im November zurückgezogen, nachdem sie wegen der ukrainischen Gegenoffensive Stellungen am Westufer des Flusses aufgegeben hatten.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

23.03.2023 • 17:40 Uhr

EU will Druck auf Russland erhöhen

Die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten haben der Ukraine versprochen, härter gegen Russland vorzugehen. Die Europäische Union sei entschlossen, den kollektiven Druck auf Russland zu erhöhen, hieß es in einer beim EU-Gipfel verabschiedeten Erklärung. Dies schließe auch mögliche weitere Sanktionen und Arbeiten an der bereits existierenden Preisobergrenze für russische Erdölerzeugnisse ein. Zuletzt hatten unter anderem Länder wie Polen und Litauen eine Absenkung der Preisobergrenze gefordert, um Russlands Einnahmen aus Ölexporten noch weiter zu beschneiden.

Zugleich sagten Bundeskanzler Olaf Scholz und seine Kollegen der Ukraine auch weitere politische, wirtschaftliche, militärische, finanzielle und humanitäre Hilfe zu - solange dies nötig ist. Geplant wird zum Beispiel, in den kommenden zwölf Monaten eine Million neue Artilleriegeschosse zu liefern.

Ungarn würde den mit einem Haftbefehl vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) belegten russischen Präsidenten Wladimir Putin auf seinem Staatsgebiet nicht festnehmen. Das sagte der Stabschef von Ministerpräsident Viktor Orban, Gergely Gulyas, und erklärte dazu, der Haftbefehl sei in Ungarn nicht rechtlich bindend. Das Römische Statut des IStGH sei nicht formell in das ungarische Recht aufgenommen worden, da es "gegen die Verfassung verstoßen würde".

Die Regierung in Budapest selbst wollte den Haftbefehl gegen Putin nicht kommentieren. Gulyas sagte, die Entscheidung sei "nicht die glücklichste", sondern ein Schritt "in Richtung Eskalation und nicht in Richtung Frieden".

Am vergangenen Freitag hatte der IStGH wegen der mutmaßlichen Verschleppung tausender ukrainischer Kinder nach Russland im Ukraine-Krieg Haftbefehl gegen Putin und dessen Kinderrechtsbeauftragte, Maria Alexejewna Lwowa-Belowa, erlassen. Einige Länder, darunter Russland, China und die USA, erkennen den IStGH nicht an.

Der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson will Ungarn um eine Erklärung bitten, weshalb das ungarische Parlament den finnischen NATO-Beitritt vor der Aufnahme Schwedens in das Bündnis genehmigen will. "Ich werde fragen, warum sie Schweden von Finnland trennen. Das sind Signale, die wir vorher nicht hatten", sagte er im schwedischen Rundfunk. "Ich werde das heute unbedingt mit (dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor) Orban ansprechen."

Beide nehmen am EU-Gipfel in Brüssel teil. Orbans regierende rechtskonservative Fidesz-Partei hatte erklärt, das Parlament werde Finnlands NATO-Beitritt am kommenden Montag ratifizieren. Über die Aufnahme Schwedens in das Militärbündnis solle "später" entschieden werden.

Bei einer Fahrt durch die Innenstadt von Kiew hat das gepanzerte Fahrzeug von Estlands Außenminister Urmas Reinsalu plötzlich Feuer gefangen. In dem Auto saß auch der estnische Botschafter Kaimo Kuusk. "Ich saß dort mit Kaimo Kuusk auf dem Rücksitz, und auf einmal sagte Kaimo, dass irgendetwas rieche. Und dann brachen plötzlich hinter uns Flammen aus", berichtete Reinsalu auf der Regierungspressekonferenz  in Tallinn.  Nur mit Mühe habe das Personal von außen die Türen öffnen können, auch die Heckklappe sei blockiert gewesen.

"Zum Glück gingen die hinteren Türen schließlich auf, denn das Auto hätte sich in wenigen Sekunden in eine Gaskammer verwandelt", sagte der estnische Außenminister. Verletzt wurde bei dem Vorfall am Dienstagabend in Kiew niemand. Zur möglichen Ursache des Brandes machte Reinsalu keine Angaben. 

