Bahn und EVG verhandeln wieder Warnstreik - oder Einigung?
Im Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn wird von heute an wieder für insgesamt 230.000 Beschäftigte verhandelt. Bis Freitag soll eine Lösung gefunden werden - wie könnte es weitergehen?
Die Deutsche Bahn (DB) und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) setzen heute ab 14.00 Uhr ihre Tarifverhandlungen fort. Die Gespräche im Berliner Hotel Intercontinental sind für fünf Tage bis einschließlich Freitag angesetzt. Bisher wurde im laufenden Tarifstreit zweimal gestreikt, ein dritter Warnstreik-Aufruf wurde nach einer juristischen Auseinandersetzung kurzfristig wieder abgesagt.
Die Forderungen der Tarifparteien
Die EVG verhandelt seit Ende Februar mit der DB und Dutzenden weiteren Eisenbahn-Unternehmen über höhere Löhne und Gehälter für insgesamt rund 230.000 Beschäftigte. Der Fokus liegt dabei auf den Verhandlungen mit der DB, dort arbeiten gut 180.000 dieser Beschäftigten. Die Gewerkschaft fordert von den Arbeitgebern einen Festbetrag von mindestens 650 Euro pro Monat mehr oder zwölf Prozent bei den oberen Lohngruppen. Die Laufzeit soll nach ihren Vorstellungen zwölf Monate betragen.
Die Bahn hatte bei Verhandlungen Ende Mai in Fulda stufenweise zwölf Prozent mehr bei den unteren Lohngruppen in Aussicht gestellt. Insgesamt zehn Prozent mehr sollen die mittleren Gruppen bekommen und acht Prozent die oberen. Die erste Erhöhungsstufe soll demnach noch dieses Jahr kommen. Hinzu kommt eine ebenfalls stufenweise Inflationsausgleichsprämie von insgesamt 2850 Euro, die steuer- und abgabenfrei ab diesem Juli gezahlt werden könnte. Die Laufzeit soll 24 Monate betragen.
Was passieren könnte
Die bisher letzte Verhandlungsrunde hatte drei Tage gedauert. Vom Ablauf der Gespräche hängt letztlich auch ab, ob es in Kürze zu neuen Warnstreiks bei der Bahn kommen wird. Grundsätzlich hält die EVG weitere Arbeitsniederlegungen für möglich. "Die Option für Streiks ist natürlich auf dem Tisch", hatte EVG-Verhandlungsführer Kristian Loroch Ende Mai erklärt.
Für die nächsten Tage gibt es also viele denkbare Szenarien. Sollte die Gewerkschaft den Eindruck haben, dass keine Fortschritte erzielt werden, droht der nächste Warnstreik auf der Schiene. Sollten die Verhandlungen sogar als gescheitert eingestuft werden, ist auch eine Urabstimmung über dann möglicherweise unbefristete Streiks denkbar. Selbstverständlich ist auch ein Abschluss bis zum Freitag möglich.
Neuer Arbeitskampf wahrscheinlich?
Nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Wolfgang Schroeder muss der Tarifkonflikt stets auch mit Blick auf die Konkurrenzsituation der EVG zur Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) betrachtet werden. Vergangenen Montag hat deren Chef Claus Weselsky seine Tarifforderungen vorgestellt, über die er ab Herbst mit der DB verhandeln wird. Die Kernpunkte: 555 Euro mehr pro Monat, drei Stunden weniger Arbeitszeit pro Woche für Schichtarbeiter und 3000 Euro Inflationsausgleichsprämie.
Damit habe die GDL die Latte sehr hoch gehängt, meint Schroeder. "Und wenn die EVG sich jetzt frühzeitig auf den Kurs des Bahn-Managements einlassen würde, könnte einmal mehr der Eindruck entstehen, dass die EVG die nachgebende Gewerkschaft ist und die GDL die fordernde Gewerkschaft". Damit würde die EVG den Eindruck zerstören, den sie seit Monaten aufzubauen versucht habe, nämlich dass sie die starke Gewerkschaft innerhalb des Konzerns ist und es daneben keine andere braucht, um die Interessen der Beschäftigten durchzusetzen. Schroeder geht davon aus, dass es im Rahmen des Tarifkonflikts noch mal zum Arbeitskampf kommen wird.
Die Ziele der Tarifparteien
Denn die wesentlichen Konfliktpunkte bleiben umstritten: Die EVG hat immer wieder deutlich gemacht, dass sie einen Festbetrag statt einer prozentualen Erhöhung erreichen will. Denn die unteren Einkommensgruppen sollen von der Tarifrunde besonders deutlich profitieren, so der Wunsch der Gewerkschafter. Wer wenig verdient, wurde in den vergangenen Monaten von der Inflation besonders stark getroffen, weil das Geld auch schon ohne die heftigen Preissteigerungen am Monatsende oft knapp war. Vermutlich hofft die Gewerkschaft darüber hinaus auch, dass sich aus diesen Einkommensgruppen weitere Menschen der Gewerkschaft anschließen.
Ein großer Knackpunkt ist zudem die lange Laufzeit von 24 Monaten, die die Bahn zuletzt vorgeschlagen hat. Die EVG will schon früher wieder verhandeln, um auch auf weitere Preissteigerungen in den kommenden Monaten schnell reagieren zu können.
Für die Bahn ist eine lange Laufzeit des Tarifvertrags wichtig, um mehr Planungssicherheit zu bekommen. Der Konzern hat schon jetzt mit hohen Kosten zu kämpfen, etwa weil die marode Schieneninfrastruktur dringend modernisiert werden muss.