Pläne für den Kohleausstieg Wann kommen die neuen Gaskraftwerke?
Für die Übergangszeit nach dem Kohleausstieg will die Bundesregierung neue Gaskraftwerke bauen lassen. Weil aber die politische Strategie dafür fehlt, wird nun die Zeit knapp.
Dass ausgerechnet Gaskraftwerke der Schlüssel zu grünem Strom sein sollen, klingt zunächst einmal paradox. Erdgas ist alles andere als CO2-neutral, außerdem wird es in riesigen Tankern über die Weltmeere nach Deutschland geschifft.
Die neuen Gaskraftwerke, die nach Plänen der Bundesregierung gebaut werden sollen, könnten perspektivisch aber mit "grünem" Wasserstoff betrieben werden und wären damit klimafreundlich. Mit ihnen wäre trotz des Ausstiegs aus der Kohleverstromung die Energiesicherheit gewährleistet.
Wenn Deutschland schon 2030 aus der Kohle aussteigen will, müssten in den kommenden Jahren 30 große, wasserstofffähige Gaskraftwerke neu gebaut werden, sagt Philipp Artur Kienscherf vom Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität zu Köln. "Das könnte bei derzeitigen Baukosten ungefähr 20 Milliarden Euro kosten." Andere Experten sprechen sogar von noch mehr neuen Kraftwerken, die gebaut werden müssten.
Neue Kraftwerke "nur eine Reserve"
Die Pläne dafür sind aber ins Stocken geraten, weil die Finanzierung nicht geklärt ist. Für die Energiekonzerne lohnt sich der Bau eigentlich nicht. Die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien ist nicht nur umweltfreundlicher sondern in der Regel auch günstiger. "Die wasserstofffähigen Gaskraftwerke wären nur eine Reserve für Situationen, in denen es wenig Strom aus Wind und Sonne gibt", sagt Energieexperte Kienscherf. Fachleute sprechen von "Dunkelflauten", die aber nur recht selten auftreten.
Der Energiekonzern RWE fordert deshalb, die Unternehmen müssten vom Staat dafür vergütet werden, dass sie die Kraftwerke in Bereitschaft halten, falls sie denn mal gebraucht werden. Die Kraftwerksstrategie der Bundesregierung, die solche Finanzierungsfragen regeln soll, verzögert sich aber gerade angesichts der schwierigen Haushaltslage.
Fünf bis sechs Jahre Bauzeit
RWE geht davon aus, dass Genehmigung und Bau fünf bis sechs Jahre dauern. Wenn die neuen Gaskraftwerke mit dem Kohleausstieg 2030 in Betrieb gehen sollen, brauche es also bald Klarheit. Zwei potentielle Standorte hat RWE schon im Blick. Voraussetzung für die Umsetzung seien aber der gesetzliche Rahmen und die Wirtschaftlichkeit.
Der Energieriese EnBW hat in Baden-Württemberg bereits mit dem Bau von zwei wasserstofffähigen Gaskraftwerken begonnen, ein drittes ist geplant. Allerdings warnt auch die EnBW davor, dass ohne Planungssicherheit keine weiteren Investitionsentscheidungen getroffen werden könnten.
Alte Kohlekraftwerke statt neue Gaskraftwerke?
Manuel Frondel vom Essener Wirtschaftsforschungsinstitut RWI schlägt einen anderen Weg vor. Seiner Meinung nach würde es reichen, die vorhandenen Kohlekraftwerke als Reserve zu behalten. Wenn die Erneuerbaren Energien erst einmal ausgebaut seien, gehe es ohnehin nur noch um sehr geringe CO2-Emissionen - "ein Witz im Vergleich zu dem, was wir jetzt ausstoßen", so Frondel. Klimaneutralität lasse sich dann im Saldo auch mit Kohlestrom noch erreichen, zum Beispiel durch Aufforstung.
Der Bau wasserstofffähiger Gaskraftwerke sei zu teuer, so der Wirtschaftswissenschaftler, zumal der Staat in Zeiten knapper Kassen hohe Subventionen zahlen müsste. Außerdem werde "grüner" Wasserstoff auch in Zukunft knapp sein. "Wir brauchen Wasserstoff für andere Zwecke viel dringlicher, zum Beispiel für die chemische Industrie, für die Stahlerzeugung oder für große Lkw und Flugzeuge", so Frondel.
Politisch ist der Kohleausstieg allerdings schon beschlossen. Offiziell ist er ab 2038 vereinbart, Bundeswirtschaftsminister Habeck würde ihn gerne auf 2030 vorziehen. Sollte die Bundesregierung sich aber nicht bald auf eine Kraftwerksstrategie einigen, droht eine unfreiwillige Verlängerung der Laufzeit von Kohlekraftwerken.