Finnlands Präsident Sauli Niinistö hat die Gesetze unterzeichnet, die den Weg zur NATO-Mitgliedschaft seines Landes zumindest von finnischer Seite aus frei machen. Das Parlament hatte Anfang März mit großer Mehrheit für den Vorschlag der Regierung zu der Gesetzgebung gestimmt, die für den Beitritt des Landes in das westliche Verteidigungsbündnis nötig ist. Niinistö hatte nach der Abstimmung angekündigt, das Ganze noch vor der finnischen Parlamentswahl am 2. April absegnen zu wollen.  Finnland muss aber weiter auf die Ratifizierung seines Mitgliedsantrags durch die Türkei und Ungarn warten. Alle anderen 28 Nato-Mitglieder haben dem Beitritt bereits zugestimmt. Ungarn will den finnischen Beitritt am 27. März ratifizieren. Auch die Türkei hat angekündigt, bald darüber abstimmen zu wollen. 

Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine hatte das nordische Land im vergangenen Mai gemeinsam mit Schweden die Aufnahme in das Verteidigungsbündnis beantragt. Die beiden Länder hatten lange gehofft, der NATO zeitgleich beitreten zu können. Weil die Türkei einen Beitritt Schwedens aber bislang blockiert, könnte Finnland allein vorangehen.

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs vor über einem Jahr sind mehr als 2000 ukrainische Patienten in europäische Krankenhäuser gebracht worden. Die Verletzten und Kranken werden im Rahmen des EU-Katastrophenschutzverfahrens auf Kliniken in 20 europäischen Länder verteilt, wie die EU-Kommission mitteilte. "Ich bin dankbar für die EU-weite Solidarität bei der Aufnahme dieser schutzbedürftigen Patienten in Not", sagte der für das Krisenmanagement zuständige EU-Kommissar Janez Lenarcic. Dadurch werde der enorme Druck auf das ukrainische Gesundheitssystem verringert.

Die polnische Stadt Rzeszow nahe der Grenze zur Ukraine dient nach Angaben der Kommission bei der Verteilung der Kranken und Verletzten als Drehkreuz. Dort erhielten die ukrainischen Patienten rund um die Uhr Krankenpflege bevor sie weiter in Krankenhäuser in ganz Europa gebracht würden.

Die Slowakei hat nach eigenen Angaben die ersten vier zugesagten MiG-29-Jets an die Ukraine übergeben. Die restlichen Flugzeuge sollen in den kommenden Wochen ausgeliefert werden, teilte das slowakische Verteidigungsministerium mit. Die ersten MiGs seien an die ukrainischen Streitkräfte übergeben worden, erklärte Verteidigungsminister Verteidigungsminister Jaroslav Nad auf Facebook und auf Twitter.

Die Slowakei hat sich vergangene Woche dem NATO-Mitglied Polen angeschlossen, das ebenfalls Kampfflugzeuge an die Ukraine übergeben will. Insgesamt plant die Slowakei die Lieferung von 13 Kampfjets aus sowjetischer Fertigung.

Ungarn will den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin einem führenden Regierungsvertreter zufolge ignorieren. Putin würde nicht verhaftet, wenn er nach Ungarn käme, sagte der Stabschef von Ministerpräsident Viktor Orban, Gergely Gulyas. Es gäbe für eine Vollstreckung des Haftbefehls keine rechtliche Grundlage in Ungarn. Ungarn hat zwar das Römische Statut als vertragliche Grundlage des Internationalen IStGH unterzeichnet und ratifiziert. Es sei aber nicht in das ungarische Rechtssystem integriert worden, sagte Gulyas. Auf Basis des ungarischen Rechts könne Putin nicht verhaftet werden.

Nach einem Besuch in den ostukrainischen Gebieten Donezk und Charkiw ist Präsident Wolodymyr Selenskyj in das ebenso frontnahe südukrainische Gebiet Cherson gereist. Veröffentlichten Videos zufolge besuchte er das von den Kämpfen mit russischen Truppen in Mitleidenschaft gezogene Dorf Possad-Pokrowske. "Ich denke, dass wir das sehr schnell bei Ihnen wiederaufbauen werden", sagte Selenskyj vor Einwohnern.

Ebenso besichtigte er ein durch Beschuss beschädigtes Umspannwerk und ließ sich die Reparaturarbeiten erläutern. Begleitet wurde der Staatschef von Vizeregierungschef Olexander Kubrakow, Energieminister Herman Haluschtschenko und dem Chef des Stromnetzbetreibers Ukrenerho, Wolodymyr Kudryzkyj.

