Arbeitsmoral der Generation Z Wohlstandsgefährdung oder Chance?
40-Stunden-Wochen und sich kaputtschuften? Berufseinsteiger legen heute mehr Wert auf Work-Life-Balance. Andere können das nicht nachvollziehen. Ihr Vorwurf: Diese Haltung gefährdet den Wohlstand. Ist da was dran?
"Ich genieße meine Arbeit mehr, wenn ich auch genug Zeit habe für andere Dinge: Freizeit, Familie und Freunde", sagt Lea Poos. Ein Nine-to-five-Job, 40 Stunden pro Woche plus Überstunden, das wäre nichts für sie. Die 23-Jährige ist Werkstudentin bei einer Filmproduktionsfirma in Mainz und schätzt die Flexibilität und den Ausgleich außerhalb ihres Jobs. Wenn die Balance zwischen Job und Privatleben stimmt, dann gehe sie auch gerne zur Arbeit und leiste mehr, so Poos.
Die Studentin gehört zur sogenannten Generation Z, die eigentlich die große Fachkräftelücke auffüllen soll. Zur Gen Z zählen laut Definition Menschen, die zwischen 1995 und 2010 geboren wurden. Sie legt im Vergleich zu vorherigen Generationen deutlich mehr Wert auf Work-Life-Balance und sucht sich gezielt Arbeitgeber aus, die flexiblere Arbeitszeitmodelle anbieten. Das belegt auch eine Studie der Hochschule Mainz aus dem Jahr 2022.
Für die Studie wurden Bachelor-Studierende befragt, die bereits erste Berufserfahrungen vorweisen konnten. Knapp 77 Prozent gaben als wichtigstes Kriterium bei der Wahl ihres Arbeitgebers eine ausgewogene Work-Life-Balance an. Eine angemessene Bezahlung war ihnen am zweitwichtigsten. Nur etwas mehr als die Hälfte der Befragten fanden, ein Unternehmen müssen ihnen Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten bieten.
Spaß haben, entspannt bleiben und gut verdienen
Für Lea Poos ist der Spaß im Job genauso wichtig wie die Vergütung, im Zweifel würde sie sogar eine gesunde Work-Life-Balance einer besseren Vergütung vorziehen. Mehr als 35 Stunden will sie aber nicht arbeiten. Für ihren Arbeitgeber, die Filmproduktion Kontrastfilm, kein Problem. Die Firma bietet flexible Arbeitszeiten, die freie Wahl des Arbeitsorts und sogar eine eigene Köchin für gemeinsame Mittagessen.
Laut Geschäftsführer Tidi von Tiedemann zahlt sich das aus: "Man merkt, die Leute haben Bock, hier zu arbeiten", sagt der Mittfünfziger, der auch selbst Wert auf Work-Life-Balance legt. Die Kunst sei es, Arbeitsbedingungen zu schaffen, die angenehm sind und dabei trotzdem produktiv zu sein. "Wenn man jungen Mitarbeitern Zugeständnisse macht, gehen die mit einer anderen Energie an die Arbeit, als wenn sie das Gefühl haben, nur benutzt zu werden, um billige Arbeitskräfte zu sein."
"Arbeit ist mittlerweile ein Schimpfwort"
Frank Darstein hingegen hält Work-Life-Balance für "nichts anderes als Egoismus", der den Wohlstand gefährde. Der 65-Jährige betreibt ein Hotel in der Nähe von Ludwigshafen am Rhein. Sein Leben lang hat er gearbeitet. Sechs-Tage-Wochen und 60 Wochenstunden waren für den Selbstständigen völlig normal. Einen Wandel in der Arbeitswelt lehnt der Hotelier ab. Die jüngere Generation müsse "genauso viel leisten wie wir und wie unsere Eltern". Sonst sei der Lebensstandard in Deutschland nicht zu halten, ist der Unternehmer überzeugt.
