Rundfunkmesse NAB Das Radio erfindet sich neu
Wie stark sich das Radio verändert, wird auf der US-Rundfunkmesse NAB deutlich: Die Herstellung von Hörfunkinhalten wird günstiger. Trotzdem haben es viele Sender zunehmend schwer.
Dan McQuillen möchte das Radio radikal vereinfachen. Besonders für die, die hinter dem Mikrofon arbeiten. McQuillen hat mit seiner britischen Firma "Broadcast Bionics" einen Tisch entwickelt, der jeden Raum in ein Radiostudio verwandelt. Im Tisch sind vier Mikrofone eingebaut. Bedient wird alles über ein iPad oder am Smartphone. Man klickt sich das Radiostudio und das, was man zur Aufnahme benötigt, einfach zusammen. Ein Server im Keller baue dann daraus eine Radiosendung zusammen, sagt McQuillen. "Vor der Pandemie haben uns viele Leute belächelt. Mittlerweile haben wir aber bewiesen, dass diese Beweglichkeit absolut notwendig ist."
"Alles wandert in die Cloud"
Heute gehört die BBC zu seinen Kunden, die den Tisch in ihren Konferenzräumen einsetzt. Den Radio-Journalistinnen und -Journalisten kommt dabei eine Entwicklung zugute, die hauptsächlich durch die Pandemie beschleunigt wurde. Die sogenannte Hardware lässt sich auch in Form von Software nachbauen. Die Produktion von Radio wird dadurch deutlich günstiger, weil sie in der Cloud geschieht. "Alles wandert in die Cloud", bestätigt Stephan Türkay. Er arbeitet bei Lawo, einer Firma aus dem badischen Rastatt, die Radio- und TV-Studios in aller Welt baut. "Damit kommen neue Modelle. Ich wähle aus, was ich derzeit brauche. Und wenn ich mehr benötige, buche ich mir das dazu."
Dies, so Türkay, sei von allen Umschwüngen, die es bislang in der Medienindustrie gab, der dramatischste, der drastischste und auch der disruptivste: "Alle Funktionen waren bisher Hardware. Ich kaufe mir die Infrastruktur nicht mehr, ich lease sie mir dazu. Das erfasst die komplette Industrie."
Hybride Systeme sind die Radio-Zukunft
Für die Verbraucherinnen und Verbraucher wird die neue Radiowelt besonders gut im Auto sichtbar. Volkswagen und Audi sind hier weltweit führend, weil sie hybride Radiosysteme in ihren Fahrzeugen bereits verbauen. "Es handelt sich hier um die automatische Nahtlos-Mischung zwischen Rundfunk und dem Internet", sagt Nick Piggott. Er ist Chef von Radio DNS, einer in Großbritannien angesiedelten Organisation, die für das Hybrid-Radio den weltweiten Standard festlegt.
"Wird das Rundfunksignal zu schwach wird, schaltet es automatisch auf das Internet um." Heißt: Wenn das Radiosignal via UKW oder DAB zu schwach wird und man aus dem Empfangsgebiet herausfährt, wird einfach auf das Streaming-Angebot der jeweiligen Radiostation umgeschaltet.
Kein Aussterben, aber starker Wandel
Fred Jacobsen aus Detroit berät kommerzielle wie öffentlich-rechtliche Radiosender in den USA. Vor allem die amerikanischen Privatradios hätten Probleme, sich einzig über Werbung zu finanzieren, erzählt er. "Deshalb starten sie Podcast-Firmen. Sie verwenden das Radio dazu, um ihre andere Unternehmen zu bewerben. Sie halten Ausschau nach Betätigungsfeldern, die nicht nur um das Medium Radio kreisen."
Radio wird aber deshalb nicht aussterben. Darin sind sich die Experten bei der NAB einig. Aber: Hörfunkinhalte werden günstiger in der Produktion, und die Sender werden neue Ausspielkanäle wie Podcasts anbieten müssen, um die Gunst der Hörerinnen und Hörer zu behalten.