Wolodymyr Selenskyj (m) besucht die Region Cherson

Ist in das südukrainische Gebiet Cherson gereist: Ukraines Präsident Selenskyj

Zum Auftakt des EU-Gipfels hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Geschlossenheit der Europäischen Union bei der Unterstützung der Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen die russischen Angreifer beschworen. "Das ist etwas, das (der russische Präsident Wladimir) Putin niemals im Blick hatte, dass die Unterstützung für die Ukraine so geschlossen funktioniert und auch so lange", sagte Scholz. "Und wir sind auch vorbereitet darauf, die Ukraine so lange zu unterstützen, wie das tatsächlich notwendig sein wird."

Das dänische Parlament hat heute für einen Beitritt des Landes zur Europäischen Verteidigungsagentur (EDA) gestimmt. Außerdem will Dänemark künftig an der Kooperationsplattform Pesco teilnehmen, über die gemeinsame Militärprojekte von EU-Staaten organisiert werden. Der 2004 gegründeten EDA mit Sitz in Brüssel gehören alle EU-Staaten außer Dänemark an. Sie ist Koordinierungsstelle für die Verteidigungszusammenarbeit in Europa und unterstützt gemeinsame Verteidigungsprojekte sowie die Mitgliedstaaten bei der Entwicklung ihrer militärischen Ressourcen.

Deutschland und 17 weitere Staaten hatten am Montag eine Vereinbarung zur gemeinsamen Beschaffung von Munition über die EDA unterzeichnet. Über ein Schnellverfahren sollen zwei Jahre lang Artilleriegeschosse im Kaliber 155 mm unter anderem für die Ukraine gekauft werden.

Unter dem Eindruck des russischen Angriffskriegs in der Ukraine hatte Dänemark im Juni 2022 per Volksabstimmung eine seit Jahrzehnten bestehende Sonderregel abgeschafft, nach der das Land bei der EU-Verteidigungszusammenarbeit außen vor war.

Die Zahl der Asylanträge in der EU ist das zweite Jahr in Folge deutlich gestiegen. Im vergangenen Jahr wurden in den 27 Mitgliedstaaten 881.200 Erstanträge gestellt, wie die EU-Statistikbehörde Eurostat in Luxemburg mitteilte. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies ein Plus von 64 Prozent. EU-Staaten haben im vergangenen Jahr zusätzlich mehr als 4,3 Millionen Menschen aus der Ukraine Schutz vor dem russischen Angriffskrieg geboten. Flüchtlinge aus der Ukraine müssen keinen Asylantrag stellen.

Wie in jedem Jahr seit 2013 kamen die meisten Asylsuchenden in Europa aus dem Bürgerkriegsland Syrien, insgesamt fast 132.000. Dies entsprach 15 Prozent aller Erstanträge. Es folgen Afghanistan (13 Prozent) sowie Venezuela und die Türkei (jeweils fast sechs Prozent).

Der luxemburgische Ministerpräsident Xavier Bettel hat den amerikanischen Präsidenten Joe Biden aufgefordert, mit Chinas Präsidenten Xi Jinping einen Friedensplan zur Ukraine auszuhandeln. Das würden die anderen Staaten akzeptieren, sagt er vor dem EU-Gipfel in Brüssel. Er wisse aber, dass er als Regierungschef des kleinen Luxemburg wenig Einfluss auf die Präsidenten habe.

Die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas hat die G7-Staaten aufgefordert, die Höhe des Preisdeckels für russisches Öl zu senken. "Wir wissen, dass Russland bereits 42 Prozent weniger verdient hat an Ölverkäufen", sagt sie vor Beginn des EU-Gipfels. Das reduziere die Möglichkeit Russlands, den Krieg gegen die Ukraine zu führen. Sie verstehe, dass einige Länder aus der Gruppe der sieben führenden westlichen Wirtschaftsnationen die Sorge hätten, dass ein abgesenkter Preis nicht wieder angehoben werden könne. Das sei aber nicht der Fall.