"Arbeit ist ja mittlerweile ein Schimpfwort", beklagt Darstein und sieht eine grundsätzliche Schieflage: Vor allem nachts, an Wochenenden oder Feiertagen zu arbeiten, sei zunehmend verpönt. Aber was passiere, wenn dann keiner mehr arbeitet? "Wo ist denn die OP-Schwester nachts, wenn ich einen Herzinfarkt habe? Wo ist der Taxifahrer? Wo ist dann der Ingenieur, der dafür sorgt, dass ich Strom habe?" Zu sagen, "Ich mache das nicht", bringe niemanden weiter.
Forderungen nach mehr Work-Life-Balance und mehr Freizeit sieht Darstein nicht als Teil der Lösung, sondern als Teil des Problems. Vieles davon sei bei ihm im Betrieb nicht umsetzbar, weil ihm dann schlichtweg Arbeitskraft fehle. Vier-Tage-Woche oder Homeoffice? Gibt es bei ihm nicht. "Wenn der Gast zur Tür reinkommt, möchte er bedient werden, und das geht nicht über einen Laptop."
Er findet, die Arbeitsmoral der jungen Generation müsse sich ändern: "Wenn wir alle nur noch sagen, 'wir machen jetzt nur noch zum Beispiel die Vier-Tage-Woche, dann haben wir einen Tag mehr frei': Wer finanziert diesen einen Tag mehr? Auf der einen Seite soll er bezahlt werden. Andererseits wissen wir aber ganz genau, dass die Arbeitskräfte fehlen." 2022 konnten 40 Prozent aller Betriebe in Deutschland ihren Bedarf an Fachkräften nicht decken.
Viele Vorurteile über die Generation Z
"Es wäre natürlich schön, wenn man weniger arbeitet und mehr Geld verdient. Aber das ist nicht die Realität", findet Julian Daske. Auch er gehört zur Generation Z. Der 26-Jährige arbeitet im Rahmen eines Dualen Studiums im Tourismusmanagement in Darsteins Hotel und ist zufrieden: 40-Stunden-Woche und auch mal mehr seien für ihn völlig in Ordnung. Mehr Freizeit brauche er nicht.
Arbeitszeitmodellen wie der Vier-Tage-Woche steht er kritisch gegenüber. Wie solle das in Branchen wie dem Handwerk funktionieren? "Wer baut am fünften Tag die Mauer weiter?", hinterfragt der 26-Jährige. Sein Beispiel zeigt, dass die Generation Z durchaus sehr unterschiedlich auf das Thema Arbeit blickt.
Kein Bock auf Arbeit, verwöhnt, und zu fordernd - Werkstudentin Lea Poos ärgern diese Vorurteile gegenüber ihrer Generation. Sie arbeite gerne, nur eben anders. Auch sie findet, dass "wir den vorherigen Generationen viel zu verdanken haben, dass diese immer bereit waren, hart zu arbeiten." Für die 23-Jährige bedeute das aber nicht, "dass wir jetzt weniger bereit dazu sind".
Trotzdem dürfe man Verbesserungen fordern. "Ich glaube nicht, dass bessere Arbeitsumstände den Wohlstand gefährden, sondern dass sie Leute fitter und motivierter machen können, damit sie in kürzerer Zeit genauso viel Leistung bringen."
Chancen durch Work-Life-Balance?
Die Produktionsfirma, in der Poos arbeitet, ist trotz oder vielleicht auch wegen vieler Mitarbeiter aus der Gen Z erfolgreich. Geschäftsführer von Tiedemann sieht bei Flexibilität und Work-Life-Balance auch Chancen, um dem Problem Personalmangel entgegenzuwirken. Regelmäßig bekomme er deutlich mehr Bewerbungen, als er Stellen zu vergeben habe.
Den Vorwurf, die Generation Z gefährde mit ihren Forderungen nach anderen Arbeitsbedingungen den Wohlstand in Deutschland kann er nicht nachvollziehen. Er ist vom Gegenteil überzeugt: "Wer am meisten arbeitet, kriegt auch das meiste Geld? Die Rechnung geht in meinen Augen in Zukunft nicht mehr auf", so der Filmproduzent.