Angebote von Arbeitgebern Tausende Euro Prämie für den neuen Job
Immer mehr Unternehmen locken mit Jobwechsel-Prämien. Im Wettbewerb um Fachkräfte wollen sie sich so durchsetzen. Aber warum zahlen Arbeitgeber nicht einfach höhere Gehälter?
Pflegekräfte, medizinische Fachangestellte, Labormitarbeiter: Die Liste der Stellenausschreibungen des Agaplesion-Krankenhauses in Gießen ist lang. Gesucht werden - wie in so vielen Bereichen - Fachkräfte. Wer eingestellt wird, bekommt bei einigen Jobs nicht nur einen Arbeitsplatz, sondern eine ordentliche Prämie dazu. 2.000 Euro sind es für die Stelle im Herzkatheter-Labor, die gerade ausgeschrieben ist.
Der Gedanke dahinter: den Arbeitsplatz attraktiver machen. Berufe im Gesundheitswesen hätten einen schlechten Ruf, sagt Ina Junga. Sie leitet das Personalmanagement im Agaplesion-Krankenhaus. "Unsere Arbeitsbedingungen hier im Haus sind gar nicht so unattraktiv, wie das medial kommuniziert wird." Deshalb hätten sie die Prämie eingeführt.
Wechsel-Prämien sind im Trend
Wie die Klinik buhlen zahlreiche Unternehmen um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter - längst nicht nur in der Gesundheitsbranche. Von der Kfz-Mechatronikerin bis zum Küchenmonteur locken Arbeitgeber mit Prämien zwischen 300 und 4.000 Euro.
Eine Auswertung der Jobplattform Indeed zeigt, dass Bonuszahlungen beim Jobwechsel deutlich zugenommen haben. 2019 hätten auf der Plattform von einer Million Stellenanzeigen 3.050 Anzeigen mit einer Prämie geworben. 2023 waren es 7.129, also mehr als doppelt so viele. Auch wenn der Anteil gering bleibt, ist ein Trend klar erkennbar.
Wandel zum Arbeitnehmermarkt
Erklären lässt sich dieser mit der Situation am Arbeitsmarkt, die sich weiter zugunsten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern entwickelt hat. Momentan gibt es laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung rund 1,7 Millionen offene Stellen in Deutschland. Arbeitssuchend sind rund 2,6 Millionen Menschen.
Das heißt: Auf eine Stelle kommen etwa 1,5 Arbeitssuchende. Vor zehn Jahren waren es rechnerisch etwa vier Arbeitssuchende für einen Job. Die Konkurrenz auf Arbeitnehmerseite war deutlich größer. Heute sind es die Arbeitgeber, die für sich werben müssen.
Prämien am Frankfurter Flughafen haben Erfolg
Dass das Instrument der Jobwechsel-Prämie zu wirken scheinen, zeigt sich da, wo der Fachkräftemangel besonders groß ist: am Frankfurter Flughafen. Schon seit 2022 zahlt die Fraport einen Bonus für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. 1.000 Euro gibt es bei der Bodenabfertigungstochter FraGround.
Dass die Fraport früh in den Trend eingestiegen ist, liege an der besonderen Situation der Luftfahrtbranche während der Pandemie, sagt Fraport-Sprecher Andreas Schopf. "Der Luftverkehr war als erstes von den Coronamaßnahmen betroffen und ist als letzte Branche wieder zur Normalität zurückgekehrt." Viele Mitarbeiter hätten in dieser Zeit das Unternehmen verlassen und sich anderweitig orientiert.
Höhere Gehälter nicht wirtschaftlich?
Seit der Einführung der Prämie hat Fraport nach Angaben des Unternehmens 4.000 neue Angestellte gewonnen. Sprecher Schopf betont, die Prämie sei neben weiteren Leistungen wie zum Beispiel dem Deutschlandticket ein Faktor bei der Entscheidung für den Arbeitgeber. Doch die Arbeitgeber wollen nicht nur, dass Arbeitnehmer kommen, sondern dass sie auch im Job bleiben. Warum zahlen sie also nicht da, wo Fachkräfte händeringend gesucht werden, mehr Gehalt?
Der Grund dafür sei wirtschaftliches Kalkül, sagt Michael Neugart, Ökonom an der TU Darmstadt. Würden Unternehmen den Brutto-Monatslohn um 100 oder 200 Euro erhöhen, müssten sie den Betrag für die gesamte Beschäftigungsdauer zahlen. Mit einer einmaligen Zahlung gebe es zwar den finanziellen Anreiz für die Arbeitnehmer, die Arbeitgeber müssten sich aber nicht langfristig verpflichten - und sie bleiben im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten.
2024 wird ein weiteres Arbeitnehmer-Jahr
Das Agaplesion-Krankenhaus in Gießen könnte zwar mehr zahlen, sagt Personalmanagerin Junga. In der Pflege würde das aber bedeuten, dass man insgesamt weniger Personal einstellen könnte. Denn die Krankenkassen zahlten dem Krankenhaus Pauschalen für die behandelten Patienten. Die finanziellen Mittel seien also begrenzt.
"Es wäre niemandem geholfen, wenn wir der Masse mehr zahlen, uns dafür aber personell so einschränken müssen, dass wir die Arbeit nicht mehr bewerkstelligen können", sagt Junga.
Höhere Gehälter sind also für die Gießener Klinik keine Lösung. Und trotzdem bleibt 2024, wie auch das Vorjahr, ein Arbeitnehmer-Jahr. Gerade wer einen begehrten Beruf hat, kann auf Jobwechsel-Prämien hoffen und ist in einer guten Verhandlungsposition.