Die EU hatte sich im Februar auf eine Preisobergrenze von 100 Dollar je Barrel auf hochwertige Ölprodukte wie Diesel aus Russland und von 45 Dollar je Barrel auf günstigere Produkte wie Heizöl geeinigt.

Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez will Ende des Monats bei einem Besuch in Peking die Chancen auf eine Vermittlung Chinas im Krieg in der Ukraine ausloten. Das kündigte Präsidentschaftsminister Félix Bolaños im Fernsehsender RTVE an. Peking könne bei der Vermittlung zwischen Kiew und Moskau eine "sehr wichtige Rolle spielen". Bolaños fügte hinzu: "Dieser Konflikt muss unbedingt beendet werden, und Russland muss anerkennen, dass es sich um eine völlig ungerechtfertigte Aggression handelt."

China hatte zum russischen Krieg gegen die Ukraine ein Positionspapier veröffentlicht, das im Westen auf Enttäuschung stieß. Staats- und Parteichef Xi Jinping war zu Beginn dieser Woche zu Besuch in Moskau und unterzeichnete dabei auch ein Abkommen über strategische Zusammenarbeit. Über Kontakte zur Führung in Kiew wurde nichts bekannt. Sánchez hält sich am 30. und 31. März in Peking auf.

Russland will in diesem Jahr 1500 Panzer für den Krieg gegen die Ukraine produzieren. "Der militärisch-industrielle Komplex ist heißgelaufen", sagte der Vizechef des Nationalen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedjew, in einem heute veröffentlichten Interview. Die Mehrheit der Rüstungsbetriebe arbeite im Dreischichtensystem. Der Westen versuche zwar, Russland von wichtigen Bauteilen abzuschneiden und behaupte, dem Land gingen die Artilleriegeschosse, Panzer und Raketen aus. "Dabei stellen wir allein 1500 Panzer in diesem Jahr her", sagte der Ex-Präsident.

Noch im Februar hatte Medwedjew, der im Sicherheitsrat auch für die Rüstungsindustrie zuständig ist, beim Besuch einer Fabrik von Bau und Modernisierung Tausender Panzer gesprochen. Experten bezweifeln, dass sein Land solche Mengen herstellen kann.

Medwedjew sagte nun auch, dass Russland zwar eigene Drohnen produziere. Es fehle bislang aber an großen Kampfdrohnen, für die es bald eine eigene Produktion geben werde.

Die Ukraine bereitet nach eigenen Angaben nahe der seit Monaten heftig umkämpften Stadt Bachmut im Osten des Landes einen Gegenangriff auf die russischen Streitkräfte vor. Die russischen Truppen verlören deutlich an Kraft und seien erschöpft, erklärte der Befehlshaber der ukrainischen Bodentruppen, Oleksandr Syrskyj, heute im Onlinedienst Telegram. "Wir werden diese Gelegenheit sehr bald nutzen, so wie wir es bei Kiew, Charkiw, Balaklija und Kupjansk getan haben". Russland wolle Bachmut um jeden Preis einnehmen und scheue weder Verluste an Menschen noch an Material, sagte Syrskyj weiter.

Die Ankündigung erfolgte einen Tag nach einem Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an der Front bei Bachmut. Der gestrige Besuch war aus Sicherheitsgründen ohne öffentliche Vorankündigung erfolgt. Selenskyj hatte dort unter anderem bei den Kämpfen verletzte Soldaten besucht und den Soldaten für ihren Einsatz gedankt. Später besuchter er auch Charkiw im Nordosten.

Dunkelgrün: Vormarsch der russischen Armee. Schraffiert: von Russland annektierte Gebiete.

Dunkelgrün: Vormarsch der russischen Armee. Schraffiert: Von Russland annektierte Gebiete.

Im Osten der Ukraine haben russische Truppen bei schweren Kämpfen nahe der russisch besetzten Stadt Kreminna nach britischer Einschätzung die ukrainischen Truppen zurückgedrängt. "Russland hat teilweise die Kontrolle über die unmittelbaren Zugänge nach Kreminna zurückerlangt, die Anfang des Jahres einer unmittelbaren ukrainischen Bedrohung ausgesetzt war", berichtete das britische Verteidigungsministerium heute unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse.

"An einigen Stellen hat Russland Geländegewinne von mehreren Kilometern gemacht." Nun wollten die russischen Truppen vermutlich eine "Sicherheitszone" westlich ihrer vorbereiteten Verteidigungsstellungen errichten, hieß es weiter. Dabei würden sie vermutlich den Fluss Oskil als natürliches Hindernis einbeziehen und zudem versuchen, den Logistikknotenpunkt Kupjansk zurückzuerobern. Grundsätzlich verfolge Russland in der Ostukraine aber weiterhin einen defensiven Ansatz. "Kommandeure fürchten vermutlich, dass das einer der Frontabschnitte sein könnte, an dem die Ukraine eine Großoffensive versuchen könnte."

Für Russlands früheren Präsidenten Dmitri Medwedjew wäre eine Festnahme von Wladimir Putin im Ausland infolge des Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) eine Kriegserklärung an sein Land. Das sagte er in einem heute veröffentlichten Interview der staatlichen Nachrichtenagentur Tass: "Stellen wir uns vor (...) ein amtierender Präsident einer Atommacht kommt zum Beispiel nach Deutschland und wird verhaftet. Was ist das? Eine Kriegserklärung an die Russische Föderation", sagte Medwedjew, der zurzeit stellvertretender Vorsitzende des Sicherheitsrates der Russischen Föderation ist.

Gegen den Kremlchef Putin besteht seit vergangener Woche ein internationaler Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen in der Ukraine. Russland erkennt die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs aber nicht an. Die Aussage des deutschen Bundesjustizministers Marco Buschmann (FDP), Deutschland müsse das Urteil umsetzen und den russischen Staatschef festnehmen, sollte er deutsches Territorium betreten, kommentierte Medwedjew so: "Ist er sich überhaupt klar, dass dies ein Casus Belli, eine Kriegserklärung wäre? Oder hat er versäumt, seine Hausaufgaben zu machen?" Jedenfalls sei die ICC-Entscheidung negativ für die Beziehungen zum Westen, die jetzt schon schlechter seien als zu Beginn des Kalten Kriegs.

Die Lage am von Russland besetzten ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja ist nach Ansicht der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) "prekär". Probleme bereite vor allem die Stromversorgung des Kraftwerks von außen, erklärte IAEA-Direktor Rafael Grossi. "Ich rufe erneut alle Seiten auf, die nukleare Sicherheit und den Schutz des Kraftwerks zu sichern." 

Russland hatte das Atomkraftwerk Saporischschja im Süden der Ukraine kurz nach Beginn des Krieges im eingenommen und hält es seitdem besetzt. Seit Monaten beschuldigen sich Moskau und Kiew gegenseitig, für Angriffe um und auf das Atomkraftwerk verantwortlich zu sein. Diese haben bereits mehrmals zu einer Abkopplung des Kraftwerks vom ukrainischen Stromnetz gesorgt - dann müssen Notgeneratoren einspringen. Das größte AKW Europas liegt in der von Russland für annektiert erklärten Region Saporischschja nicht weit von der Front entfernt.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat den Westen darauf eingeschworen, die Ukraine noch lange mit Waffen für den Kampf gegen die russische Invasion ausrüsten zu müssen. Der russische Präsident Wladimir Putin habe keine unmittelbaren Pläne für einen Frieden in der Ukraine, sagte er der britischen Zeitung "Guardian".

"Präsident Putin plant nicht für den Frieden, er plant für mehr Krieg." Deshalb müsse sich der Westen darauf einstellen, Kiew noch lange Zeit mit Waffen zu versorgen. Russland steigere für seinen "Zermürbungskrieg" die militärische Industrieproduktion und reiche "autoritären Regimen wie dem Iran oder Nordkorea" die Hand, um mehr Waffen zu bekommen, sagte Stoltenberg.

Die heftigen Kämpfe um Bachmut in der Ostukraine zeigten, dass Russland bereit sei, "Tausende und Abertausende von Soldaten einzusetzen und für minimale Gewinne viele Opfer in Kauf zu nehmen". Infolgedessen müssten die USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und andere westliche Staaten darauf vorbereitet sein, die Ukraine über einen langen Zeitraum mit Waffen, Munition und Ersatzteilen zu unterstützen. "Der Bedarf wird weiterhin bestehen, denn dies ist ein Zermürbungskrieg; es geht um die industrielle Kapazität, um die Unterstützung aufrechtzuerhalten."